Mit der Vertagung des Beschlusses über die Zuschusszahlung der Stadt Leipzig für die Vorbereitung des 100. Katholikentages sind zwei Dinge gleichzeitig eingetreten. Einerseits das Gefühl, es müsse nochmals genauer über die Verwendung der Gelder informiert werden, denn es tauchte am 16. Juli das Wort "Informationsdefizit" auf. Andererseits öffnete es den Raum für eine breitere gesellschaftliche Debatte. Christian Wolff hat die Gelegenheit ergriffen und äußerte sich heute in einem Statement zum Thema "Katholikentag 2016" in Leipzig.
2016 droht Gefahr: die Katholiken kommen, ausgerechnet nach Leipzig. Bis zu 100.000 Christen werden erwartet, wenn der 100. Katholikentag ruft. Wer die fulminante Einladung der Leipziger Katholiken beim Schlussgottesdienst des diesjährigen Katholikentages in Regensburg miterlebt hat – eine tolle Werbung für Leipzig! -, der zweifelt kaum daran: Zehntausende werden sich 2016 nach Leipzig aufmachen – auch, um diese Stadt in ihrer Vielfalt kennen zu lernen. Doch sind sie willkommen?
Was der Leipziger Stadtrat am vergangenen Mittwoch aufgeführt hat, lässt daran Zweifel aufkommen. Denn wieder einmal wurde ein wichtiges Thema auf Eurosummen reduziert: 1 Million Euro für den Katholikentag – nein Danke. Wieder einmal werden Naturkundemuseum gegen einen Katholikentag, soziale Investitionen gegen die Subvention eines Megaereignisses ausgespielt. Natürlich wissen die Stadträte ganz genau: Wenn Leipzig für den Katholikentag nur 300.000 Euro zur Verfügung stellt, werden die gesparten 700.000 Euro dem ach so famosen Kulturdezernenten nicht zu einer zündenden Idee für das Naturkundemuseum verhelfen.
Und auch der Obdachlosentreff “Oase” wird vom Sozialdezernenten weiter stiefmütterlich behandelt.
Was aber offensichtlich wird: Wie sehr sich allzu viele Stadträte darin ergehen, das Religiöse zum überflüssigen Relikt aus vergangenen Zeiten zu erklären. Doch gleichzeitig schickt man seine Kinder gerne in eine Kita in kirchlicher Trägerschaft oder auf die Montessori-Schule oder erhofft sich, wenn sich das Zipperlein regt, Hilfe im Elisabethkrankenhaus. Nach außen aber spielt man auf einer anderen Klaviatur: Katholikentag? Da treffen sich doch Kinderschänder, die Tebartz van Elst und Opus Dei.
Außerdem schwimmt die katholische Kirche im Geld. Dabei sind es aber gerade evangelische und katholische Laientreffen, auf denen die Fragen nicht nur diskutiert, sondern auch in ökumenische Praxis umgesetzt werden, die unsere Gesellschaft umtreibt: Wie gehen wir mit den Schwachen um? Wie gestalten wir das multikulturelle und -religiöse Zusammenleben in den Städten? Was tragen wir bei zur menschengerechten Flüchtlingsarbeit? Wie können wir die Option Jesu für die Armen konkret umsetzen, damit die Schere zwischen arm und reich nicht weiter auseinandergeht? Wie können Rüstungsexporte eingedämmt und gewaltfreie Friedensinitiativen gefördert werden?
Nirgends wird über all die brennenden sozialen, gesellschaftspolitischen Fragen so offen und intensiv debattiert wie auf Katholiken- oder Evangelischen Kirchentagen – oft zum Ärger der Kirchenoberen und Regierungsvertreter.
Das wissen natürlich die meisten Stadträte. Sie wissen auch, dass die vorgesehene 1 Million Euro städtischer Zuschuss – gewiss sehr viel Geld – gut angelegt sind. Denn wenn bis zu 100.000 Menschen für mehrere Tage nach Leipzig kommen, profitieren alle davon: diese Stadt taucht in eine wunderbare, festliche Atmosphäre ein. Fünf Tage wird über wesentliche Fragen des Lebens gestritten und nachgedacht. Der örtliche Handel wird ein deutliches Umsatzplus verzeichnen.
Leipzig erfährt eine bundesweite Publicity frei Haus, für die eine Stadt sonst eine Millionen schwere Werbekampagne starten müsste. Also fragt man sich: Was soll das Theater im Stadtrat? Offensichtlich sind es immer die gleichen Spielchen: Hier mal schnell eine private, kirchlich geprägte Grundschule benachteiligen, dort den Katholikentag finanziell ausbremsen – unabhängig davon, was einmal vereinbart wurde. Vertrauensbruch als Kollateralschaden. Dabei wissen alle ganz genau, auf wen sich die Stadt im Zweifelsfall verlassen kann: auf die Christen und die Kirchen.
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Man hätte sich eigentlich gewünscht, dass ein Oberbürgermeister und seine Dezernenten dieses im Stadtrat aussprechen und offensiv für etwas eintreten, was absolut sinnvoll ist und der Stadt zur Ehre gereicht – und von dem auch die profitieren, die im Abseits leben oder keiner Kirche angehören. Dabei sollte keine Rolle spielen, dass bei einem Katholikentag auch genügend Dinge stattfinden, die der Kritik bedürfen und über die man sich ärgern kann. Denn gute Gastgeber wollen das Denken und den Glauben der Menschen nicht vorher prüfen und bewerten, sondern alles dazu beitragen, dass sich Gäste wohlfühlen.
Und von einer Partei, die das “C” in ihrem Namen trägt, müsste man eigentlich erwarten können, dass wenigstens ihre Vertreter im Stadtrat den Mund aufmachen und sich für das Christentreffen aus vollem Herzen einsetzen, anstatt – wie Stadtrat Rost (CDU) – in die Kleingeisterei und Religionsphobie einzustimmen. So bleibt es der Leipziger Bürgerschaft vorbehalten, keinen Zweifel daran zu lassen, dass ihr die Zehntausende Besucher/innen des Katholikentages 2016 nicht nur willkommen und lieb, sondern auch teuer sind.
Christian Wolff, Pfarrer i.R.
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