Katrin Viola Hartung ist CDU-Mitglied in Leipzig Nord, intensive Facebooknutzerin, Einrichterin und selbst erklärte Autorin der Onlinepetition gegen den Moscheebau. Und verschickt seit gestern, 13. November nunmehr eigene Pressemitteilungen dubiosen Inhalts. Ihre hohe Nähe zur teilweise rechtsextremen "Bürgerinitiative Gohlis sagt Nein" versucht die Moscheegegnerin mittlerweile zu verneinen. Während sie gleichzeitig die genau aus diesen deutschlandweiten Kreisen kommenden 3.364 Unterschriften unter ihre Petition wie einen Beweis für ihr Anliegen vor sich herzutragen versucht.
“Ringparabel” ist die Mitteilung der Leipziger CDU-Vorkämpferin gegen den Moscheebau überschrieben (gesamte Mitteilung Hartungs am Schluss). Dumm nur, dass sie eben nicht von Schiller ist, wie Hartung in der Schule gelernt haben will (in einer Korrekturmitteilung ist ihr der Faux Pas dann doch noch aufgefallen). Wie Goethe einst jedes nicht selbst erlebte Wissen lieber an den Wegesrand stellte, als sich mit der Wahrnehmung Dritter zu belasten, gibt es bis heute Menschen, die eben jenen Wegesrand beständig absammeln, um sich mit hohlen Phrasen gegen die Pfeile des als übel empfundenen Geschicks zu wappnen (mal ein Hamlet-Verschnitt zum Aufwärmen).
Was also macht man mit teils gewollter Unwissenheit, die sich mit religiösem Eifer gepaart auf ein Objekt einschießt, als ob es in Leipzig keine andere, eher sozial geprägten Probleme gäbe und genau hier die letzte Schlacht zu schlagen ist? Lacht man und setzt sich dem Vorwurf aus, die längst geflügelten “Ängste der Bürger” nicht ernst zu nehmen? Ängste, weil da zwei Minarette auf zwölf Meter, einer Höhe eines normalen Mietshauses, gezogen werden sollen? Oder befasst man sich, wie hier oft genug geschehen, wirklich damit? Sagt man, (Video am Ende) das Ahmadis und Juden in der Nähe von Jerusalem friedlich beieinander wohnen? Hört der Taube dann besser zu? Ist es noch wichtig für die Leipziger Moscheegegner in ihrem Kreuzzug gegen “den Islam” zu erfahren, dass 1974 saudi-arabische Islam-Gelehrte die Ahmadis als “Nicht-Muslime” deklariert und ihnen 1976 den Zugang nach Mekka verweigert haben? Interessiert es den Blinden, wenn er sehen soll, dass in Pakistan radikale Islamisten Ahmadis angreifen und versuchen zu töten, die Stätten der Reformgemeinde brandschatzen und ihre Gotteshäuser anzuzünden? Ist noch Platz für die Differenzierung zwischen radikalen Islamisten und Muslimen?
Stehen auf einmal Christen in Leipzig an der Seite der Taliban, radikaler Salafisten und den längst zündungsbereiten, rechtsradikalen Deutschen im NPD-Umfeld nur um Recht in der Verirrung zu behalten? Tun sie das vielleicht, weil ihre Privilegien durch die erste muslimische Körperschaft öffentlichen Rechtes in Frage gestellt werden, weil der Entzug von Steuervorteilen und Posten oder die Gleichstellung der ersten muslimischen Gemeinde in Deutschland droht?
Darf man das Lesen der Bibel, der Thora und des Korans, im Wissen darum, wovor Bürger in Zeiten platzender Wachstumsversprechen wirklich Angst haben, voraussetzen? Nützt Information gegen eine offenbar gewollte Aufwiegelung breiter Schichten auch in dieser Stadt? Versteht auch nur einer der Moscheebaugegner diesen Text?
Ist es sogar eben diese Aufwiegelung, auf die Viola Hartung und damit die zusehende CDU Leipzigs setzt, wenn sie ihrer Pressemitteilung die Schlüsselstelle, die Ringparabel aus Gotthold Ephraim Lessings “Nathan der Weise” an den Anfang Ihres Beitrages zur vorgeblichen Religionsdebatte in Leipzig stellt? Und das Jahrtausendwerk der Aufklärung anschließend Schiller in die Schuhe schiebt, ganz so, als ob es egal ist, seit wann die Aufklärung bereits gegen die Stumpfheit anrennt?
Und warum eigentlich nicht auch Friedrich Schiller, aber eben dann aus den “Kallias-Briefen”: “Das erste Gesetz des guten Tones ist: Schone fremde Freiheit. Das zweite: Zeige selbst Freiheit. Die pünktliche Erfüllung beider ist ein unendlich schweres Problem, aber der gute Ton fordert sie unerläßlich, und sie macht allein den vollendeten Weltmann.” (Jena, 23. 2. 1793)
“Du rettest den Freund nicht mehr – rette das eigene Leben!” mag es bei manchem Abitouristen angesichts des Namens Schillers glöckeln. Oder auch – “denk ich an Deutschland in der Nacht …”, wobei dann wiederum nicht Schiller, sondern Heine zu verhaften wäre. Die Frage nach dem einen Ring, der einen Religion hat der Leipziger Universitätsbenutzer Lessing gestellt und auch durch den jüdischen Gelehrten Nathan weise beantworten lassen. Eine Antwort, der Katrin Hartung angesichts ihrer Aktivitäten rings um einen Moscheebau offensichtlich längst nicht mehr folgen kann. Was, folgt man Lessings Parabel, nur negativ für ihre Auslegung der Konkurrenz der Religionen ausgehen kann. Denn wenn “der Richter” in “tausend und tausend Jahren” wieder auftritt, wird nicht die Aggression der einen gegen die andere Religion, sondern der Wert des Selbstgeschaffenen beantwortet. Vielleicht sogar, ob es den originalen Ring je gab?
Wo schon die falsche Zuweisung des einen der drei bislang genannten Aufklärer das Bildungs-Dilemma rings um die derzeitige Debatte zum Moscheebau der Leipziger Ahmadiyya-Gemeinde offensichtlich machen könnte, ist es die von Hartung selbst missbrauchte Ringparabel, welche diesem Irrsinn aus Eifer und Streitlust die Richtung zeigt. Und auch, dass hier Religion, ihre Geschichten und die Aufklärung Lessings benutzt werden sollen, um Vorurteilen das Wort zu reden und klar Front gegen den Moscheebau zu machen. Denn gerade die Ringparabel stellt sich damit wie ein schier unüberwindbarer Findling in den Weg der Verfasserin der Pressemitteilung, der CDU, der gesamten Moscheegegnerschaft.
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Denn es gibt eben keine eine Religion, wie Hartung irritierenderweise dann doch noch feststellt, auch wenn sich vor allem das katholische Christentum in Deutschland nach wie vor Sonderrechte wie Steuervorteile, Staatsgelder in Höhe von über 400 Millionen jedes Jahr und Einfluss in Räten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gönnt. Es gibt nur Angst vor Fremdem oder die geistfreie Kraftlosigkeit, sich damit zu befassen.
Und es gibt für die Toleranten unter den Gläubigen nur den einen Gott für alle die, welche den Glauben an die monotheistischen Buchreligionen im Herzen tragen. Der Ring des humanistischen Nathans oder besser die drei sind das, was sie für Eiferer nie sein können – eine stete Mahnung, darauf zu achten, dass die eigene Religion eine offene, kluge und gütige ist. Denn in eben jenen “tausend mal tausend Jahren” wird darüber von einem klügeren Richter befunden, wer wohl den einen, richtigen Ring hatte, der die Denk- und Lebensrichtung “Gott gefällig” werden ließ. Als Atheist darf man ahnen, dass es in einem befreienden Gelächter enden wird, als wahrer Christ ist es erste Pflicht die eigene Schwelle beständig sauber und das Haus offen zu halten.
Und hier freut sich Katrin Viola Hartung als Christin darauf, dass es nach ihrem Kampf gegen die Moschee in Gohlis nun eine “hohe Diskussionskultur” um den Moscheebau geben möge? Zum Beispiel über die Frage, wie die Ahmadis zu anderen Religionen in unserer Stadt stünden? Nichts gegen diese immerwährende interreligiöse Frage – wenn sie wie eine Forderung zur Erklärung daherkommt, ist es Zeichen einer überheblichen Haltung. Als ob sich mit einem Mal die eine der anderen Glaubensrichtung der anderen zu erklären und eine Heimstatt zu erbitten hätte? Unnötig fast zu erwähnen, dass sie “Golhis” der offensichtlich von ihr täglich konsumierten Zeitung mit den vielen Bildern folgend, umbenennen muss, wenn sie von “Zeitungsumfragen” zum Moscheebau spricht.
Welche Anmaßung im Ganzen. Vor Gott und vor der Aufklärung. Nein, die Ringparabel ist eben kein “Traum”. Sie ist humanistische Grundschule.
In seinen religionsphilosophischen Schriften argumentierte Lessing gegen den Glauben an die Offenbarung und gegen das Festhalten an den “Buchstaben” der Bibel durch die herrschende Lehrmeinung. Dem gegenüber vertraute er auf ein “Christentum der Vernunft”, das sich am Geist der Religion orientierte (wiki). So wie nach derzeitiger Informationslage die Ahmadis es mit Vernunft und ihrem Buch der Bücher versuchen. Lessing wäre heute wohl beim demokratischen Eintreten für die 70-köpfige Leipziger Ahmadiyya-Gemeinde in erster Front gegen diese grassierende Dummheit und den geradezu grausamen Umgang mit einst Gedachtem und geschriebenen Zeilen aufgestanden. Heine zur einen seiner Seiten, Schiller wie immer voran und Goethe hätte natürlich das Schlusswort behalten.
Das Wort erbärmlich würde in jedem Fall durch die Gassen hallen.
Frieden im Nahen Osten? Eine Sendung von Israelheute
Videosendung auf Youtube (Deutsch) zum Leben der Ahmadis bei Jerusalem
Moscheebau Gohlis- Petition mit über 3300 Unterschriften Oder die Frage: Ist die Ringparabel ein Traum?
In der Schule habe ich im Deutschunterricht zum ersten Mal von der Ringparabel gehört. Schiller beschreibt in seinem Werk “Nathan der Weise” die Geschichte eines Mannes, der drei Söhne hat, aber nur einen Ring. Als Initiatorin der Petition gegen den Bau der Moschee in Golhis, durch die Achmadiyya Gemeinde, geht es mir in erster Linie um die Frage, ob hier ein geeigneter Standpunkt zum Bau vorhanden ist.
Ich befürworte ausdrücklich die Mitteilung der CDU Leipzig vom 12.11.2013 und unterstütze das Vorhaben, sich kritisch mit dem Standort auseinander zu setzen. Dies ist ein klares Zeichen, dass sich die CDU Leipzig ehrlich mit dem sehr sensiblen Thema auseinandersetzt. Mein Wunsch ist, dass der CDU hier auch die anderen regierenden Parteien im Rathaus Leipzig folgen und gemeinsam nach einer Lösung mit den Bürgern und der Gemeinde suchen.
Dies war und ist auch Anliegen meiner Petition, mit welcher ich nunmehr schon über 3300 Unterschriften sammeln konnte. Von den Aktivitäten der Bürgerinitiative Gohlis distanziere ich mich klar – und lehne dortige rechtsextremistische oder beleidigende Bestrebungen klar ab. Ich lasse mich nicht in eine rechte Ecke drängen und wehre mich gegen jegliche Instrumentalisierungsversuche durch die NPD oder andere rechte Kräfte.
Als Christ setze ich mich insoweit kritisch mit der AMJ auseinander, als dass ich offene Fragen habe. Zum Beispiel, wie die AMJ zu anderen Religionen in unserer Stadt steht. – Und freue mich auf eine hohe Diskussionskultur.
Meine Äußerungen dem LVZ Redakteur gegenüber dürfen allenfalls als überzogen und nicht relevant in der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Kontext dargestellt werden. Dies bitte ich dringend zu beachten, da ich vom Interview KEINE Kenntnis hatte. Quintessenz ist für mich: Keiner kann von sich behaupten, dass er an die richtige Religion glaubt. Ein jeder Glauben steht für sich, auf gleicher Stufe. So, wie es Schiller beschrieben hat.
Leipzig, am 13.11.2013
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