Am 9. Oktober findet das Lichtfest in Leipzig statt. Eingeladen dazu ist auch der ungarische Staatspräsident János Áder. Die überparteiliche Initiative "Mehr Demokratie in Ungarn" hat es sich zum Ziel gesetzt, auf die aktuelle Situation in Ungarn hinzuweisen und hat Bundespräsident Joachim Gauck in einem Brief aufgefordert, diese Kritik auch an den Staatsgast weiterzugeben.

Die Initiative hat dazu den offenen Brief, der auf die Initiative des SPD-Stadtrates Tino Bucksch und der grünen Vorstandssprecherin Petra Cagalj-Sejdi zurückgeht, an den Bundespräsidenten geschickt. Unter den Unterzeichnern sind Vertreter des Stadtrates, ebenso wie die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar und die Bürgerrechtlerin und langjährige Politikerin Gisela Kallenbach und auch ein Landtagsabgeordneter der Linken.

Seit 2010 sind die demokratischen Grundrechte in Ungarn in Gefahr. So wurden sowohl die Pressefreiheit, als auch die Minderheitenrechte in Ungarn stark beschnitten und ein zunehmend autoritärer Kurs der ungarischen Regierung wird deutlich. Antiziganismus, Antisemitismus und Homophobie werden durch die Regierung unterstützt und die Demokratie in Ungarn wird zunehmend durch Merkmale eines autoritären Staates ersetzt.

In ihrem Brief fordert die Initiative den Bundespräsidenten dazu, auf sein Amt zu nutzen, um die genannten Kritikpunkte – auch um Zeichen für die friedliche Revolution und die Demokratie zu setzen – offen anzusprechen.

Die Initiative zeigt sich zudem erfreut, dass die Stadt als Gastgeber die Möglichkeit gibt, mit einem Stand auf dem Augustusplatz vor dem Radisson Hotel diese Kritik auch am Abend deutlich zu machen. “Die Stadt beweist damit ihren liberalen Geist und dass die Erinnerung an `89 nur mit dem Eintreten für die Demokratie auch heute möglich wird”, erklärt dazu Mitunterzeichner Jürgen Kasek.Im Rahmen des Standes sollen Handzettel verteilt werden und auf die Situation in Ungarn hingewiesen werden. Ebenfalls wird die Initiative ab 10 Uhr am Donnerstag auf dem Augustusplatz vor dem Festakt auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

Dabei sehen auch die Grünen auf Ungarn mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ungarn öffnete am 11. September 1989 die Grenze nach Österreich – das war der Anfang vom Ende des Eisernen Vorhangs. Gut zwei Monate später fiel die Berliner Mauer. Das Leipziger Lichtfest steht dabei als Symbol für das bürgerschaftliche Eintreten für Freiheit und Demokratie, es ist seit 2007 (Nacht der Lichter) dem Motto “Bürgerschaftliches Engagement – 1989 & heute” verpflichtet.

Nachdem sich im vergangenen Jahr anlässlich des Lichtfestes bereits der ungarische Botschafter, Jozsef Czukor, ins Goldene Buch der Stadt Leipzig eintrug, ist diesmal der ungarische Staatspräsident János Áder zum Festakt zum 25-jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution eingeladen.
Für Norman Volger, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat, ein Grund zur Kritik: “János Áder ist nicht nur Staatspräsident, er ist auch Gründungsmitglied der Fidesz, der in Ungarn regierenden nationalkonservativen Partei ‘Bund junger Demokraten’, wobei dieser Name nicht mehr als eine Worthülse darstellt. Die vergangenen Jahre zeigten deutlich, dass die Fidesz mit stark autoritaristischer und nationalistischer Rhetorik und Politik einen Abbau von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sowie einer Einschränkung der Pressefreiheit zum Ziel und dies in Teilen bereits umgesetzt hat. So hat die ungarische Regierung unter Victor Orban die Gewaltenteilung seit seinem Amtsantritt nach und nach aufgeweicht, den Bundesrichtern einen Maulkorb verpasst und die Presseorgane unter Aufsicht gestellt. Weiterhin stehen Rassismus, Homophobie, Antisemitismus und Romafeindlichkeit in Ungarn an der Tagesordnung. Insbesondere Minderheiten wie die ungarischen Roma sind Leidtragende dieser Politik, indem sie keinen entsprechenden Zugang zu Schulen bekommen, aus den Städten heraus in Slums gedrängt, sowie in ihrem Wahlrecht eingeschränkt werden.”

Kurz Luft holen. Aber die Entwicklung in Ungarn beschäftigt nicht nur die Leipziger Grünen nun seit Jahren. Wohin entwickelt sich das Land, das 1989 der ganzen Entwicklung im Ostblock erst richtig Schub gegeben hat?

Norman Volger: “Zudem nimmt die Regierung als einziges EU-Mitglied mit Vehemenz eine Gegenposition zu den verhängten Russland-Sanktionen der Europäischen Union im Zuge des Ukraine-Konfliktes ein. Bei der Wiederwahl in diesem Jahr verkündete der Regierungschef Orban bei einem Auftritt im rumänischen Baile Tusnad: ‘Ich denke nicht, dass uns die EU-Mitgliedschaft daran hindern wird, einen neuen illiberalen Staat auf einem nationalen Fundament aufzubauen’. Er erklärte zudem, dass die liberale Demokratie am Ende sei und sich der ungarische Staat nicht weiter an liberale Werte halten wird. – János Áder als Staatspräsident und Vertreter des sich immer strikter vom demokratischen Fundament verabschiedenden Staate Ungarn ist in meinen Augen kein würdiger Repräsentant auf dem Festakt zum 25jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution. Stattdessen stehen er und seine regierende Partei für das Gegenteil dessen, wofür die zigtausenden Menschen vor 25 Jahren auf die Straßen gegangen sind. Sein Besuch wirft daher einen großen Schatten auf das diesjährige Lichtfest.”

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüße daher ausdrücklich die geplante Kundgebung der Initiative “Mehr Demokratie in Ungarn” im Vorfeld des Festaktes ab 10 Uhr vor dem Gewandhaus sowie den Informationsstand ab 17 Uhr am Augustusplatz / Ecke Hotel Radisson.

Der Brief an den Bundespräsidenten als PDF zum Download.

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