Meckern kann jeder. Und wenn das Meckern zur Gewohnheit wird, wird's pampiges Pöbeln. Sich selber hinterfragen und mit dem Ändern anzufangen, scheint da schon schwieriger. Ist es aber gar nicht. Die Kinderbuchillustratorin Anke Hartmann zeigt wie unschwer es ist, zu beginnen. Zum Beispiel mit Aufräumen, was gedankenlose Menschen einfach so in die Gegend pfeffern. Tanner traf die junge Frau am morgendlichen Frühstückstisch.
Wieso es notwendig ist, für eine Gesellschaft etwas zu tun und nicht nur für sich selber den Fernseher an- und auszumachen, war die Frage – während Frau Hartmann den Lindenauer Frühjahrsputz organisierte.
Hallo Anke. Du organisierst für den 28. März – nächsten Samstag – den Lindenauer Frühjahrsputz. Wieso das denn? Landläufig meint der Normmensch doch eher, dass der Staat das machen sollte …
Hallo Volly, jener “Normmensch” von dem du sprichst, an den glaube ich nicht wirklich. Wenn ein Bürger behauptet, der Staat sei verantwortlich, meint er ja die Gesellschaft sei verantwortlich. Und die Gesellschaft besteht natürlich aus den Bürgern, also aus uns. Fordern wir also Verantwortung für eine Sache, bzw. suchen einen Verantwortlichen, gibt es mehrere Optionen, diesen zu benennen. Im Falle der Vermüllung müsste natürlich der Vermüller, also der Bürger, welcher seinen Abfall achtlos in Grünflächen schmeißt oder fallen lässt, die Verantwortung für die Beseitigung tragen. Darin ist sich sicherlich ein Großteil der Gesellschaft einig.
Dieser Verursacher ist allerdings fast nie auffindbar und schert sich ja offensichtlich nicht um diese Dinge. Daher hat die Gesellschaft Instanzen eingerichtet, die z. B. für die Sauberkeit und den Müllabtransport verantwortlich sind. Diese Berufe sind jedoch chronisch unterbezahlt und es fehlen ganz offensichtlich Einsatzkräfte. Bevor man also weiter überlegt, wer die Verantwortung für die Müllbeseitigung trägt, habe ich für mich entschieden, es einfach selber in die Hand zu nehmen und den Lindenauer Frühjahrsputz ins Leben gerufen.
Wie muss ich mir denn den Frühjahrsputz genau vorstellen? Wie läuft das ab? Hast Du das schon alles durchorganisiert?
Am Samstag, den 28. März, treffen sich alle Teilnehmenden 13 Uhr auf dem Lindenauer Markt. Handschuhe und Werkzeuge werden von den Teilnehmern mitgebracht. Am gemeinsamen Treffpunkt werden die einzelnen Gebiete, die wir reinigen wollen, besprochen und Einsatzteams gebildet. Dann wird Müll gesammelt und aufgeräumt und die Abfallbeutel zum Lindenauer Markt gebracht. Dort holt das Ordnungsamt dann 17 Uhr alles ab. Die Vororganisation läuft über Facebook, die Müllbeutel stellt das Ordnungsamt.
Wer macht denn alles mit?
Bisher haben wir bei Facebook über 100 sichere Anmeldungen von Freiwilligen. Da sich aber auch Schüler beteiligen und ich die Mund zu Mund Propaganda im Stadtteil nicht unterschätze, werden es wohl deutlich mehr Teilnehmer werden.
Ich glaube ja auch, dass jeder einzelne Mensch verantwortlich ist für sein inneres und äußeres Aufräumen. Was jedoch, wenn nach dem Aufräumen gleich wieder alles vermüllt und verlumpt – weil eine Horde PartyHipster nächtens durch den Stadtteil vandaliert? Wie gehst Du persönlich damit um, dass das Sich-Der-Verantwortung-Bewusst-Werden doch sehr lange dauern kann?
Nun ja, dass Städte verschmutzt und vermüllt sind, das ist ja nichts Neues. Ich finde allerdings, dass seit meiner Kindheit (ich bin 1986 in Leipzig geboren) die Stadt um einiges sauberer ist. Damals gab es überall illegale Müllkippen und die Flüsse waren voller Gerümpel. Ich hab als Kind auf jeder Brücke angehalten um die Fahrräder/Kinderwagen/Mopeds/Kanister und Autoreifen in den Flüssen zu zählen. Das ist heute nicht mehr so. Lindenau hat sich natürlich stark gewandelt und vor allem sind die Einwohnerzahlen im Stadtteil drastisch gestiegen. Vermüllung, wie auch zunehmende Graffiti-Sprayereien bezeichnen Fachleute als Auswirkungen von Dichtestress. Dem kann jedoch entgegengewirkt werden, indem zum Beispiel gemeinschaftlich aufgeräumt wird und somit auch langfristig die Hemmschwelle etwas aufzuheben, niedriger wird, als die, etwas fallen zu lassen. Wo intensiv gehobelt wird, da fallen viele Späne! Wir müssen halt lernen regelmäßiger auszufegen.
Wenn Du Leipzig siehst, im jetzigen Zustand, mit all dem Größerwerden und all den neuen Menschen, die herkommen – was ist Deine Vorstellung von Leipzig in “lebenswert”? Wie soll das funktionieren zusammen?
Leipzig bietet nach wie vor für seine Bewohner Vieles, was die Stadt absolut lebenswert und liebenswert macht. Nicht nur die Hipster oder Partypeople fühlen sich von der Sachsenmetropole angezogen. Ich höre auch vielfach, dass junge Familien aus anderen Städten den Weg nach Leipzig finden. Gerade weil Leipzig immer noch eine gewisse Ruhe ausstrahlt und eben doch mit seinen vielen Naturerholungsgebieten ideal für Menschen mit Kindern geeignet ist. Das Städte sich verändern ist völlig normal, dass neue Menschen hinzukommen ist normal, allein wie wir damit umgehen ist entscheidend und wird diese Stadt prägen.
Und Du selber? Gibt es Träume und Wünsche für Dich persönlich, fernab vom gesellschaftlichen Engagement?
Ich wünsche mir für mich mehr Zeit in der Natur, vor allem im Garten, verbringen zu können. In der Erde buddeln und sehen wie alles wächst und wie Pflanzen, Tiere und Menschen zusammenleben können, dass macht mich glücklich.
Ich hoffe, dass es in Zukunft wieder normaler wird, einen Teil der eigenen Nahrungsmittel auch selber anzubauen und nicht blind großen Konzernen mit zweifelhaften Methoden vertrauen zu müssen.
Mit dem Kapitalismus so umzugehen, dass er nicht mich und die Umwelt auslöscht, das ist, finde ich, die größte Herausforderung des Menschen.
Da drücken wir jedenfalls alle Daumen, Anke – und danken für die Antworten!
Danke Volly, für die Fragen und Dein Interesse.
Keine Kommentare bisher