Palästinenser als Versuchskaninchen für israelische Kriegswaffen, das Primat der Banken und der Finanzwirtschaft über die Politik und die daraus resultierende Occupy-Bewegung - all diese Themen sind geeignet antidemokratische Tendenzen anzuprangern. Es ist jedoch der Sinn einer jeden Jury, eine eigene Entscheidung zu treffen, die in diesem Jahr auf den Film einer Exil-Iranerin fiel, die sich auf die Suche nach ihren Mitstreiterinnen der Revolutionsbewegung der späten 70er Jahre macht.
Fünf ihrer Genossinnen aus einer linken regimekritischen Bewegung stellt Regisseurin Nahid Persson Sarvestani vor, alle teilen ein Schicksal: Sie waren nach dem Sturz des Schah lange inhaftiert. Lediglich die Filmemacherin entging diesem Schicksal, ihr jüngerer Bruder starb lieber, als ihren damaligen Aufenthaltsort zu verraten, was Sarvestani noch heute Schuldgefühle bereitet. Sie scheut sich nicht selbst vor die Kamera zu treten und auch ihre Emotionen offenzulegen, was den Film umso bewegender macht. Neben den Schuldgefühlen am Tod ihres Bruders ist dies auch ein Gefühl, nicht mehr zu Gruppe der ehemals Inhaftierten zu gehören, weil sie von vielem verschont blieb.
Diese erzählen mit dem heutigen Abstand von 22 Jahren sehr freimütig von der körperlichen und seelischen Folter, die sie erdulden mussten. Dynamisch wird dies, weil die Frauen nicht einzeln nach dem ausgetretenen Guido Knopp-Schema befragt werden, sondern sich für den Schlüsselteil des Films alle in Sarvestanis Haus aufhalten. Eine dieser fünf ist Monireh Baradaran, die in Deutschland lebt und sich als Menschenrechtlerin engagiert. Sie ist es auch die am Freitagabend den Preis “Leipziger Ring” der Stiftung “Friedliche Revolution” in der Nikolaikirche stellvertretend entgegennimmt. “Ich habe den Film heute das erste Mal auf einer Leinwand gesehen, wenn ich mich selbst von außen sehe, nehme ich automatisch eine gewisse Distanz zu mir ein. So geht es mir aber auch, wenn ich aus meinem Buch “Erwachen aus dem Albtraum” lese, sagt sie gegenüber L-IZ.de.
Nicht nur im Film macht sie Menschenrechtsverletzungen öffentlich. Auch der noch recht frischen Regierung um Präsident Rohani gegenüber ist sie, was das angeht skeptisch: “1988 gab es ein Massaker an 4000 politischen Gefangenen. Einer der damals von Ayatollah Khomeini eingesetzten Kommissare ist heute der Justizminister und so ist es nicht verwunderlich, dass in den vergangenen zwei Monaten auch schon wieder 150 Hinrichtungen – allerdings nicht nur politischer Gefangener – stattfanden.” Ein Aspekt, den, bei aller Annäherung die westlichen Regierungen, man nicht aus den Augen verlieren sollte.
Diese Äußerungen können als Beispiel dafür gelten, wie selbstbewusst auch die anderen Frauen im Film mit ihrem wahrlich nicht leichten Schicksal umgehen. Teils verarbeiteten sie schon im Gefängnis ihre Erlebnisse künstlerisch. Mit einem Pinsel aus ihren eigenen Haaren und einem Zahnstocher beispielsweise malte Soudabeh heimlich Bilder. Als Farbe mussten Teereste herhalten. Über die meisten Schrecken der Vergangenheit können die Frauen untereinander lachen, eben weil das Zuhause der Regisseurin einen guten Rahmen schafft. Umso stärker wirken die Momente, in denen die Frauen auch heute noch in stille Tränen ausbrechen. Vier von ihnen erlebten die Hinrichtungen naher Verwandter.
In mittlerweile guter Tradition ist also auch in diesem Jahr wieder ein Film gekürt, der zum Nachdenken und Weiterdenken anregt. “Die Finanzierung des Preises war wieder ein Kraftakt, daher gehört unser Dank all jenen, die auch mit kleinen Beiträgen geholfen haben,” sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Friedliche Revolution Rainer Vor. Weitere Projekte der nächsten Zeit sind ein Schülerfilm, der zur Zeit geschnitten und am 20. Dezember uraufgeführt wird, sowie ein schon erhältlicher Kalender, der zum 25-jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution 2014 eine Tageschronik enthält und zu jeder Woche noch ein Ereignis besonders beleuchtet.
Der Internetauftritt der Stiftung Friedliche Revolution:
www.stiftung-fr.de
Eine Übersicht über die Werke von Nahid Persson Sarvestani:
http://realreel.se/wp/?page_id=94
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