Bis 2011 war es so: Da gab es einen Leipziger Tourismuspreis und einen Sieger. Und zum Trost noch zwei Platzierte. Das war auch schon viel und nahm dem Preis seine Schärfe. 2012 hätte es auch so sein können, aber da konnte sich die Jury nicht so richtig entscheiden und kürte gleich zwei Sieger. Ach nein, drei, denn man erfand gleich noch eine neue Kategorie, weil man glaubte, Persönlichkeiten ehren zu müssen. Seitdem ist der Preis eigentlich Nonsens.
Schon die Nominiertenliste las sich jedes Mal wie eine Liste der Anmeldungen nach dem Motto: “Ich brauche auch mal einen Preis.” Biss oder gar ein bisschen Witz war darin nicht zu finden, oder gar der Mut, das Besondere zu würdigen, auch wenn es nicht gleich mit riesigen Besucherzahlen und Übernachtungszahlen glänzen konnte. Denn die Attraktivität einer Stadt wird immer durch das Unverwechselbare gestärkt, nicht durch das Beliebige.
Aber vielleicht glaubten ja 2014 ein paar Leute, auf der Liste stünde lauter Unverwechselbares. Das Ergebnis wurde dann am Mittwoch, 26. November gekürt. Ein Ergebnis mit Gähnfaktor. Als hätten die großen Leipziger Tourismusexperten das Jahr in einer völlig anderen Stadt verbracht. Böblingen zum Beispiel oder Brunsbüttel.
Aus der Perspektive ist natürlich auch das Wave Gotik Treffen, das seit 1992 in Leipzig stattfindet und Pfingsten für Pfingsten schwarzgekleidete Scharen in die Stadt spült, preiswürdig. Überhaupt und im Ganzen. Im Speziellen aber? Hat das Treffen 2014 irgendetwas Neues und Außergewöhnliches auf die Beine gestellt? Hat es nicht. Trotzdem entschieden sich die Leute, die Jahr um Jahr in der Jury beieinander sitzen: Das ist jetzt mutig. Jetzt geben wir den Preis mal dem Wave Gotik Treffen. Die Initiative “Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989” hat zwar den größeren Paukenschlag hingelegt. Aber die haben ja 2009 schon den Preis gekriegt.
Also lautet der Gewinner des “Leipziger Tourismuspreises 2014”: Wave Gotik Treffen.
Und was sagt Volker Bremer, Geschäftsführer der LTM GmbH, zu dieser Auswahl? – “Wir freuen uns, dass die Jury langjährig erfolgreiches Engagement honoriert hat. Das Wave-Gotik-Treffen trägt mit seinen Aktivitäten seit über 20 Jahren zum Wachstum des Leipziger Tourismus bei und stärkt das Image von Leipzig als internationale und offene Kulturstadt. So füllt sich die Stadt jährlich zu Pfingsten zum Wave-Gotik-Treffen mit rund 20.000 Anhängern der Gothic-Szene. Die Teilnehmer reisen aus der ganzen Welt an und prägen mit ihrer auffälligen Kleidung und extravaganten Accessoires für vier Tage Leipzigs Stadtbild.”
Es findet statt, also ist es einen Preis wert. Bekommt man den Preis also jetzt für Ausdauer? Wäre ja auch was.
Verständlicherweise war Cornelius Brach, Pressesprecher des Wave-Gotik-Treffens, ein bisschen überrascht: “Wir sind überrascht und erfreut über diese Auszeichnung. Sie ist eine Bestätigung dafür, dass das Wave-Gotik-Treffen als Bereicherung für das kulturelle Leben und den internationalen Ruf Leipzigs wahrgenommen wird.”
Wenn diese Kategorie gilt, dann müsste freilich auch Peter Degner endlich den Preis bekommen für sein “classic open”. Und der Wasser-Stadt-Leipzig e.V. fürs Wasserfest. Und die Stadtwerke für den Neujahrslauf.
Aber noch kräftiger als mutiger Preisvergeber zeigte sich die Jury beim Persönlichkeitspreis. Den bekam Jörg Müller für die – just vom LTM angeleierte – Broschüre “Verborgenes Leipzig”, die zwar nichts Verborgenes zeigte, sondern das, was ältere Leute in Leipzig so für “Szene” halten. Aber die Kür zeigt zumindest, in wie kleinen Kreisen sich die Tourismus-Fachleute in Leipzig orientieren und gegenseitig auf die Schulter klopfen.
Volker Bremer hält das Heft bis heute für ein ausgefallenes Rezept, obwohl es in jedem Buchladen ein paar wirklich bessere Stadt-und-Szene-Führer gibt. Volker Bremer: “Mit seiner Agentur ?Ideenquartier? erarbeitet er außergewöhnliche Konzepte, die seit vielen Jahren den Tourismus, die Kultur und das Kongressmarketing in Leipzig beflügeln. Hervorzuheben ist der alternative Stadtführer ?Verborgenes Leipzig?, der anhand von 143 Tipps und 60 Fotos das besondere Lebensgefühl von Leipzig beschreibt und das Kongressmarketing auf originelle Weise unterstützt.”
Lebensgefühl?
Irgendwie dann wohl doch Böblingen oder Brunsbüttel.
Aber darum geht es beim Tourismuspreis ja nicht. Tatsächlich ist er selbst Marketing, mit dem sich die kleine Szenerie der Leipziger Marketingwelt selbst jedes Jahr bestätigt, dass man die richtigen Projekte gefördert hat. Ein gemeinsames Schulterklopfen. Mit inszenierter Preisflut, bei der alle Geförderten ein Preischen oder Plätzchen abbekommen. Hier die Liste der Folgenden:
Den zweiten Platz in der Kategorie Unternehmen/Institutionen belegte der “Lutherweg in Sachsen”. Begründung: “Mit diesem 550 km langen Rundwanderweg hat der Tourismusverband ‘Sächsisches Burgen- und Heideland’ e.V. das international bedeutende Thema Reformation qualitativ hochwertig für zahlreiche Zielgruppen erschlossen. Durch die Breite des Angebots werden sowohl die Stadt Leipzig als auch die Region unterstützt.”
Die dritte Position teilen sich das Porsche Werk Leipzig und die Kongressinitiative “do-it-at-leipzig.de”. Eigentlich beide auch schon lange da und lange tätig auf ihrem Gebiet. Aber Porsche hat ja das nicht ganz billige Rosental-Konzert des Gewandhauses gerettet – und das just in dem Jahr, als das Gewandhaus sowieso schon 1,6 Millionen Euro in der Kasse fehlten. Begründung: “Porsche hat 2014 unter anderem mit ‘Klassik airleben im Rosental’ in Kooperation mit dem Gewandhausorchester eine einzigartige Veranstaltung durchgeführt, bei der tausende Besucher bei freiem Eintritt Sommerkonzerte in der Natur erleben konnten. Mit seiner Eventplattform bietet das Unternehmen zudem eine einmalige Kombination von Konferenzmöglichkeiten und attraktivem Rahmenprogramm. – Als Standbein des Kongressmarketing Leipzigs sorgt die Initiative ‘do-it-at-leipzig.de’ dafür, dass die Stadt durch eine Vielzahl von Maßnahmen als Kongress- und Eventdestination immer beliebter wird. In keiner anderen deutschen Stadt kooperieren die Partner im Bereich Kongresse und Tagungen so eng miteinander wie in Leipzig.”
In der Kategorie Persönlichkeiten wurde mit dem zweiten Platz Karl Detlef Mai gewürdigt, “der als Pionier des Leipziger Neuseenlands gilt. Schon früh hat er es Ende der 1990er Jahre verstanden, die Landschaftsveränderungen im Süden Leipzigs touristisch zu vermarkten. Bis 2014 führte er mehr als 2.500 Touren mit über 100.000 Teilnehmern durch.”
Drittplatzierter wurde Jan Benzien, “der sich nicht nur als Spitzensportler des Kanuslalom Nationalteams international einen Namen gemacht hat, sondern im Jahr 2014 mit der Eröffnung des ‘Leipziger Stadthafens’ einen weiteren Grundstein für den Freizeitsport legte und die Anbindung Leipzigs auf dem Wasserweg von der Innenstadt aus forcierte.”
Die LTM versucht auch noch zu erklären, warum die Auswahl so war, wie sie war: “Die Nominierung der einzelnen Unternehmen und Persönlichkeiten für den ‘Leipziger Tourismuspreis 2014’ erfolgte über die Teilnehmer der Veranstaltungsreihe Tourismusfrühstück sowie über www.leipzig.travel. Insgesamt waren elf Unternehmen und zehn Personen nominiert. Bei den Nominierungen musste es sich um innovative Leistungen handeln, die den Tourismus in Leipzig vorangebracht haben und eine hohe Medienwirkung erzielten. Aus den bis zum 15. Oktober 2014 eingereichten Vorschlägen wählte eine Jury von zehn Marketingfachleuten aus Tourismus, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft die Preisträger aus.”
Innovativ war eigentlich in diesem Jahr nichts. Dafür wurde reineweg Ausdauer belohnt. Womit eigentlich die Preise fürs nächste Jahr schon feststehen: das Badewannenrennen, das Große Konzert, Peter Degner und der “Leipziger Tourismuspreis”.
Informationen zum “Leipziger Tourismuspreis”:
www.leipzig.travel/tourismuspreis
Keine Kommentare bisher