Ja, wenn Politiker den Schneid nicht haben, dann müssen eben die Bürger ran, diese Idee von Mitteldeutschland mit Leben zu erfüllen. Oder die Studierenden, die sich mit dem Thema Region beschäftigen. Region im modernen, europäischen Sinn. So haben es der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Rüdiger Ulrich und sein Team schon vor fünf Jahren angedacht. Jetzt haben sie ein Spiel draus gemacht. Am 15. Mai stellen sie es vor.
Das Thema Region beschäftigt die EU seit über zehn Jahren. Denn wenn ihre Regionalförderung irgendeinen Sinn machen soll, dann müssen die geförderten regionalen Strukturen nicht nur vergleichbar sein, sondern auch strukturell Sinn ergeben, quasi klassische Wirtschaftsräume sein. Metropolregionen im besten Fall. Und wenn die eine, alles prägende Metropole fehlt, eben Wirtschaftsräume, die sich schon historisch durch eine enge Vernetzung auszeichnen.
Wer ein bisschen darüber nachdenkt, merkt ziemlich bald, dass das mit den üblichen Landesgrenzen nichts zu tun hat. Dazu sind die europäischen Staaten viel zu unterschiedlich. Aber auch die kleineren Verwaltungsgrenzen – in Deutschland die der Bundesländer – sind nicht immer logisch. Manche umfassen nur eine Metropole (wie Hamburg und Berlin), andere umschließen mehrere solcher Wirtschaftskerne. Und – typisch für den Osten: Hier wird ein historisches Wirtschaftsgeflecht in drei verschiedene Bundesländer gesplittet.
Die ansässige Wirtschaft denkt den Raum längst als Metropolregion – und ärgert sich schwarz, wenn sie immer wieder an den provinziellen Grenzziehungen in Dresden, Erfurt und Magdeburg scheitert. Ressourcen werden falsch oder unsinnig verteilt, Verkehrsstrukturen vernachlässigt oder in unlogischer Reihenfolge gebaut. Veraltete Strukturen werden weiter gefördert, während der Umbau zu einer modernen Wirtschaftsstruktur aus Mangel an Geldern stockt. Was nicht nur auf die Wirtschaft im engeren Sinn zutrifft. Denn moderne Metropolregionen brauchen auch eine moderne Verwaltung, eine moderne Informationsstruktur, eine moderne Kulturpolitik usw.
Das ist alles komplex. Aber mit solchen komplexen Themen beschäftigen sich die Wirtschaftswissenschaftler an der HTWK Leipzig auch.
Bereits vor fünf Jahren entstand die Idee zum Spiel “Mittedeutschland”. Dahinter steht der Gedanke, spielerisch die regionale Identität zu stärken und Wissen über die Region zu vermitteln.
“Mitteldeutschland war schon früher ein Innovationsstandort. Zahlreiche Erfindungen wurden hier getätigt. Ich denke da beispielsweise an den Automobilbau in Eisenach und Zwickau oder die optische Industrie in Jena. Mit dem Spiel ‘Mittedeutschland’ möchten wir das Bewusstsein für die Geschichte und Tradition der Region stärken”, erzählt Prof. Rüdiger Ulrich, der geistige Vater des Spiels, von seiner Idee und ergänzt: “Es soll durchaus auch als Anregung dienen, Mitteldeutschland bei Reisen und Ausflügen selbst neu oder erneut zu erkunden.”
Am 15. Mai 2014 stellt die Hochschule für Technik und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) das Mehrgenerationenspiel “Mittedeutschland” der Öffentlichkeit vor, das in engagierter Arbeit an der Hochschule entwickelt worden ist. Interessierte sind ab 15 Uhr herzlich in Raum 415 des Lipsius-Baus (Karl-Liebknecht-Straße 145) eingeladen. Der Eintritt ist frei.
Gespielt wird – je nach Gruppengröße von zwei bis 20 Spielern – einzeln oder in Teams. Die Spieler beantworten auf 200 Karten festgehaltene Fragen zu Natur, Geschichte, Kultur sowie Wirtschaft und Technik Mitteldeutschlands. Zudem gibt es Gemeinschaftskarten, deren Aufgaben und Aktionen vom Singen von Volksliedern über das Erraten von Mundarten bis zum Erkennen regionaler Sehenswürdigkeiten anhand von Silhouetten reichen.
“Alles ist darauf angelegt, die Menschen beim Spielen miteinander ins Gespräch kommen zu lassen. Die spielerische Beschäftigung mit ihrer Region weckt sicher zahlreiche Erinnerungen und selbst Erlebtes kann miteinander geteilt werden”, so Rüdiger Ulrich, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften.
Viel Arbeit steckt in der Vorbereitung: Rund vier Jahre lang sammelte er, unterstützt von zahlreichen engagierten Studierenden, Fakten und hinterlegte diese in einer Datenbank. Ein Teil findet sich nun auf den Fragekarten wieder. “Wir trugen Daten zu Sehenswürdigkeiten zusammen und recherchierten beispielsweise bei Heimatvereinen, so dass sich nebenbei eine schöne Vernetzung unserer Hochschule in die Region ergab”, blickt Rüdiger Ulrich zurück.
Seit September 2013 arbeitete das Team um Rüdiger Ulrich intensiv an der Umsetzung des Spiels: Das Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitsamt seinen Städten und Flüssen umfassende Spielfeld wurde entworfen, Spielfiguren entwickelt, das Begleitheft erarbeitet. Die erste, 50 Exemplare umfassende Auflage des zum Großteil hochwertig in Handarbeit hergestellten Spieles ist bereits produziert – ein Beispiel für gute Vernetzung. So wurden Karten und Boxen beispielsweise an der Fakultät Medien geplottet.
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