Wer kennt sie nicht, die Schlachtfelder des Mütterterrors: Spielplätze, Wartezimmer von Kinderärzten und Krabbelgruppen. Von Bionade-Holunder contra Tee, Dinkelkeks contra Aldi-Gebäck oder der Chinesischkurs für Einjährige - Mütter überbieten sich und kritteln aneinander rum und machen sich das Leben schwer.
Warum das so ist und wie sich Frauen dem ?Mütterterror? verweigern können, das hat Christina Mundlos in ihrem Buch “Mütterterror – Angst, Neid und Aggressionen unter Müttern” beschrieben. Zur Buchmesse liest sie am Freitag, 14. März 2014, 19:30 Uhr im Buchkindergarten Leipzig, Josephstraße 9-11, 04177 Leipzig.
Vera Augspurg hat mit Christina Mundlos über den Mütterterror gesprochen.
Ihre Kapitel haben so provokante Titel wie ?Stillst Du noch oder lebst Du schon? oder ?Mutter-Kind-Gruppen – Wölfe im Schafspelz?. Wie viel Christina Mundlos steckt im ?Mütterterror??
Dass ich mich mit dem Mütterterror auseinandergesetzt habe, kommt nicht von ungefähr. Ich bin Soziologin und Linguistin und in beiden Disziplinen lag mein Hautaugenmerk immer auf den Themen der Frauen- und Geschlechter- und Familienforschung. Da ich selbst zwei Kinder habe, war ich auch nicht nur auf wissenschaftlich-theoretischer Ebene mit dem Phänomen befasst, sondern auch ganz persönlich betroffen. Und das bedeutet nicht, dass ich nur “Opfer” war. Auch ich habe Mütterterror betrieben – wenngleich meist sicher nur, um Angriffe abzuwehren oder diesen vorzubeugen. Doch das ist ja auch bei den meisten Müttern der Grund dafür, überhaupt an anderen Müttern herumzukritteln.
Wieso machen sich Mütter das Leben gegenseitig so schwer? Welche Hauptgründe haben Sie bei der Recherche gefunden?
Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit der eigenen Rolle, mit dem allgemeinen Mütterbild, mit dem jeweiligen Arrangement innerhalb der Partnerschaft und mit den strukturellen Möglichkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Und ich konnte feststellen: je unzufriedener eine Mutter mit dem eigenen Leben ist, desto stärker versucht sie anderen Müttern ein schlechtes Gewissen einzureden und ihre eigenen Entscheidungen als unantastbare Erziehungsweisheiten zu verkaufen. Für die Zufriedenheit ist es aber wichtig, dass ein Mensch möglichst selbstständig einen Lebensentwurf wählen kann und gesellschaftliche Anerkennung erhält. Das wird Müttern jedoch schwer gemacht. Unser gesellschaftliches Mutterbild ist frauenverachtend – daran haben auch die vielen öffentlichen Debatten in Talkshows & Co. nichts geändert.
In Ihrem Buch beschreiben Sie mehrheitlich die Welt der weißen, bürgerlichen Mittelschicht. Ist diese Form der gegenseitigen Anfeindungen ein Phänomen der gut ausgebildeten Mütter, die sich auf dem Spielplatz mit ihrem Nachwuchs langweilen?
Ganz klar: Nein. Ich habe sehr viele ganz unterschiedliche Mütter interviewt. Zudem habe ich in Internetforen und zahlreichen Kursen – Geburtsvorbereitung, Rückbildung, Pekip, Babyschwimmen, Krabbelgruppen- recherchiert. Darunter waren sowohl Akademikerinnen als auch Alleinerziehende, Hartz 4-Empfängerinnen, Mütter mit drei und mehr Kindern, Studentinnen, Mütter aus den alten und aus den neuen Bundesländern, Mütter, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind oder als Aushilfe oder auf Minijob-Basis arbeiten, Geschiedene, Unverheiratete, Frauen, die sehr jung Mutter geworden sind oder auch Spätgebärende.
Vom Mütterterror waren sie alle betroffen und fast alle haben auch Mütterterror ausgeübt. Unterschiede bestanden in den jeweiligen “Reizthemen”. Alleinerziehende Mütter wurden eher von Äußerungen gegen Alleinerziehende verletzt. Berufstätigen Müttern – insbesondere aus den alten Bundesländern – machte die Kritik an der Kinderbetreuung zu schaffen. Mütter aus den neuen Bundesländern brüsteten sich öfter mit der Sauberkeitserziehung.
Gibt es denn ein Thema, das Mütter von Ost bis West eint?
MütterterrorChristina Mundlos, Tectum Verlag 2013, 19,90 Euro
Auffällig war, dass kaum eine Mutter vom Stillterror verschont blieb. Dieser trifft einfach durch die entsprechenden Gesetze und die Art und Weise, wie Krankenhäuser und Hebammen mit dem Thema “Stillen” umgehen, alle Mütter mit der gleichen Wucht. Egal, welche Nationalität sie haben oder aus welcher Schicht sie stammen: Mütter, die nicht stillen wollen oder können bzw. nicht voll oder nicht so lange, wie von ÄrztInnen und Hebammen empfohlen wird, erleben einen Spießrutenlauf. Schnell steht der Vorwurf im Raum, keine gute Mutter zu sein – und das wollen wir doch alle unabhängig vom Einkommen oder der Bildung: eine gute Mutter sein.
Elternschaft und Mutterschaft haben Konjunktur und unterliegen einer starken Professionalisierung. Wie erklären Sie sich diese Fokussierung auf den Nachwuchs?
Erst mal kann man schauen, was die Wirkung dieser Professionalisierung ist: je anspruchsvoller der Job als Mutter wird, desto schwieriger wird es eine Berufstätigkeit damit zu vereinbaren.Wir haben in unserer Gesellschaft bestimmte antifeministische, konservative Strömungen, die Frauen und Mütter am liebsten aus dem Berufsleben fernhalten würden. Und man kann fragen, wer von diesen Versuchen, Müttern mehr Aufgaben zu verschaffen und die Kinder und die Mutter-Kind-Beziehung permanent zu “optimieren”, profitiert: es steckt eine Milliardenindustrie hinter Elternratgebern und Babykursen. Mit der Unsicherheit von Müttern kann man ein gutes Geschäft machen. Auf der Seite der Mütter stehen gleichzeitig ein schlecht ausgebildetes Selbstvertrauen und die Sehnsucht nach Anerkennung und Wertschätzung. Die Professionalisierung der Mutterschaft verspricht beides: mehr Selbstbewusstsein und mehr Anerkennung.
Welche Hebel müssten in Bewegung gesetzt werden, um Müttern das Leben leichter zu machen? Gibt es da Aufgaben für Politikerinnen und Politiker?
Unsere ehemalige Bundesfamilienministerin, Frau Dr. Schröder, hat den Mütterterror angeheizt. Nach der Einführung des Elterngeldes 2007 wirkte das Betreuungsgeld wie ein gewaltiger Rückschritt. Frau Dr. Schröder hat auch gleich den ganzen Schritt zurückgemacht und das Politische wieder für unpolitisch erklärt. Von ihrer Nachfolgerin, Manuela Schwesig, erwarte ich einige Veränderungen. Ich hoffe, dass ihr die große Koalition genau zuhört, denn ihr Konzept der Familienarbeitszeit ist visionär und grandios zugleich.
Also qualifizierte Betreuung statt Betreuungsgeld?
Zufriedenheit kann sich bei Müttern einstellen, wenn endlich Wahlfreiheit herrscht. Das heißt, dass Betreuungsplätze für Kinder von 0-12 Jahren ausgebaut werden. Insbesondere die Schulkinder werden da die Diskussion der nächsten Jahre bestimmen, da bin ich mir sicher. Viele haben noch nicht erkannt, dass eine größer werdende Welle von Kindern, die ganztags betreut werden sollen, aus den Kindergärten in die Grundschulen rollt – und vielerorts gibt es keine oder nur schlechte Konzepte für die Betreuung dieser Kinder. Zudem müssen Betreuungsplätze erschwinglich sein. Es ist mütterfeindlich und ökonomischer Wahnsinn, wenn Frauen, die arbeiten möchten, zu Hause bleiben, weil sie sich (auch aufgrund immenser Betreuungskosten) damit finanziell besser stellen. Das Betreuungsgeld sollte gestrichen werden zugunsten eines Wiedereingliederungsmanagements. Wir sollten den Vaterschutz einführen – wie er von der EU gefordert wird. Das Säuglingsnahrungswerbegesetz muss überarbeitet und entschärft werden. Hebammen, ÄrztInnen und Stillberaterinnen müssen für die Bedürfnisse von Stillenden UND Nicht-Stillenden Müttern sensibilisiert werden. Darüber hinaus halte ich die Frauen-Quote und die Angleichung der Gehälter von Männern und Frauen für unerlässlich.
Vielen Dank Frau Mundlos!
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