"Wenn Du schnell vorwärts kommen willst, dann gehe allein. Wenn Du weit gehen willst, dann gehe mit anderen." Die vielfältigen afrikanischen Kulturen kennen viele Sprichworte. Patrick K. Addai erschließt in seinen Büchern Vielen die unbekannte Welt mit Geschichten und Mythen. Der Autor stammt vom Volk der Aschanti in Ghana. Er ist Kulturbotschafter der Welthungerhilfe. In Leipzig begeisterte er bei der Buchmesse und in der Stadt Kinder und Erwachsene.
Märchen haben eine Wahrheit. Aber die findet nicht derjenige, der fragt, ob das so stimmt. In Afrika leben viele weit weg von den Städten. Für sie ersetzt das Erzählen von Geschichten den Fernseher. Das soziale Leben spielt sich offline ab. Märchen und Mythen sind Freizeitgestaltung und Unterhaltung. Daneben dienen sie auch der Erziehung. Erzählt werden die Geschichten am Abend.
“Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen”, weiß der Volksmund. Manche haben Kinder, aber kein Mädchen. So erging es auch dem König Hakunata Masamba. Das machte ihm Sorge: “Ein Haus ohne eine Frau ist ein leeres Haus.” Und nicht nur das: “Wenn Du einen Jungen erziehst, erschaffst Du einen Mann. Aber wenn Du ein Mädchen erziehst, erschaffst Du ein Volk.” Gerade die Aschanti sind sehr auf Frauen, und besonders auf Mütter orientiert. Der Frauenrat trifft viele Entscheidungen. Auch die Erbschaft geht auf die Frauen in der Familie über. Ein Mann, der heiratet, verlässt die eigene Familie und wird in die Familie seiner Schwiegermutter eingegliedert.
“Die Macht ist wie ein Ei. Wenn man sie nicht behutsam hält, zerbricht sie.” Deshalb soll die Königsmutter denjenigen Prinzen zum König bestimmen, der folgende Eigenschaften erfüllt: “Persönlichkeit, Redegewandtheit, Traditions- und Kulturbewusstsein und vor allem eine gute Ausbildung.” Der Frauenrat darf dann den König abwählen, wenn er sich nicht als würdig erweist. Welche Rolle aber haben die Männer? Patrick K. Addai beantwortet das mit einem Sprichwort: “Die Henne weiß, wann der Tag anbricht, aber sie überlässt die Ankündigung dem Hahn.
Das führt uns zum Thema der Polygamie, die in Afrika vielfach praktiziert wird. “In Afrika haben wir die Polygamie-Gesellschaft. In Europa haben wir die Konkubinen-Gesellschaft”, verrät ein Sprichwort. Der Autor erläutert die praktischen Konsequenzen der Polygamie, die offiziell auch in Ghana nicht mehr praktiziert wird: “Die Frauen waren wenig eifersüchtig aufeinander, weil alles gut geregelt wurde. Sie wussten ja, wer noch mit ihrem Mann zusammen war, und es gab kein Versteckspiel.”
Der Autor stammt vom Volk der Aschanti in Ghana. Er studierte Kulturmanagement und Soziologie. In Bonn bekam er den Adler Award als “bester afrikanischer Schriftsteller Europas”. Seine Bücher erscheinen im Eigenverlag Adinkra.
In Büchern werden Erfahrungen von Menschen gespeichert. Heute übernehmen diese Aufgabe soziale Netzwerke, auch wenn die Frage bleibt, wie lange die Halbwertszeit digitalen Wissens ist. Es wurde ja schon in Studien festgestellt, dass nach einem Jahr bereits 11 Prozent der eingestellten Daten im Netz unwiederbringlich weg sind. Direkte Begegnungen mit Menschen und ihren Erlebnissen bleiben wichtig. Auch vor dem Hintergrund dieses bleibend wahren afrikanischen Spruchs: “Wenn ein alter Mensch stirbt, verbrennt eine ganze Bibliothek.”
Vielleicht ist das manchem zu theoretisch, Worte sind schließlich schön, aber …
Patrick K. Addai, Worte sind schön, aber Hühner legen Eier. Sprichwörter, Geschichten und Mythen aus Ghana. Verlag Adinkra. Leonding 2007.
Patrick K. Addai, Kalebasse voller Weisheit. Afrikanische Geschichten und Lebensweisheiten. Verlag Adinkra. Leonding 2015.
Keine Kommentare bisher