Die Wagengruppe TrailerMoon war die erste, die sich im Mai auf der Brache an der Schulze-Delitzsch-Straße in Volkmarsdorf einen Ort für ihre Wohnwagen suchte. Im Oktober zog auch die Gruppe RhizomiA auf einen Teil des Geländes, das die Stadt Leipzig irgendwie gern mal zu einem Stadtteilpark ummodeln will. Aber das ist noch bunte Zukunftsmusik. Die Wagenleute aus dem Leipziger Osten fordern jetzt in einem offenen Brief einen anderen Umgang der Stadt mit Freiflächen und Freiraum für Wagenplätze.
Hier der Offene Brief an die Leipziger Stadtverwaltung:
“Zur Situation von TrailorMoon und RhizomiA
Seit dem 29.05.2014 existiert in der Schulze-Delitzsch Straße in Leipzig Volkmarsdorf der Wagenplatz TrailorMoon. Am 18.10. erwuchs in direkter Nachbar_innenschaft das Wagenprojekt RhizomiA.
Beide Gelände liegen seit Jahrzehnten brach und werden durch die Eigentümerin, die DB, nicht genutzt. Auf den beiden Flächen wurde durch Besetzen zum einen kollektiver Wohnraum und zum anderen selbstverwaltete offenen Räume, welche auch von vielen Menschen in Anspruch genommen werden, geschaffen. Die Brachflächen werden nun auf unkommerzielle Weise belebt und genutzt.
In der Zwischenzeit wurden Verhandlungen über eine Zwischennutzung mit der DB für einen sehr kurzen Zeitraum erwirkt. Jedoch scheint die dauerhafte Nutzung der Flächen in den Augen der DB schwierig. Zum einen aus sicherheitstechnischen Gründen, dem aber von Seiten der Besetzer_innen mit einem Vertrag o.ä. bezüglich Haftungsausschluss entgegen gekommen würde. Zum anderen aber, weil “hier demnächst der Bagger rollt”, wie Herr Lehmann (DB Immobilien) mehrmals betonte. So gibt es scheinbar Vereinbarungen zwischen der DB und der Stadt Leipzig über eine anstehende Entsiegelung der Flächen mit einhergehender Errichtung eines neuen “Stadtteilparks”.Wir finden das ganze “Verwerten” dieser Flächen aus mehreren Gründen nicht gut:
Leipzig gilt als aufstrebende Stadt mit enormem Zuzug. Immer mehr Stadtteile werden durch Luxussanierungen (es wird nicht nur der Wohnraum, sondern auch ganz Areale “aufgehübscht”, wie z.B. der Plagwitzer Bahnhof) und Eigentumswohnungen aufgewertet. Stadtplaner_innen und Politiker_innen geben vor, Leipzig als Stadt gestalten zu wollen, in der für viele verschiedene Lebenskonzepte Platz ist. Faktisch zeigt sich aber, dass die neoliberale Stadtpolitik, die nicht nur hier betrieben wird, auf ökonomische Interessen statt auf menschennahe Stadtgestaltung setzt. Folglich werden Menschen mit geringem oder keinem Einkommen verdrängt. Immer mehr Menschen können oder wollen ihren Wohnraum nicht mehr bezahlen; die Zahl der
Zwangsräumungen nimmt zu. Auch die Bestrebungen durch massive Polizeipräsenz und (häufig rassistische) Polizeimaßnahmen den Leipziger Osten “sicherer” zu machen, lassen auf die Absicht schließen, bisher weniger “gut” vermarktbare Stadtteile attraktiv für potenzielle Investor_innen und Mieter_innen zu machen.
Ein Stadtteilpark, wie er geplant ist, trägt letztlich ebenfalls weiter zur “Aufwertung” des Stadtteils bei und damit eben auch zur “Verdrängung” all derer, die nicht zahlungskräftig sind oder sein wollen.
Für alternative Wohn- und Lebensformen, die versuchen, durch Gemeinschaftlichkeit und gegenseitiger Hilfe der aktuell vorherrschenden Verwertungslogik etwas entgegen zu setzen, scheint da wenig Platz. Denn offene Räume, die unkommerziell betrieben werden, streben eben nicht nach Profit und erzielen so für die “Stadt” keinen Marktnutzen.
Die Pläne für den Stadteilpark wurden vor langer Zeit in einen öffentlich zugänglichen Planfeststellungsverfahren festgelegt. Dieses Verfahren lässt allerdings wenig reale Mitwirkungsmöglichkeiten zu und die Pläne können jetzt angeblich nicht mehr verändert werden. Somit ist eine wirkliche Beteiligung von Menschen die die Stadt beleben und nutzen (wie uns) nicht gegeben. Das finden wir wirklich traurig, denn wenn hier alles platt gemacht und Bäume in Reihe gepflanzt werden, können wir ebenso gut in den Mariannenpark spazieren gehen. Denn von “schicken” Stadtparks gibt es schon genug. Wir brauchen Flächen, die nicht von vorne bis hinten von einer großartigen Architektenperson erdacht werden, sondern Orte, die von vielen gestaltet werden können.Die DB hat RhizomiA und Trailormoon gemeinsam eine kleine Fläche als Alternative zur Miete angeboten. Dies mag zwar gut gemeint sein, entspricht aber in keinerlei Hinsicht unseren Vorstellungen.
Erstens lässt es völlig außer acht, dass wir zwei verschiedene Projekte sind, mit Überschneidungen, aber eben auch mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorstellungen vom Zusammenleben. Wir freuen uns über unsere jetzige Nachbar_innenschaft, stehen im Austausch und Unterstützung miteinander, halten es aber nicht für sinnvoll, uns zusammen drängen zu lassen, weil “wir ja alle irgendwie im Wagen wohnen”.
Zweitens sind wir weder an einem regulären Mietverhältnis interessiert noch daran ein Grundstück zu kaufen.
Drittens liegt die Fläche in Sellerhausen-Stünz. Das ist fernab unseres Lebensumfeldes und drängt uns immer weiter an den Stadtrand.
Und die Stadt? Sie schweigt bis jetzt! Sie sieht sich nicht zuständig, da es sich ja um ein Bahngelände handelt, für das es schon feststehende Pläne gibt. Es scheint, als würde die Stadt die Augen vor den oben beschriebenen Prozessen verschließen.
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Und doch obwohl im Wahlkampf keine Mühen gescheut werden, sich als offen und tolerant darzustellen und auch hier und da gerne der Bauwagen auf dem Wahlplakat verbastelt wird, und stets Leipzigs Vielfalt beworben wird, hält sich der Einsatz aktuell von Seiten der Stadt und Politik für das ach so bunte Leipzig eher in Grenzen.
Die Sache ist bloß – die Räumung wurde angedroht! Und im Falle dieser stehen dann eine Vielzahl an Menschen und Wägen buchstäblich auf der Straße. Was dann durchaus auch ein Problem der Stadt ist, wenn die Parkplätze vorm Rathaus zu unseren Vorgärten werden.
Wir fordern daher Menschen aus Stadtverwaltung und Politik auf, sich klar zu positionieren, sich in die Verhandlungsprozesse einzuklinken, nicht weiter Verantwortung von sich zu weisen, sondern aktiv zur vielbeworbenen Vielfalt Leipzigs beizutragen!
Wir wollen einen Stadtteilpark, an dem sich alle beteiligen können! Und wir wollen Teil dieses selbstverwalteten Stadtteilparks werden! Für mehr Selbstverwaltung öffentlicher Räume und Flächen!
Die Stadt sind wir alle!!!
Trailormoon und RhizomiA bleibt!!!!!”
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