Abenteuer müssen erlebt werden. Die Welt ist nämlich ein blühender Garten, der richtig real existiert und Wunder und Chancen für jeden Menschen bereithält. Faszinierend, einfach mal den Joystick aus der Hand zu legen und ins echte Leben einzutauchen. Für junge Menschen gibt es da zum Beispiel die Pfadfinder - und ihre Leipziger Struktur Stamm Leo. Tanner traf die Stammesfürstin, ääääh, Stammesführerin Sophie und sie erzählte ihm vom Tun und Finden auf allen Pfaden.

Was für ein Zufall, liebe Sophie Grigutsch. Da treffe ich mit Dir wirklich meine erste Pfadfinderin. Ein paar Pfadfinder-Entchen kenne ich ja aus Comics – das Fähnchen Fieselschweif. Du bist aber bei Stamm Leo. Was ist dies denn? Und was macht Ihr da so den ganzen Tag?

Stamm LEO ist eine Leipziger Gruppe des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder(BdP), eines großen, überkonfessionellen, deutschen Pfadfinderbundes. In unserem Stamm gibt es mehrere Gruppen, nämlich die Sippen (für 10-16-Jährige) und die Meute für die Grundschüler. Diese treffen sich jede Woche zu Gruppenstunden, in denen sie sich mit den verschiedensten Themen und Projekten beschäftigen. Neben dem Umgang mit der Natur und Pfadfindertechniken sind das zum Beispiel auch Street Art, das “Dschungelbuch” oder ein eigenes Gruselkabinett.

Das Schönste am Pfadfindersein sind aber eigentlich nicht die wöchentlichen Treffen, sondern Lager und Fahrten. Dann tauschen wir für einige Tage das heimische Bett gegen Schlafsack und Isomatte, den Herd gegen ein Lagerfeuer und Fernsehen und Radio gegen gemeinsames Singen und Beisammensein. So lassen wir den Komfort der Zivilisation für ein paar Tage zurück und treffen uns mit anderen Pfadfindern auf einem Lagerplatz oder wir gehen mit allem, was wir brauchen, im Rucksack auf Fahrt, entdecken neue Gegenden und schlagen jeden Abend erneut unser Zelt auf.

Wie bist Du denn zu den Pfadfindern gekommen?

Eine Freundin war bei den Pfadfindern und hat, als wir in der 5. Klasse waren, eine neue Sippe gegründet. Damals fand ich Pfadfinder komisch und wollte da nicht hin. Aber ich wusste auch nicht wirklich viel darüber und hatte eigentlich nur die Klischees im Kopf, die man aus den US-Filmen kennt: komische Trachten, Abzeichen und Kekse verkaufen …

Irgendwann hatte ich dann mal in den Ferien nichts vor und meine Freundin hat mir den Mund wässrig geredet mit Geschichten von Zelten, Lagerfeuer und Urlaub ohne Eltern. Da bin ich kurzentschlossen mitgefahren. Und obwohl es geschneit hat und das Lager deswegen eine kleine Katastrophe war, bin ich doch ein halbes Jahr später endgültig zu den Pfadfindern gegangen. Ich bin sehr glücklich, dass sich das alles so gefügt hat.

Euch gibt es ja in Leipzig schon seit 1911, wenn ich richtig informiert bin. Kannst Du uns einen kleinen Abriss Eurer Geschichte geben?

Das ist nicht ganz richtig. Unseren Stamm gibt es erst seit 1990 ( … ja, wir haben dieses Jahr 25-jähriges Jubiläum). In der DDR missbilligte man Jugendverbände, wie die Pfadfinder. Da gab es andere Gruppierungen, nämlich die Pioniere und die FDJ, welche einiges von der Pfadfinderbewegung “kopierten”. Es stimmt allerdings, dass es auch um 1911 schon einmal Pfadfinder in Leipzig gegeben hatte.

Die Pfadfinderbewegung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Robert Baden-Powell in England gegründet. Er bildete Jugendliche zu Spähern und Kundschaftern aus, die zum Beispiel lernten, die Natur zu achten, sich im freien Gelände zu orientieren und auch, sich mit Wegzeichen zu verständigen.

In Deutschland spielt in unsere Traditionen auch die Wandervogelbewegung mit hinein, die ab 1896 aus jungen Menschen bestand, die beim Wandern in der Natur die Freiheit suchten, die ihnen die restriktive kaiserliche Gesellschaft nicht bot.

Welche Position hast Du denn in Deinem Stamm inne? Und wie viele seid Ihr überhaupt?

Wir sind rund 50 Leos. In unserem Stamm bin ich Stammesführerin. Das heißt; ich leite zusammen mit drei Stellvertretern den Stamm. Wir moderieren die Stammesräte, monatliche Treffen der Gruppenleiter. Außerdem ist es unsere Aufgabe, immer den Überblick zu behalten und Lösungen für allerhand Probleme zu finden.

Natürlich planen und gestalten wir dabei auch die Zukunft des Stammes. Zurzeit will der Stamm zum Beispiel, ein “Stammesheim” bauen, nämlich einen Bauwagen, den wir von Grund auf neu errichten und der dann unser Zuhause wird. Damit haben wir gerade alle Hände voll zu tun und sind eifrig am Planen und Spinnen.

Ich persönlich habe ja kein Problem mit Euren Uniformen, schließlich trägt fast jedermensch subkulturell definierte Uniformen. Bei Euch heißt die Uniform ja auch “Kluft”. Wie begegnest Du den Anwürfen: “Ahhh, da mach´ich nicht mit, ich zieh doch keine Uniform an!”.

Was Kluft und Halstuch angeht, war ich auch zu Anfang kritisch und bin es immer noch zuweilen. Man muss aber dazusagen, dass diese Dinge ungemein praktisch sind. Das Halstuch kann auch mal als Topflappen oder Handtuch dienen, oder als Dreieckstuch bei der Ersten Hilfe und eine Kluft kann Ewigkeiten halten, ohne dass man viel flicken muss.

Wie streng die “Kleiderordnung” ist, variiert von Stamm zu Stamm. Wir sind da recht locker und das finde ich auch gut so. Nicht jeder besitzt eine Kluft, ich selbst habe meine erst vor einem Monat geschenkt bekommen.

Da man mit Kluft und Halstuch aber soviel erlebt, wachsen sie einem irgendwann sehr ans Herz. An ihnen hängen, oft wortwörtlich, viele schöne Erinnerungen. Jeder Aufnäher und auch jeder Fleck hat eine Geschichte. Außerdem ist es immer toll, wenn man irgendwo unterwegs ist und plötzlich begegnet man einer Gruppe Pfadfinder mit Halstüchern. Das sind immer spannende Begegnungen.

Ihr seid, soweit ich das weiß, an keine Kirche und keine politische Organisation angebunden. Wie muss ich mir denn dann Eure überregionale bis weltweite Vernetzung vorstellen?

Das ergibt sich über verschiedene Ebenen und Dachverbände. Neben dem BdP, in dem wir Mitglied sind, gibt es aber noch viele weitere kleine und große deutsche Pfadfinderbünde. Mit drei christlichen Bünden schließt sich der BdP zu einem Ring zusammen, dem rdp und dieser ist dann der deutsche Vertreter in den beiden Pfadfinderweltverbänden, WOSM, für Jungen und WAGGGS für Mädchen. So ist der kleine Leipziger Stamm LEO also auch Mitglied in einer weltweiten Bewegung, die über 40 Millionen Mitglieder hat.

Was machst Du denn eigentlich neben Deinem Pfadfinderinnensein so? Ich meine beruflich zum Beispiel …

Beruflich ist gut … davon bin ich noch ein ganzes Stück entfernt. Ich mache gerade noch mein Abi und möchte dann im nächsten Jahr Medizin studieren. Zurzeit habe ich aber das Gefühl, dass ich eher Pfadfinder von Beruf bin, als Schüler, da ich mich hier wesentlich mehr engagiere.

Danke, liebe Sophie, für Deine Antworten.

Gern.

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