In der Ukraine geht es für den interessierten Mitteleuropäer schon lange nicht mehr um Demokratie. Hier wird ein Boxer zum Führer und die verknappten Antworten der Medien schaffen eben auch nur ein äußerst einseitiges Bild. Deshalb fragte Volly Tanner nach - und zwar eine Frau, die etwas genauer hinschaut, weil sie es eben auch persönlich betrifft. Die ehemals in Leipzig aktive Olga Lomenko, die jetzt Katsaros heißt, gab Auskunft.
Hallo Olga – hier in Leipzig kennen Dich die Kulturinteressierten noch unter Deinem Mädchennamen Lomenko als Bühnenstar, Diva und Gesangsfeuerwerk. Jetzt hast Du geheiratet und lebst und arbeitest als Olga Katsaros in Esslingen, betrachtest und kommentierst aber die Bewegungen in Deinem Geburtsland, der Ukraine, über die sozialen Netzwerke. Wie stellt sich für Dich die derzeitige Lage dar?
Hallo Volly, erstens: vielen Dank für die Möglichkeit, mich zur Lage in der Ukraine zu äußern. Zweitens: Trotz hoher Emotionalität werde ich versuchen, ohne Polemik auszukommen. Zu Deiner Frage. Was gerade in der Ukraine stattfindet, ist ein Putschversuch gegen die Regierung des demokratisch gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch (“Partei der Regionen”) und grobe Einmischung seitens der USA und der EU in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates.
70 bis 80 % aller Demonstranten in Kiew stammen aus dem Westen der Ukraine. Allein Lvov / Lemberg gibt täglich zwischen 11 und 35 Tausend Griwna (1.000 bis ca. 3.300 Euro) aus, um den Transport von Menschen nach Kiew und zurück zu gewährleisten. Und dies bereits seit drei Wochen. Der Oberbürgermeister von Lvov Petro Kolodij (“Swoboda” / “Freiheit”) spricht von 50.000 Menschen, die an verschiedenen Tagen in Kiew an den Protesten teilnehmen.
Quellen:
www.oblrada.lviv.ua/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=9&Itemid=96
www.zeit.de/politik/ausland/2013-12/ukraine-protest-swoboda-maidan
www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/ukraine-das-erwachen-der-partisanen-12701001.html
Ähnlich sieht es auch in anderen Städten in Galizien und Bukowina wie Ushgorod, Iwano-Frankowsk, Rowno, Chernowtzy usw. aus. Dazu muss man sagen, dass die kommunalen Kassen in den Städten und Gemeinden im wirtschaftsschwachen westlichen Teil der Ukraine klamm bis leer sind. Die Finanzierung der gesamten Majdan-Logistik wirft Fragen auf: Transportkosten, Redner- und Konzertbühnenpacht, die Versorgung der Demonstranten mit den abertausenden Ukraine- und EU-Flaggen, mit “Mein-Täglich-Gulasch” sowie warmen und wärmenden Getränken für alle, Übernachtungs- und Sanitäranlagenkosten und deren Reinigung usw.. Eine Revolution ist ein teures Unterfangen.
Dass Victoria Nuland, Barack Obamas Europa- und Eurasien-Beauftragte, den Demonstranten auf dem Majdan-Platz medienwirksam eine Riesen-Tüte Kekse spendiert, zeugt nicht nur vom Fehlen des diplomatischen Taktgefühls. Es bleibt der Beigeschmack eines Zoo-Besuchs. Das berühmte Zitat wird hier neu interpretiert: “Fresst, damit die Revolution euch nicht frisst”. Eine groteske und zynische Aktion. Die Opposition verliert das Misstrauensvotum gegen die Regierung, akzeptiert diese Niederlage nicht, verweigert sich den Gesprächen mit der “Partei der Regionen”, lehnt politische Kompromisse ab und ruft zum unerbittlichen Kampf auf: “Wir zwingen die Janukowitsch-Bande zum Rücktritt, wir wollen die Revolution”, so Vitali Klitschko.
In der Ukraine geht es für den interessierten …
Da wird die Demokratie in der Ukraine neugeschrieben. Die EU und die USA drücken auf “gefällt mir”. Wobei: Es gibt keine Berichte aus dem Zentrum, dem Osten der Ukraine und aus der Krim. Was wollen die Menschen dort? Geht es auf dem Majdan überhaupt um die Menschen? Geht es dort wirklich um die Demokratie? Die Fragen werde ich später beantworten.
Die in der BRD regierende CDU bietet dem Boxchampion Klitschko und seiner politischen Karriere eklatant Schützenhilfe, beratend und finanziell. Was sind die Hintergründe? Warum wird Klitschko so protegiert?
Die politische Karriere von Vitalij Klitschko begann bereits während der “Orangenen Revolution” und seiner Unterstützung von Wiktor Juschtschenko. In der Zeit, in der sich Juschtschenko und Timoschenko immer mehr zerstritten, wuchs der Einfluss von Janukowitsch und seiner “Partei der Regionen”. Diese Partei wird von mehreren Oligarchen unterstützt, was in der Ukraine genauso legitim ist, wie der Lobbyismus in Deutschland und der EU. Außerdem schließt sie die NATO-Mitgliedschaft aus, tritt in Russland freundlich auf und pflegt in der Obersten Rada Kontakt zu den Kommunisten.
Aus der Sicht des Westens also – eine Partei, die man nur schwer akzeptieren kann. Der Wind weht, wie auch im Jahr 2004, aus den USA. Deutschland ist das aktivste Fähnchen, das in diesem Wind flattert. Beide sprechen aus einem Mund, wenn es um die Ukraine und Russland geht. Eine eigenständige Meinung Deutschlands ist nicht zu erkennen. Im Jahr 2010 wird Klitschkos Partei “Udar” gegründet. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist Mitbegründer und -finanzierer der Partei. Auf der Homepage von “Udar” finden sich auch weitere Partner wie International Republic Institute (IRI, Sitz in Washington; Vorsitzender US-Senator John McCain) und National Democratic Institut (NDI, Sitz in Washington; Vorsitzende ist die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright).
Sowohl die KAS als auch die beiden US-amerikanischen NGOs beteiligten sich aktiv an den Farbrevolutionen: 2003 in Georgien (“Rosenrevolution”), 2004 in der Ukraine (“Orangene Revolution”) und 2005 in Kirgisistan (“Tulpenrevolution”). Die rechtsliberale Partei Primero Justicia ist auch Partnerpartei der KAS in Venezuela. Die Primero Justicia war 2002 an dem Putschversuch gegen den Präsidenten Venezuelas Hugo Chavez beteiligt. Im Februar 2012 wurde von der ägyptischen Regierung der Vorwurf erhoben, dass mehrere NGOs an einer “ausländischen Verschwörung” gegen Ägypten beteiligt seien. In der Folge wurde für den Repräsentanten der KAS in Ägypten Andreas Jacobs und eine deutsche Mitarbeiterin Reiseverbot erteilt.
Quellen:
http://klichko.org/en/about/partners
www.kas.de/bruessel/de/publications/30613/
www.ndi.org/node/19405
www.iri.org/countries-and-programs/eurasia/ukraine
Vitali Klitschko sagt, er liebe sein Land, er sei ein Patriot. Bei so viel USA-Deutschland-Einfluss auf seine Partei “Udar” erscheinen seine Liebesbekundungen unglaubwürdig. Selbst bei Klitschkos Sport-Stiftung “Fight for your dream” (http://www.klitschkofund.org) findet sich unter den Partnern wie Adidas, Siemens und weiteren Firmen die KAS, als einzige politische Stiftung. 2015 wird in der Ukraine gewählt. Falls es vorher nicht zum Sturz der Regierung kommt. Momentan hat Klitschkos Partei 17 % Unterstützung im Westen der Ukraine, 8 % im Zentrum, 4 % auf der Krim und 2 % im Osten der Ukraine.
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