Es war schon eine Herkulesaufgabe, die der niederländische Architekt Erick van Egeraat da dem Sächsischen Immobilienmanagement stellte, als er die neue Paulinerkirche entwarf. Mit allerlei Details, für die man echte Spezialfirmen braucht. Wie für die filigranen Glassäulen, die er als Replik der alten Säulen aus der 1968 gesprengten Paulinerkirche vorgesehen hat. Dieses Detail sorgt nun für eine weitere Verschiebung des Fertigstellungstermins.
Ursprünglich hatte auch das in seiner Doppelfunktion als Aula und Kirche geplante Paulinum zum 600-jährigen Jubiläum der Universität Leipzig im Dezember 2009 fertig sein sollen. Dann verschob sich der Termin immer weiter. Zuletzt sollte es nun der 2. Dezember 2014 sein. Doch die Glassäulen sind bis dahin nicht fertig. Die beauftragte englische Firma kann sie in der gewünschten Form nicht herstellen. Nun bekommt eine deutsche Firma den Auftrag für zum Teil freistehenden, zum Teil nur hängenden Säulen, die die Anmutung des Kirchenraumes noch verstärken werden, die jetzt schon sichtbar ist mit der ausgeformten Decke, der Empore und dem gotischen Fenster, durch das die Sonne von Osten in den Kirchenraum leuchtet
Auf der Empore soll noch das musikalische Herzstück des Paulinums, die von der Traditionsfirma Jehmlich Orgelbau in Dresden gebaute Orgel mit 46 Registern, 2.951 Pfeifen und 11 Meter Höhe und 6,50 Meter Breite Platz finden. Vier Jahre lang hat der Dresdner Orgelbauer daran gebaut. Jetzt wird sie gerade montiert. Die 1 Million Euro für dieses Prachtstück stammt aus dem Körperschaftsvermögen der Universität. Sie wird das gesamte Spektrum des für den Menschen Hörbaren zwischen 16 bis 16.000 Herz hörbar machen und vor allem durch die Universitätsmusik, für wissenschaftliche und festliche Anlässe der Universität sowie bei Universitätsgottesdiensten genutzt.
Das Gefühl des durch die Kirchensprengung 1968 verlorenen Raumes wird auch durch die aus der Paulinerkirche geretteten Epitaphien verstärkt. Seit 2004 sind sie das wichtigste Restaurierungsprojekt der Kustodie der Universität. Das Hängekonzept lehnt sich an die historische Situation an: Es gibt den Andachtsraum, bestehend aus drei “Schiffen”, im Zentrum des Hauptschiffes wird der Paulineraltar, der derzeit in der Thomaskirche Gastrecht genießt, Aufstellung finden.
Zwischen den (gläsernen) Pfeilern im Raum, der eigentlich das Kirchenschiff ist, befinden sich Hängeflächen für insgesamt 21 große Epitaphien. Sie werden dort in Form hinterlüfteter Edelstahlgerüste eingepasst. Immerhin eine nicht ganz leichtgewichtige Angelegenheit. Die größten Gedächtnismale weisen eine Höhe von 5 bis 6 Metern bei einer Breite von 3 bis 4 Metern auf. Sie bestehen aus Stein (Alabaster), Holz und Metall. Vor allem im 16. bis 18. Jahrhundert wurden sie zum Gedenken an bedeutende Persönlichkeiten (vornehmlich Universitätsprofessoren und Rektoren) von den Nachfahren in Auftrag gegeben. Sie sind also ein wesentlicher Teil der Gedächtniskultur der Universität selbst. Was auf den zweiten Aspekt der Sprengung von 1968 verweist. Nicht nur die unversehrte Kirche aus dem 13. Jahrhundert störte Funktionäre wie Walter Ulbricht, sie wollten auch die alte, bürgerliche Universität aus dem Stadtbild tilgen.
Im Band 3 der großen Universitätsgeschichte von 2009 findet man das unter dem Kapitel “Sozialistische Transformation”. Parallel zur Paulinerkirche, die auch damals die Doppelfunktion als Universitätskirche und Aula erfüllte, wurde auch das teilweise zerstörte Augusteum abgeräumt, um die den neuen, “sozialistischen” Universitätscampus Platz zu schaffen.
Die Restaurierung der Epitaphe, die jetzt an ihren “angestammten” Platz zurückkehren, wurden auf der Grundlage von Spenden bestritten. Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnten insgesamt rund 700.000 Euro eingeworben werden. Für Hängung der Epitaphien werden noch einmal 450.000 Euro veranschlagt.
Bedauern äußerte zu der neuerlichen Terminverschiebung die Stiftung “Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig”.
“Die Stiftung sehnt seit ihrer Gründung im Jahr 2008 den Tag herbei, an dem die Universität Leipzig, die Stadt Leipzig und die Bürger dieses Landes denjenigen Ort zurückerhalten, der nach dem Willen der SED-Machthaber 1968 unumkehrbar ausgelöscht werden sollte. Wir sind dem Freistaat Sachsen als Bauherrn dankbar, weiter alles dafür zu tun, dass dieser von vielen Menschen herbeigesehnte Tag des Wiederauflebens sobald wie möglich Wirklichkeit werden wird”, teilt sie am Tag nach dem Ministerbesuch mit. “Der neu entstehende Raum, der in Gänze zugleich Aula und Universitätskirche St. Pauli ist, wird Kraft seiner einzigartigen akademischen, universitätsgottesdienstlichen und -musikalischen Dreifachnutzung wieder den ihm gebührenden Platz im Herzen der Universität und der Stadt Leipzig einnehmen.”
Die Stiftung will dies künftig auch künftig unterstützen, spricht sich nun zunächst aber dafür aus, die verlängerte Bauzeit zu nutzen, auch letzte Fragen auf dem Weg zur Aufstellung der für die Geschichte der Universität, der Stadt und des Landes bedeutsamen originalen Barockkanzel abschließend zu klären.
Am 20. Mai hatte die Universität mitgeteilt, dass man mit der Restaurierung der historischen Kanzel begonnen hat. Damit folgte sie einer entsprechenden Empfehlung der Mitglieder der Kanzel-Kommission vom März. Die Kommission einigte sich darauf, dass nach der Eröffnung des Paulinums ein Monitoring notwendig ist, das die raumklimatischen Bedingungen und ihre Auswirkungen auf die Kanzel untersucht.
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Sie sprach sich auch für ein weiteres Monitoring aus, um die Nutzung des Paulinums zu analysieren: Wer nutzt den Raum für welchen Zweck, in welcher Form? Als weiteren Schritt stimmte das Gremium für die Herstellung eines Arbeitsmodells der historischen Kanzel im Maßstab 1:1. Es soll dazu dienen, die räumlichen Gegebenheiten und die Wirkung der Kanzel im Paulinum zu testen.
“Ich freue mich, dass die Restaurierung begonnen hat und sich die Kommission auf wichtige Schritte einigen konnte”, sagte Rektorin Prof. Dr. Beate Schücking. Zugleich verwies sie darauf, dass die Universität die ersten Restaurierungsarbeiten selbst bezahlt.
Eine angekündigte Zwischenlösung sieht vor, die restaurierte Kanzel Schritt für Schritt entsprechend der Restaurierung an einem Interimsstandort im Museum für Musikinstrumente zu präsentieren und sie damit möglichst schnell der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Expertenkommission hatte sich im November 2013 unter der Leitung des Sächsischen Finanzministeriums konstituiert. Sie soll Empfehlungen erarbeiten, wie mit der Kanzel weiter verfahren werden könnte und der Universitätsleitung somit eine Entscheidungshilfe zur Verfügung stellen.
“Wir begrüßen, dass die vom Bauherrn ins Leben gerufene Kanzel-Expertenkommission jüngst konkrete Schritte auf dem Weg zu einer solchen Aufstellung vereinbart hat”, betont nun auch die Stiftung “Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig”. “Unsere feste Erwartung ist, dass die weiteren Schritte verbindlich vereinbart und so zügig wie möglich umgesetzt werden. Ausreichend Zeit zur Kanzelrestaurierung und -aufstellung in der Aula Universitätskirche St. Pauli verbleibt! Die Stiftung unterstützt ausdrücklich den seit langem von Universitätsgemeinde und Theologischer Fakultät artikulierten Bedarf zur Kanzelaufstellung an historischer Stelle und bittet die jetzige Universitätsleitung, sich auch der entsprechenden, festen Vereinbarungen des vorhergehenden Rektorats zu erinnern.”
Für die Stiftung gehört die Kanzel eindeutig zur “einzigartigen Anziehungs- und Symbolkraft” der neuen Paulinerkirche. Sie betont dazu: “Wir bekräftigen daher nochmals das der Universitätsleitung im Sommer 2013 unterbreitete Angebot: Wir sind bereit, für einen Erprobungszeitraum mindestens der ersten fünf Jahre die Kosten von raumklimatisch bedingten Folgerestaurierungen der Barockkanzel zu übernehmen. Und auch wenn die Raumklimarisiken ohnehin nur noch von einzelnen Mitgliedern der Kanzelkommission befürchtet werden, wollen wir helfen, dass frei von jedem finanziellen Risiko für die Universität gleich vor Ort in der Universitätskirche – und eben nicht paradoxerweise an anderem Ort – die raumklimatischen Auswirkungen untersucht werden können.”
Der Zwischenstand für die Kosten: Nachdem der neue Uni-Campus vor zehn Jahren mit 140 Millionen Euro kalkuliert wurden war, nannte Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) am Donnerstag beim Vor-Ort-Termin 250 Millionen Euro als aktuelle Kalkulation. Wohl auch in der Hoffnung, für diese Spendabilität in Leipzig gelobt zu werden. Das im Campus-Innenhof die Studierenden gegen seine Kürzungspolitik beim Lehrpersonal mit Plakaten protestiert, fand er gar nicht angemessen und deutete an, dass er sich als Rektor ganz anders verhalten hätte als die Leipziger Uni-Rektorin.
Das Epitaph-Projekt der Uni Leipzig:
www.zv.uni-leipzig.de/de/kustodie/die-kustodie/projekte/epitaph-projekt
Die Stiftung:
www.stiftung-universitaetskirche.de
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