Westeuropäer sind Profitouristen. Irgendwann einmal hat die westliche Welt beschlossen, den Rest der Zivilisation, der sie eben gerade die Eigenschaft der Zivilisiertheit abgesprochen hat, zu bekehren. Den armen Barbaren muss man doch Kultur beibringen, dachte man sich und erfand die Kolonialisierung. Zuvor hatten schon Columbus und die Spanier versucht, den Ureinwohnern Amerikas den "Segen" des Abendlandes zu vermitteln. Der Zugvögel e.V. versucht es nun mal mit der Entwicklungshilfe genau in umgekehrter Richtung - von Süd nach Nord.

Was man von uns lernen kann ist, wie man die Welt an den Rand des Abgrunds bringt. Was der Kulturimperialimus immer wieder zeitigt, ist sein eigenes Scheitern. Fundamentalismus, der erst entsteht wenn die Fundamente bröckeln, ist die Folge. Emanzipation wird gerade durch die westliche Hybris verhindert. Auch die sogenannte Entwicklungshilfe ist nicht immer hilfreich. Zu selten werden westliche Standards abgelegt und sich den realen Erfordernissen Hilfebedürftiger angenähert. Dem in der Kritik stehende entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts hat man sogar vorgeworfen, ein über Steuergelder finanziertes Tourismusprogramm zu sein, dass völlig an den Bedürfnissen der Entwicklungshilfe vorbeiarbeitet.

Der Zugvögel e. V. hingegen dreht die herkömmliche Freiwilligenpraxis einfach um. Der Verein entstanden aus der Erfahrung der Freiwilligen heraus, dass deren Einsätze dem Anspruch der Gleichberechtigung nur teilweise gerecht wurden. Deshalb hat man beschlossen, die gängige Freiwilligenpraxis auf den Kopf zu stellen. Das heißt, dass die dominante Nord-Süd-Achse (Westeuropäer gehen in den globalen Süden) durch eine Süd-Nord-Achse ergänzt wird. Personen aus dem globalen Süden (Afrika, Lateinamerika, Nepal usw.) kommen nach Europa und engagieren sich hier. Mit dem Ziel das Nord-Süd-Gefälle aufzulösen ist der Zugvögel e. V. 2012 angetreten um den “intitutionellen Rassisums und die Intoleranz” im Freiwilligenbereich hinter sich zu lassen. Der Verein versteht sich als ein gesellschaftlicher Akteur, der durch konkrete Handlungen im kleinen Rahmen Veränderungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene anstoßen möchte.

Maximilian Vogel von der Regionalgruppe Leipzig sieht in diesem Zusammenhang den Begriff der “Entwicklungshilfe” sehr kritisch. “Wir vertreten als Verein die Meinung, dass es diskriminierend ist, andere Staaten und Gesellschaften als unterentwickelt zu bezeichnen und daraus die Notwendigkeit einer “Entwicklungshilfe” von Seiten der westlichen Industrienationen abzuleiten.” Auch Deutschland habe noch Entwicklungspotential, das es aus dem Kontakt mit den Ländern des globalen Südens schöpfen könnte.

Die speziellere Kritik an der gängigen Freiwilligenpraxis meint den entwicklungspolitischen Freiwilligendienste für junge deutsche Erwachsene in Ländern des globalen Südens. Der Entwicklungsgedanke wird hierbei oft einseitig gedacht. “Wir sind der Meinung, auch bei Freiwilligendiensten sollten wir anderen Kulturen und deren Menschen auf Augenhöhe begegnen und uns nicht überlegen, “Was können wir denen beibringen?”, sondern “was können wir voneinander und gemeinsam lernen?” so Vogel. Dazu ist es vor allem wichtig, dass nicht nur westliche Freiwillige in andere Länder reisen, sondern auch aus Ländern des globalen Südens Menschen zu uns kommen, sodass wir gleichberechtigt voneinander lernen können,” heißt es von Seiten des Vereins.

Zu Beginn der Arbeit gab es so gut wie keine gemeinnützigen Organisationen, die einen solchen gleichberechtigten entwicklungspolitischen Austausch ermöglichten. “Von Anfang an ist es der Kern unserer Arbeit, den organisatorischen und finanziellen Rahmen bereitzustellen, damit junge Menschen nach Deutschland kommen können, um hier einen sozialen Dienst zu leisten und persönliche Erfahrungen zu sammeln.” erklärt der Leipziger Mitinitioator Maximilian Vogel. Das Angebot stehe grundsätzlich allen offen. Auch Sprachkenntnisse sind kein Kriterium. Und trotzdem gibt es in der Praxis das Problem, dass die Freiwilligen in der Regel aus der gebildeten, urbanen Mittelschicht stammen. “Wahrscheinlich weil für diese der Zugang am einfachsten und deren Mobilität in der Regel größer ist. Wir arbeiten aber weiter daran, dass auch Menschen aus sozial benachteiligten Milieus unser Angebot wahrnehmen.”

Von Seiten des Vereins wird lediglich der Rahmen zur Durchführung eines Freiwilligendienstes in Deutschland zur Verfügung gestellt. Auf Wunsch wird auch bei Aufgaben im Entsendeland Unterstützung angeboten. Dazu wird ein pädagogisches Begleitprogramm zur Verfügung gestellt, das die Freiwilligen dazu anregen soll, ihre eigene Rolle zu reflektieren und diskriminierende und neokoloniale Zusammenhänge zu durchschauen.

Die Zugvögel beschränken sich auf die Süd-Nord-Komponente. Es werden selbst keine Freiwilligen aus Deutschland in andere Länder entsendet, weil man der Überzeugung ist, dass es bereits genügend Organisationen gibt, die dies leisten.

Finanziert wird der Verein aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden (Privatspender und Großspender). Dabei wird darauf geachtet die Unabhängigkeit zu wahren. Auch in Leipzig gibt es eine Regionalgruppe der Zugvögel, die aktuell eine Gastfamilien für eine Freiwillige, die ab Herbst am Theater der Jungen Welt arbeiten wird, sucht. Auch auf Spenden und ehrenamtliches Engagement ist der Verein immer angewiesen.

Mehr Informationen

www.zugvoegel.org

Die Regionalgruppe Leipzig ist erreichbar unter

leipzig@zugvoegel.org

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