Es mehren sich die Publikationen von Männern (o.k. und leider auch Frauen), die der Menschheit mit dem Verbalhammer ihre Sicht der Welt eintrichtern wollen. Das ist ja prinzipiell nichts Neues, dennoch erschreckt doch die sprachliche Schlichtheit der Texte. Ein weiteres Kapitel "Ich hau auf alles, was mir nicht in den Kram passt" hat jetzt Akif Pirinçci (54) hinzugefügt.
“Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer” heißt das Machwerk, nennt sich Sachbuch und treibt nicht nur Feministinnen auf die Barrikaden. Einmal wird es Brachialrhetorik genannt, andere sagen schlicht menschenverachtende Ergüsse.
Eva Brackelmann und Katharina Kleinschmidt sind politisch im Bereich Gleichstellung unterwegs. Die eine als Landesvorsitzende der SPD-Frauen, die andere sitzt im Leipziger Gleichstellungsbeirat. Was sagen zwei Frauenpolitikerinnen zu den neuesten Publikationen?
Ist nicht jede Reaktion auf solche Hasstiraden verschwendete Spucke?
Da sind wir auch hin und her gerissen. Tatsächlich ist eine Auseinandersetzung mit diesen kruden Thesen eindeutig zu viel Ehre für den Autor, zumal man wieder Aufmerksamkeit für diese erzeugt. Andererseits können wir das nicht unkommentiert im Raum stehen lassen.
Was will uns der Autor damit sagen?
Das ist die große Frage. Er erklärt nur, was in seinen Augen großer Mist ist: MigrantInnen, die die Rechte einfordern, die ihnen zustehen, Homosexuelle, die es wagen, zu ihrem Lebensentwurf zu stehen und natürlich Frauen, die ihre Männer verlassen – das geht gar nicht! Mal ganz abgesehen davon, dass es durchaus häufiger vorkommt, dass Männer ihre Frauen verlassen (viele alleinerziehende Mütter lassen grüßen). Was will der Autor also? Heimchen am Herd, die selbst dann nicht gehen, wenn der Mann abgrundtief nervt – so wie Akif Pirinçci? Homosexuelle, die sich von ihrer Neigung “kurieren” lassen? MigrantInnen, die sich gerne ausbeuten lassen und dann noch “Danke!” sagen? Wenn das das Weltbild von Pirinçci ist, darf man ihn gerne an ein paar Grundregeln des Zusammenlebens und an ein paar Grundwerte erinnern. Oder er hat sich im Jahrhundert geirrt.
Die Thesen erinnern manchmal an Thilo Sarrazin. Wen von beiden finden Sie aus Sozi-Frauensicht schlimmer?
Auf diesem Niveau veranstalten wir grundsätzlich keinen Wettbewerb und verteilen keine Superlative. Ab einem bestimmten Level geht es nicht mehr tiefer. Jeder und jede darf sich da selber ein Bild machen. Aber dennoch – auch wir haben uns ungut an Thilo Sarrazin erinnert gefühlt.
Wieso kann sich ein Autor mit diesen Thesen immer noch in den Feuilletons halten?
Gute Frage. Es gehören immer zwei dazu. Die Motive von Pirinçci sind klar: Das ist eine sehr gezielte Provokation, die letztlich der Auflagensteigerung der Bücher dienen soll. Warum sich die Feuilletons damit beschäftigen, verstehen wir auch nicht wirklich. Wahrscheinlich zehrt Pirinçci hier von seinem Ruf, den er sich als Katzenkrimi-Autor erworben hat. Allerdings – ob das eine große kulturelle Leistung war, sei dahingestellt.
Kommt es jetzt noch schlimmer?
Ob es einen weiteren Abstieg bei menschenverachtenden, niveaulosen Pöbeleien gibt? Es steht zu befürchten. Sicher werden wir noch jede Menge Spaß mit der AfD und der Jugendorganisation der ?JA? (Junge Alternative) bekommen. Da fällt uns wirklich nur noch ein: Niveau ist keine Hautcreme. Aber wir sind vorbereitet auf weitere schlichte Weltdeutungen.
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