Das Hin und Her mit den Anmeldungen seitens „Legida“ scheint nach L-IZ-Informationen in Leipzig vorerst ein Ende zu finden. Für fünf Veranstaltungen habe man sich bereits vorab auf den Augustusplatz angemeldet und dies immer an einem jeweiligen Mittwoch, um anschließend über den Leipziger Ring zu laufen. Damit nimmt „Legida“ Abschied vom Nimbus der Montagsdemonstrationen und hofft offenbar auf dauerhafte Unterstützung aus Dresden und weiteren Städten. Unterdessen hat man seitens Pegida in Dresden den Kurs gewechselt.

Manche Vorgänge der vergangenen Tage ähnelten eher einem Taktikspiel aller Seiten. Während sich Dresden mittlerweile zu einer Art Wallfahrtsort für viele Pegida-Anhänger entwickelt hat, die in ihren jeweiligen Städten mit eigenen Ablegern auf geringe Beteiligung stießen, war in Leipzig die Beteiligung am 12. Januar 2015 vergleichsweise groß. Wobei auch hier die Einschränkung gelten sollte: Bei einer Einwohnerzahl von rund 540.000 Leipzigern sind eben auch 5.000 Legida-Demonstranten ein rundes Prozent und 30.000 eben 5,5 Prozent der Stadtgesellschaft. Der Sprung auf 60.000, welchen „Legida“ also für den kommenden Mittwoch vermutet, setzt wohl neben der Hoffnung auf eine weitere Mobilisierung in Leipzig vor allem auf zugereiste Unterstützer, vor allem aus Dresden.

Doch in der Landeshauptstadt hat sich der Wind begonnen zu drehen, der Gipfel der Proteste scheint erreicht und Pegida wendet sich zunehmend lösungsorientierten Strategien statt ausschließlicher Deomonstrationen und Presseblockaden zu. Die am Montag von Lutz Bachmann und Kathrin Oertel gegebene Pressekonferenz brachte zwei Eckpunkte, welche auch für die Leipziger Organisatoren von Belang sind. Während man sich seitens Pegida nun auch um Gespräche mit der Politik bemüht und sich auch mit der aufgrund des gewählten Ortes “Landeszentrale für politische Bildung Sachsen” kritisierten Pressekonferenz gegenüber den Medien auf einen offeneren Kurs begab, gab es auch eine Aufforderung an „Legida“.

Die Leipziger Organisatoren um Silvio Rösler und Jörg Hoyer wurden bereits in der Dresdner Pressekonferenz am Montag aufgefordert, sich dem nunmehr noch 6 Punkte umfassende Positionspapier der Dresdner anzuschließen und darüber eine schriftliche Verpflichtung abgeben. Sonst würde es keine Unterstützung aus Dresden geben. Dabei sprach Bachmann von “Problemen in der Organisationsstruktur”, mehrfach wandte man sich in der Konferenz gegen den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit und forderte nun selbst Dialog ein.

Die Frage könnte sein, ob hier die Organisationsstruktur von “Legida” folgen wird und kann.

„Legida“ hat die 6 Punkte Pegidas nun zwar auf ihrer Internetseite eingestellt, doch das eigene, von Beginn an als deutlich radikalere eingestufte Positionspapier online stehen lassen. Ob die geforderte Verpflichtung unterschrieben wurde, ist derzeit unklar, doch noch (Stand Dienstag, 10 Uhr) mobilisiert „Pegida“ nicht auf Facebook für den Mittwoch nach Leipzig. Dies kann sich natürlich stündlich ändern, doch vielleicht steckt mehr Uneinigkeit dahinter, als von “Legida” gern behauptet.

Für die erste Kundgebung am Mittwoch, den 21. Januar deutet sich in Leipzig zudem durch die Einladung von Jürgen Elsässer eine weitere Instrumentalisierung und Zuspitzung an. Bereits bei den „Montagsmahnwachen“ im Frühjahr 2014 war der Herausgeber des Compact-Magazins mit einer regelrechten Rundreise in Erscheinung getreten. Nur in Leipzig hatte irgendwie keiner so rechte Lust auf ihn, eine Ansprache seitens Elsässer fand nie statt. Hier hatten sich die montäglichen Veranstaltungen rasch verselbstständigt und waren einen anderen Weg als die Berliner Zentrale gegangen.

Die PEGIDA-Pressekonferenz am gestrigen Montag, 19. Januar 2015, in Dresden: http://www.mdr.de/sachsenspiegel/video246918.html

Der Aufruf „Keine Gewalt“ eine Einladung aus der 89er Bürgerbewegung zum Gespräch

Während alle Augen längst fest auf den Mittwoch gerichtet sind, hat sich eine andere Gruppe Bürgerrechtler auf den Weg gemacht, um einen neuen, freien Dialog in Gang zu setzen. Am Dienstag, 20. Januar laden der Vorstand und die Mitglieder des „Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V.“ ab 19 Uhr zu einem offenen Gespräch in die Volkshochschule an der Löhrstraße 3-7 in die dortige Aula. Seit 1990 sammelt und archiviert der Bürgerverein auf Initiative von Klaus Roewer und dem Leipziger Uwe Schwabe die persönlichen Unterlagen und Aufzeichnungen der Menschen der Leipziger Bürgerbewegung im Haus der Demokratie und wertet diese wissenschaftlich aus.

Auf Nachfrage zur Veranstaltung erklärte Vorstand Uwe Schwabe gegenüber L-IZ.de, man wolle dies nicht als einen neuerlichen „runden Tisch” begreifen, doch man „sollte die Möglichkeiten zum Dialog nutzen die vorhanden sind, oder thematische Bürgerforen, wie wir hier anbieten, ausbauen und weiterführen.“ So wird es „… keine vorgegebenen Fragen geben, aber 7 Gesprächsregeln die am Beginn des Abends vorgestellt werden.“ In einem Aufruf zur Gewaltlosigkeit gingen Schwabe und weitere Unterzeichner im Januar 2015 an die Öffentlichkeit und mahnten neben einem offenen Europa die Rückkehr zum Dialog zwischen allen Seiten an. Explizit eingeladen habe man die Führungsspitzen von Legida und NoLegida nicht.

So heißt es unter anderem in der Mitteilung zur Veranstaltung: „Die zahlreichen gesellschaftlichen Konflikte, sozialen Spannungen und der weltweite Terrorismus sind im Einzelnen schwer zu verstehen und verunsichern Menschen in unserem Land. Diese aufkommenden Ängste sollten ernst genommen werden und dürfen keiner politischen Profilierung dienen. Gegen fremdenfeindliche Bewegungen mit den einhergehenden nationalistischen Gefahren müssen Demokraten entschieden auftreten.“

Denn, so die Unterzeichner: „`Freiheit` und `Wir sind das Volk` gingen im Herbst 1989 als Rufe der Leipziger Montagsdemonstranten um die Welt und symbolisieren bis heute den Wunsch nach Freiheit und einer offenen Gesellschaft.“

Die Veranstaltung am Dienstag, 20. Januar 2015, ab 19 Uhr findet unter der Moderation von Stephan Bickhardt, Vorstand Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V. und Rolf Sprink, Leiter Volkshochschule Leipzig statt. 125 Personen finden in der Aula Platz, bei Überfüllung wird eine Übertragung in die Vorräume / das Treppenhaus organisiert.

Zum Archiv Bürgerbewegung im Netz: www.archiv-buergerbewegung.de

Der Aufruf: Für ein Europa freier Bürger mit offenen Grenzen

„Freiheit“ und „Wir sind das Volk“ gingen im Herbst 1989 als Rufe der Leipziger Montagsdemonstranten um die Welt und symbolisieren bis heute den Wunsch nach Freiheit und einer offenen Gesellschaft. Die Revolutionen in Mittelosteuropa sind ein herausragendes Ereignis europäischer Freiheitsgeschichte.

Der Kampf um die freie Ausübung der Religion hat in Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der DDR die Demokratiebewegung 1989 vorangetrieben. Europa bedeutet für uns Frieden, Rechtsstaat und freie Gesellschaft. Niemand sollte anderen das Freiheitsinteresse streitig machen. Die europäische Idee ist ein Garant für diese Freiheit, wie sich am Fall des Eisernen Vorhangs quer durch Europa gezeigt hat. Menschen aus anderen Kontinenten wollen an dieser Idee teilhaben.

Wir brauchen nicht ein Europa der Abschottung, sondern ein Europa der Bürger, die solidarisch mit Menschen in anderen Teilen der Welt sind, die um ihr Leben bangen. Es ist selbstverständlich, dass diese Menschen bei uns aufgenommen werden. Eine Rückkehr zum Nationalstaat, der Fremde ausschließt, lehnen wir ab.

Die zahlreichen gesellschaftlichen Konflikte, sozialen Spannungen und der weltweite Terrorismus sind im Einzelnen schwer zu verstehen und verunsichern Menschen in unserem Land. Diese aufkommenden Ängste sollten ernst genommen werden und dürfen keiner politischen Profilierung dienen. Gegen fremdenfeindliche Bewegungen mit den einhergehenden nationalistischen Gefahren müssen Demokraten entschieden auftreten.

In unserer Gesellschaft mangelt es dramatisch an politischer Bildung und Aufklärung. In Sachsen ist die Informationspolitik zu den Fragen von Asyl und Zuwanderung über zwei Jahrzehnte sträflich vernachlässigt worden.

Wir brauchen mehr Dialog im Detail mit den politischen Institutionen des Landes und Politiker, die sich aktiv den Bürgern zuwenden. Wir brauchen eine bessere Integration von Migranten und keine Parallelgesellschaften. Probleme vor Ort müssen transparent diskutiert werden.

Wir rufen die Parteien, politischen Stiftungen, Religionsgemeinschaften und Kirchen, die staatlichen Bildungsträger, Gewerkschaften und die Wirtschaft zu einer neuen Form der Zusammenarbeit auf: Organisieren Sie gemeinsam Veranstaltungen, die über das deutsche und europäische Asylrecht aufklären. Schaffen Sie Foren, in denen die Leistungen seit der Friedlichen Revolution und der Einheit Europas kritisch gewürdigt werden.

Um den Dialog zu fördern wird in der Volkshochschule Leipzig ein offenes Forum zu diesen Fragen stattfinden. Unsere Gedanken sind bei den Opfern des Anschlages in Paris am 7. Januar 2015. Das Europa der Bürger ist aufgerufen die Werte der Freiheit, des Friedens und der Demokratie neu zu verteidigen. Dafür sollten die Leipziger einstehen.

Unterzeichner: Stephan Bickhardt, Uwe Schwabe, Gesine Oltmanns (Vorstände Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V., Kuratorium Stiftung Friedliche Revolution), Rolf Sprink (Redner auf den Montagsdemonstrationen), Gunter Weißgerber (MdB 1990-2009), Katrin Hattenhauer (Künstlerin), Christoph Motzer, Bernd Oehler, Christian Dietrich, Siegbert Schefke, Frank Richter, Jochen Lässig, Liane Plotzitzka-Kämpf, Matthias Kämpf, Heike Richter, Dr. Rita Sélitrenny, Rainer Kühn, Regina Schild

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