Über kaum eine andere Droge wurde in den letzten Jahren so viel diskutiert, kaum so viel skandalisiert und kaum so viel gewarnt. Am Donnerstagabend lud die Junge Union Leipzig zu einer Podiumsdiskussion ins Studio 3 ein, um über die Droge, die Gefahren und mögliche Gegenstrategien zu sprechen. Konsens im Podium bestand in der Notwendigkeit, mehr Präventionsarbeit zu leisten.
Seit mehreren Jahren erfährt das Amphetamin Crystal Meth einen immensen Zulauf. „Ich kannte es bisher nur von Recherchen über Cannabis, dass es so eine breite gesellschaftliche Schicht erreicht“, zeigte sich der Journalist Maik Baumgärtner überrascht auf dem Podium.
Baumgärtner hatte unter anderem mit Bastian Pauly im April 2015 ein Buch über die Droge herausgebracht. Die Konsumenten reichen vom frustrierten Jugendlichen, über den Party machenden Studenten bis hin zum Hochschulprofessor, führt Baumgärtner zu den unterschiedlichen Konsumenten aus.
„Hotspot der Produktion liegt in Tschechien“, berichtete Pauly in einem kurzen Beitrag über die Hauptbezugsquelle der Droge. Für 20 bis 30 Euro kann man die kristalline Substanz an der Grenze bekommen. Die tschechische Jahresproduktion bewegt sich im Bereich von 17 Tonnen pro Jahr. Weiter weg steigen die Preise und die Produktionsmengen sinken ab. „Die steigenden Preise verhindern die Ausbreitung nicht“, so Pauly.
„Der Crystal-Konsum geht auf die Zeit der Niederschlagung des Prager Frühlings zurück“, blickte Baumgärtner in die Historie von Tschechien zurück. Viele Menschen hatten sich damals desillusioniert zurückgezogen und zu der Droge gegriffen. „Wir haben eine Konsumtradition seit Jahrzehnten“, sah er die Gründe für die hohe Professionalität, die sich mittlerweile auf Mengen von 10 Kilogramm pro Nacht belaufen.
Wie erfolgreich die Droge ist, konnte auch Bernd Buchwald von der Polizeidirektion Leipzig berichten. „Crystal hat in den vergangen fünf Jahren fast vollständig Heroin von den Straßen verdrängt.“ Dass es sich nicht nur um klassisches Problemkonsumententum handelt, stellte er ebenfalls fest. „Crystal kommt fast überall vor. Die Droge passt zum Zeitgeist.“
„Wir als Polizei stehen für Angebotsreduktion“, zeigte er die grundsätzliche Linie der Polizei auf. „Was mich mitnimmt, dass wir viel zu wenig Geld für Prävention ausgeben“, ging er auf die aktuellen Mängel in der Bekämpfung ein. „Die Polizeireform 2020 sieht einen Stellenabbau vor“, kritisierte er zudem indirekt die Konzepte seines Dienstherren, Innenminister Markus Ulbig (CDU).
Jörg-Achim Weber, Professor für Sozialmedizin an der HTWK, sieht weiteren Handlungsbedarf. „Das Problem ist, dass die Politik den Drogenkonsum nicht ernst nimmt. Auf der einen Seite predige man Abstinenz und auf der anderen Seite sei man nachgiebig gegenüber Beschränkungen, wenn es um wirtschaftliche Interesse gehe”, führte er aus.
Einen Erfolg von Abschreckungsstrategien, wie sie beispielsweise bei Zigaretten vorkommen, zweifelte er stark an. „Sie sehen, dass die Informationen überzeichnet sind“, stellte Weber die fragile Glaubwürdigkeit dieses Konzepts infrage. „Den Kontakt zu Drogen kann man nicht verhindern.“
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