Die Katholiken haben sich am Freitagabend endgültig von ihrem alten Standort verabschiedet. Mit Kerzen und Gesang zogen sie als großer Zug durch die Stadt hin zum Standort der neuen Kirche. Passanten zeigten sich beeindruckt: "So viele Christen gibt es hier?" Na ja, es sind nur die Katholiken. Aber was immer man von ihnen halten mag: sie wissen, wie man einen schlichten Umzug feierlich gestaltet. Der Abend endete im Innenhof der neuen Kirche.
Eine Kirche ist das nicht mehr. Schließlich wurde sie am vergangenen Sonntag zum profanen Ort. Und so findet das Gebet nicht direkt am Altar statt. Und doch wird es noch einmal feierlich. Der Jugendchor singt, die Gemeinde auch. Die Orgel ertönt zum letzten Mal und ein Saxophon kommt zum Einsatz. In feierlichen Texten wird die Geschichte und Gegenwart gedeutet. Noch einmal wird daran erinnert, dass die Kirche am Rosental 1982 einer Gemeinde neue Heimat gab, die lange Zeit heimatlos war. Nun aber soll es zurück an den Ring gehen, aber nicht zurück in eine alte oder rekonstruierte Kirche. Das – und manches andere – unterscheidet Leipzig von Dresden. Während in Dresden die Frauenkirche originalgetreu nachgebaut wurde, gibt es in Leipzig allenfalls Assoziationen an das, was zerstört wurde. Besonders schön kann man das bei der Universitätskirche oder Paulinum sehen.
Die jüngere Entwicklung Leipzigs stand auch im Zentrum der Überlegungen von Propst Gregor Giele: “Es ist ja eine erfreuliche Entwicklung, dass sich unser Leipzig wieder zu einer Metropole entwickelt hat. Hier pulsiert das Leben in einer großen Vielfalt. In dieser Stadt werden Trends gesetzt. Nach Leipzig zieht es Menschen, weil Wohnen und Leben hier attraktiv ist.” Propst Gregor Giele sieht darin das Wirken Gottes. Auch darin, dass die Gemeinde nun an den Ring zieht. Etwas profaner könnte man auch sagen: es gab einen festen Willen bei den Katholiken, wieder im Herzen der Stadt zu sein. Dafür wurde unter anderem in ganz Deutschland gesammelt. Manch andere Pfarrei, die ihre Kirche aufgeben muss, hätte sich eine solche Beachtung gewünscht.
Es ist ein Prestigeprojekt, das hier entwickelt wurde. Wie ein Leuchtturm soll diese Gemeinde ausstrahlen. Am Abend wurde daran erinnert, dass sich viele für den Neubau engagierten. Andere werden nun wegbleiben, weil der neue Standort zu weit von ihrem Wohnort weg ist. Ebenfalls verändern wird sich das Verhältnis zu den umliegenden evangelischen Pfarrgemeinden. Während Pfarrerin Tadikken von der Thomaskirchgemeinde sich schon auf den neuen Nachbarn freut, wird sich die Michaelis-Friedenskirchgemeinde neu orientieren. Die Gottesdienste der Propstei in Nikolai werden enden, dafür gibt es andere gemeinsame Aktionen.
Mit Kerzen zieht die Gemeinde nach 22 Uhr aus dem Gebäude am Rosental aus. Durch die Leibnizstraße ziehen sie Richtung Jahnallee. An der Kreuzung dort finden sich viele Zaungäste. “Was ist denn das schon wieder für eine Demonstration?”, will einer wissen. Als er erfährt, dass die Katholiken an den neuen Standort ziehen, ist er beruhigt. Es sind halt viele Gruppen gerade in der Stadt unterwegs. Der Zug geht weiter. Thomasiusstraße, Nikischplatz, weiter zum Ring. An der Rudolphstraße kreuzt die Gemeinde jene Stelle, an der bis zum Zweiten Weltkrieg die Alte Propstei stand. Gegenüber stand die Pleißenburg. Dort hatten die Katholiken nach der Reformation ihre ersten geduldeten Gottesdienste. Der Ring wird gesperrt, die Menge zieht zum Martin-Luther-Ring. Dort endet der Weg im Innenhof der neuen Kirche.
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