Während der Altar bereits seinen Platz im Paulinum gefunden hat, gibt es um die Kanzel noch Diskussionsbedarf. Das zeigt der Kommentar einer Bürgerinitiative, der vor wenigen Tagen in der L-IZ veröffentlicht wurde. Hinter der Auseinandersetzung um die Kanzel steht die Frage, ob und wie stark der christliche Einfluss auf die Universität sein darf. Gehören zwar Christen zu den Studenten, aber die christlichen Kirchen nicht zur Universität?
Oder bräuchten wir vielleicht mit Blick auf die religiöse Vielfalt und die Weltoffenheit der Universität eine Versammlungsstätte, die auch anderen Religionen für ihre gottesdienstlichen Handlungen offensteht? Und wird die Aula tatsächlich durch den Einbau einer Kanzel christlich?
1968 wurde die Universitätskirche in Leipzig gesprengt, um einem neuen Universitätsbau Platz zu machen. Dieser Bau, der das Erscheinungsbild der Universität bis nach der Wende prägte, wich bis 2012 dem neuen Augusteum. Der Weg dahin war mit viel Streit verbunden, der bis heute nicht beigelegt ist. Die Kanzel wurde damals gerettet, sie wird derzeit renoviert. Abhängig von einem Klimagutachten wird der Einbau in das Paulinum geplant. Die Bürgerinitiative “Für eine weltoffene, weltliche und autonome Universität” sieht das mehr als kritisch: “Mit dem Einbau der Kanzel würde der Universität die weltliche Aula genommen und durch eine eindeutig christlich definierte Versammlungsstätte ersetzt werden.”
Christliche Kirchen haben tatsächlich vielfach eine Kanzel. Für evangelische Kirchen gelten sie sogar als typisch, in katholischen Kirchen hingegen haben sie längst ihre liturgische Bedeutung verloren. Und auch in vielen evangelischen Kirchen bleibt die Kanzel während der Gottesdienste leer. Stattdessen wird ein Pult genutzt, der liturgisch die Bezeichnung Ambo trägt. Vom Ambo aus werden biblische Texte gelesen und es wird gepredigt. Es ist somit nicht automatisch so, dass Kirchen durch die Anwesenheit einer Kanzel definiert sind.
Die Kanzeln gelten als eine Erfindung der Bettelorden. Die Universitätskirche Leipzig gehörte zum Bettelorden der Dominikaner. Johann Tetzel, der Dominikanerpater, der mit theologisch fragwürdigen Mitteln für den Petersdom in Rom sammelte, predigte auf Kanzeln, aber auch auf Plätzen. Auch sein Gegenspieler Martin Luther nutzte Kanzeln.
Nach der Reformation gehörte die Universitätskirche der Universität. Die Kirche wurde ihre Aula. Die Präsenz von religiösen Symbolen hinderte nicht daran, weltliche Feiern dort abzuhalten. Die Dominikaner sind seit 1998 im Stadtteil Waren. Die Klosterkirche hat keine Kanzel. Das liegt auch daran, dass heute die Verständlichkeit durch Mikrofontechnik gewährleistet wird. In der Geschichte dagegen hatten die erhöhten Predigtorte keinen sakralen, sondern einen ganz praktischen Grund. Man konnte besser gehört werden, wenn man von hier sprach. Besser gehört wird auch der Kanzler einer Universität, der früher von der Kanzel, auch Katheder genannt, spricht.
Den Vorteil erhöhter Orte für die Verkündigung kennen auch andere Religionen. Bima oder Almemor heißt der erhöhte Ort in der Synagoge, von dem aus die Tora verlesen wird. Der entsprechende hervorgehobene Ort in größeren Moscheen heißt Minbar.
Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und die Urteile über die Dinge, schrieb der griechische Philosoph Epiktet. Die Kanzel der Universitätskirche ist zunächst einmal ein Stück Erinnerung. Welche Deutung das Paulinum bekommt, zeigt sich letztlich im praktischen Gebrauch.
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Natürlich lässt die Kanzel den Raum nun noch mehr nach Kirche aussehen. Was sonst ist eine Kanzel, wenn nicht Insigne einer religiösen Stätte? Es sei denn, sie steht in einem Museum. Aber dagegen wehrt sich eine kleine, aber sehr laute Gruppe vehement.
Und um nichts anderes geht es diesem Verein. Es ist sein erklärtes Ziel, den Neubau soweit wie nur möglich nach St Pauli aussehen zu lassen.
Es ist unglaublich, wie weit er damit voran kommt. Ich wünsche mir eine autonome Universität, die frei von äußerlichem Beschuss entscheiden kann.