"Mein Verhältnis zum evangelischen Glauben ist durch die Freundschaft zu Menschen dieses Glaubens geprägt", schreibt der Leipziger Künstler Frank Berendt. Vielleicht ist das der Zugang zum Glauben anderer Menschen: Freundschaft. Der Theologe und Historiker Thomas A. Seidel hat 95 Menschen zu ihrem Verhältnis zum evangelischen Glauben befragt. Jürgen M. Pietsch hat die Befragten in einem von ihnen selbst gewählten Umfeld fotografiert.
Natürlich ist die Zahl kein Zufall. 95 Thesen hatte Luther formuliert und damit die Reformation eingeleitet. Vor dem großen Lutherjubiläum 2017 wurden nun 95 Männer und Frauen nach ihrem Verhältnis zum Glauben befragt. Entstanden sind 95 Bekenntnistexte, in denen junge und alte, bekannte und weniger bekannte Personen erklären, welche Erfahrungen sie prägen.
Georg Christoph Biller, bis 2015 Thomaskantor stellt sich in seinem Beitrag gegen eine “übertriebene Harmoniesucht, mit der bestehende Spannungen nur zugedeckt werden.” Der evangelische Glauben ermutige dazu, “keine Angst vor Auseinandersetzungen zu haben”.
Sarah Berend zitiert aus einem Brief einer Frau, die schon 10 Jahre in Haft ist: “Noch nie in meinem Leben war ich so frei, wie ich es heute sein darf. Gott hat mir den Weg gezeigt, er hat mich aus dieser jahrelangen Haft geführt. Seit ich mein Leben bewusst in Gottes Hände gegeben habe und mich ihm täglich zuwende, hat mein Leben Sinn, egal wie viele Jahre ich hier noch sein werde.” Sarah Berend lebt in einer Künstlerkommunität bei Dresden. Sie ist Botschafterin für die Menschenrechtsorganisation International Justice Mission.
Der Leipziger Bundestagsabgeordnete Thomas Feist setzt bei Luthers Denkschrift “Von der Freiheit eines Christenmenschen” an: “Den Menschen aus freien Stücken liebevoll in den Blick nehmen, im festen Bewusstsein darin, dass Freiheit ein unverdientes und darum umso wertvolleres Geschenk Gottes ist; dienstbar zu sein, ohne mir dies als Verdienst anzurechnen – das ist für mich Grundlage meines Handelns, das ist für mich evangelisch.”
Der Fernsehmoderator und christliche Autor Peter Hahne betont, dass das Zentrum der evangelischen Kirche nicht in Synoden, Menschen und Meinungen liegt, sondern in der biblischen Botschaft. Klare Kritik übt er an der EKD: “Gender-Wahnsinn und Pazifismus-Lyrik sind für einen kräftigen Kirchensteuerzahler schwer zu ertragen und lassen den kernigen Luther wohl im Grab rotieren.”
Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow, Juliane Hagen, Günther Beckstein und viele andere geben in diesem Buch ihre Antworten. Der Blick auf die Porträts lohnt sich zusätzlich. Jeder Autor wurde in einem selbst gewählten Umfeld abgelichtet.
Thomas A. Seidel, Hg., Evangelisch? 95 Antworten – 95 Porträts. Stiftung Christliche Medien, Holzgerlingen 2015 mit Fotografien von Jürgen M. Pietsch.
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