Fertig sein soll alles im Frühjahr 2015. Der Architekt experimentiert noch mit den Lichtsäulen. Die Klimaanlage ist zwar schon eingebaut, geht aber noch nicht in Betrieb, solange im Paulinum der Staub fliegt. Der Fußboden ist fast fertig, die Fußbodenheizung auch. Und hoch oben auf Gerüsten werden jetzt die ersten Epitaphe montiert. Vier davon werden allein im Andachtsraum hängen.
Insgesamt sollen rund 30 wertvolle Epitaphien aus der ehemaligen Paulinerkirche montiert werden. Nach über 45 Jahren kehren sie an ihren angestammten Ort zurück. Seit 2002 wurden die aus der Universitätskirche St. Pauli geretteten Gedächtnismale unter Regie der Kustodie der Universität Leipzig aufwändig restauriert.
“Ich freue mich, dass diese wichtigen Werke nach ihrer Notbergung kurz vor der Sprengung der Universitätskirche im Mai 1968 wieder an ihrem ursprünglichen Ort angebracht und für die Präsentation vorbereitet werden können. Sie werden künftig wieder den Platz einnehmen, für den sie von ihren Auftraggebern im 16. bis 18. Jahrhundert gedacht waren”, sagt Kustos Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen. Sie seien die wichtigsten Zeugnisse für diesen Teil der Universitätsgeschichte.
Und so nebenbei würdigt er auch die Arbeit der Leute, die 1968 in knappen sieben Tagen einen Großteil der Epitaphe aus der Paulinerkirche retteten. Teilweise hingen die bis zu zwei Tonnen schweren Kunstwerke in sechs, sieben Meter Höhe. Man kann nur ahnen, unter welchem Zeitdruck sie von den Wänden genommen und dann erst im ehemaligen Reichsgerichtsgebäude und später in der Heilandskirche eingelagert wurden. Unter schlechten klimatischen Bedingungen, so dass jedes einzelne Teil konservatorisch bearbeitet werden musste, bevor es seinen Platz im neuen Paulinum findet. Bei den vier großen Epitaphen, die im Andachtsraum ihren Platz finden, geht es da um Kosten pro Kunstwerk von 70.000 bis 80.000 Euro. Das geht nur, wenn neben den Geldern des Freistaats fürs Paulinum auch Spendengelder für die Restaurierung fließen.
Da klemmt es zur Zeit, sagt Hiller von Gaertringen. Er weiß auch nicht, warum, rechnet aber damit, dass die Spender bei der Stange bleiben. Er spricht von “noch beträchtlichen Finanzierungslücken”.
Nach dem Vorbild des historischen Kirchenraumes besteht auch der neu errichtete Andachtsraum aus drei “Schiffen”. In drei Jochen befinden sich zwischen den Pfeilern Hängeflächen für insgesamt 21 große Epitaphien. Aktuell wird mit der Montage von vier monumentalen Steinepitaphien begonnen.
“Die Holzepitaphien werden erst installiert, wenn im September die Klimaanlage in Betrieb genommen werden kann und das Raumklima stabil ist. Außerdem gibt es eine Gruppe bemerkenswerter Metallepitaphien”, kündigt der Kustos an.
Die größten barocken Kunstwerke weisen eine Höhe von sechs Metern und eine Breite von vier Metern auf. Zusätzlich sollen um die Monumentalwerke herum kleinere Werke angebracht werden. Die rund 450.000 Euro teure Hängetechnologie erfolgt in Form unsichtbarer, hinterlüfteter Edelstahlgerüste. Die Montagearbeiten lassen sich nur begrenzt beschleunigen und werden sich bis mindestens ins Frühjahr 2015 hinziehen.
So dauert auch die Montage der großen Epitaphe im Bereich des Altars jeweils ein bis zwei Monate. Aus bis zu 40 Teilen besteht so ein Alabasterepitaph wie das des Hieronymus Cronmeyer (oder Kronmeyer), das südlich vom Alter seinen Platz zwischen zwei Säulen an einer Metallkonstruktion findet. Die ersten drei Teile des Gedächtnismals des 1670 gestorbenen Theologen waren am Freitag, 24. Juli, montiert. Am Boden lag in Einzelteilen noch der Teil mit dem Medaillon, das dieses Erinnerungsmal mit einem Namen verbindet. Nur war das Medaillon schon irgendwann nach 1945 verschwunden. Eine Aluminiumreplik nach einer alten Fotografie wird es ersetzen. Nicht alle Epitaphien sind noch vollständig erhalten. Wo Teile nicht mehr auffindbar sind, werden sie – für den Betrachter wahrnehmbar – durch künstliche Ersatzstücke ergänzt, gestaltet in Siebdruck auf Aluminium. Es soll der Gesamteindruck wie in der alten Paulinierkirche wieder sichtbar werden. “Aber auch die Brüche sollen für den Betrachter zu sehen sein”, sagt Hiller von Gaertringen.
Bereits vor der Reformation war die Leipziger Paulinerkirche ein privilegierter Bestattungsort, der sich nach der Schenkung an die Universität 1543 zunehmend zur Grablege einer universitären Elite entwickelt hat. Zwischen 1547 und 1770 entstanden zum Gedenken an bedeutende Persönlichkeiten – vornehmlich Universitätsprofessoren und Rektoren – im Auftrag ihrer Nachfahren aufwändige Epitaphien in Stein, Holz und Metall. Die anfangs auch in Familienkapellen angebrachten Gedächtnismale wurden ab 1710 im Chorraum konzentriert.
Östlich des Cronmeyer-Epitaphs wird das von Caspar Borner montiert, auch er Theologe. Aber sein Ruhm gründet sich auf seinen vehementen Kampf darum, dass die Gebäude und Grundstücke des aufgelösten Dominikanerklosters samt der Kirche St. Pauli 1543 der Universität Leipzig übereignet wurden. Der gesamte heutige Innenstadtcampus der Universität befindet sich auf dem Gelände des einstigen Dominikanerklosters.
Auf der Nordseite des Altars werden die Epitaphe des 1598 verstorbenen Georg Tobias Schwendendörfer, Juraprofessor, und das des Juristen Johann Jacob Pantzer von 1673 ihren Platz finden.
1968 waren sich die Fachleute sehr wohl bewusst, welchen Schatz nicht nur die Paulinerkirche darstellte, sondern auch ihr reiches Innenleben an Gedächtnismalen. Hier waren diese Kunstwerke noch zu sehen, als sie in den beiden Stadtkirchen St. Nikolai und St. Thomas längst entfernt worden waren. Was auch daran lag, dass sich in St. Pauli vor allem Universitätsangehörige bestatten ließen.
Doch im Mai 1968 ging es keineswegs ruhig zu, als die Kirche für die Sprengung beräumt wurde.
Paulinum der Universität Leipzig: Die neue Kirche nimmt Gestalt an – nur die Glassäulen verzögern die Fertigstellung bis 2015
Es war schon eine Herkulesaufgabe …
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Eine Wunderheilung: Epitaph des Leipziger Rechtsgelehrten Benedict Carpzov restauriert
Er hat in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges …
Innerhalb weniger Tage vor der Kirchensprengung versuchte eine Gruppe von Handwerkern aus der städtischen Denkmalpflege von den Gedächtnismalen zu retten, was abzunehmen oder auszubauen war. Angesichts des ungeheuren Zeitdrucks sei eine schonende und vollständige Bergung allerdings unmöglich gewesen, so der Kustos. “Dennoch gelang es, den weitaus größten Teil des Kunstgutes zu bergen. Viele Epitaphien sind vollständig erhalten, manche teilweise geborgen worden, einzelne gingen ganz verloren. Während ihrer notdürftigen Lagerung über Jahrzehnte haben vor allem die Holzobjekte Schaden erlitten.”
Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, insbesondere der Leipziger Ortskonservatorin Brigitte Kempe-Stecher, konnte die Universität Leipzig für die Restaurierung der Epitaphien rund 700.000 Euro an Spenden einwerben. Das Epitaph-Projekt ist das bisher umfangreichste und bedeutendste Vorhaben in der Geschichte der Kustodie.
“Nach der Umlagerung der Epitaphien in das universitätseigene Kunstdepot im Frühjahr 2004 konnten wir schrittweise mit der Konservierung einzelner Objekte beginnen”, erklärt Hiller von Gaertringen. Parallel dazu sei die Wiederaufstellung der Gedächtnismale als universitäre Forderung in den Ausschreibungen des Neubauvorhabens am Augustusplatz verankert worden.
Nach rund zehn Jahren konnten die konservatorischen Arbeiten an den barocken Kunstwerken abgeschlossen werden. Zusätzlich hat in den vergangenen Monaten der hallesche Künstler Thomas Leu fehlende Epitaph-Teile durch moderne Metallkonstruktionen ergänzt, die farbig eloxiert und teilweise bedruckt werden.
“Durch das von ihm verwendete Material, im Kontrast zu Stein oder Holz der Epitaphien, bleiben die ,Verletzungen’ der historischen Werke erkennbar. Mit dieser modernen Antwort auf die Historie der Epitaphien werden sie in ihrer Geschichtlichkeit erlebbar. Und sie zeigen dem Betrachter auch, was durch die besondere Geschichte der Universitätskirche verloren gegangen ist”, sagt der Kustos. Bei der Hängung der Steinepitaphien vor Ort sind die Berliner Restauratoren Thomas Schubert und Manfred Sährig sowie der Leipziger Bildhauer und Restaurator Markus Gläser im Einsatz.
Quelle:
www.uni-leipzig.de/kustodie
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