Manche Kleingartenanlagen haben eher den Charakter einer preußischen Kaserne als den einer Versammlung Gleichgesinnter, die Natur im eigenen kleinen Garten erleben wollen. Mit allem, was zu einem Garten dazugehört. Obstbäumen zu Beispiel. Doch mancher Kleingärtner schleppt sein häusliches Revierverhalten auch mit in die Gartenkolonie. Da stört dann auf einmal der gesunde, große Obstbaum im angrenzenden Garten. Der Baum wirft Schatten, er ist etwas zu nah am Zaun, er soll weg.
Auf engem Raum wollen Gartenfreunde – so die offizielle Anrede der Leipziger Kleingärtner untereinander – ihre teilweise sehr unterschiedlichen Interessen ausleben. Dem einen geht es um gesunde Ernteerträge, dem anderen vor allem um Ruhe und um Entspannung, noch einem anderen um eine natürliche Umgebung für die Kinder, einem weiteren um den gepflegten Anblick. Nachbarkonflikte können dadurch entstehen.
Wenn Ende September die Brutschutzzeit, die vom 1. Mai bis zum 30. September dauert, endet, gibt es dennoch keinen Grund, große Obstbäume im Kleingarten entfernen zu sollen oder zu müssen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich jetzt für den Erhalt von Kirschbäumen in einem einzelnen Fall in einem Kleingarten erfolgreich eingesetzt. Bäume im Kleingarten sollen dem originären Zweck von Kleingärten entsprechen, dann dürfen diese auch nicht entfernt werden, wenn sie eine gewisse Größe haben, findet Norman Volger, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion.
Und er betont dazu: “Große alte Obstbäume prägen auch die Atmosphäre der Gartenanlagen und machen sie attraktiver für viele Kleingärtner und Besucher. Viele Vögel und Insekten finden hier Nahrung und Quartier. Große Bäume gleich welcher Art filtern die Luft, lindern im Sommer die Hitze und sorgen dafür, dass die Luft nicht zu trocken ist. Das alles dient der Gesundheit nicht nur der Kleingärtner sondern auch der Bewohner der Wohngebiete in der weiteren Umgebung. Also: Erhalten und wertschätzen wir gemeinsam die wertvollen Baumbiotope in unseren Kleingartenanlagen.”
Dabei geht es den Grünen nicht nur um Kirschbäume. 2011 reichten sie einen Antrag in der Ratsversammlung ein, der Leipzig zu einem Wettbewerb “Ökologisch wertvoller Kleingarten in Leipzig” verhelfen soll. Es brauchte zwar etliche Beratungsrunden im Stadtrat, im Fachausschuss Umwelt und Ordnung und auch im Kleingartenausschuss, bis der Antrag am 10. Juli 2013 endlich beschlossen werden konnte. Aber das Anliegen fand auch bei Leipzigs Kleingärtnern Gehör. Nicht bei allen. Aber bei den anderen soll er ja ein Umdenken auslösen. Denn anerkanntermaßen spielen Leipzigs Kleingärten eine wichtige Rolle nicht nur für Flora und Fauna, sondern auch für Luftqualität und Klimaschutz. Es gibt 278 Kleingartenvereine in Leipzig, in denen 38.598 Parzellen bewirtschaftet werden.
“Kleingärten können einen wichtigen Beitrag für die heimische Artenvielfalt und den Artenerhalt leisten. Die natürliche Umwelt der Großstadt Leipzig wird verringert durch die weiter fortschreitende Reduzierung unbebauter Flächen und die Vollsanierung von Gebäuden. Damit einher geht als Negativergebnis der Verlust von Lebensraum für Vögel, Insekten und Kleintiere. Aber auch die zunehmende Ansiedelung exotischer Pflanzen und Tiere verändert unsere hiesigen Lebensräume”, schrieben die Grünen 2011 in ihrem Antrag. “Um zur ökologisch-sensiblen Komplexität zu sensibilisieren, diese zu unterstützen, gute Beispiele zu würdigen und zu verbreiten sollen dieser Wettbewerb und diese Auszeichnung ausgelobt werden. Kleingärtner/innen, die sich durch eine naturnahe von der bisher gängigen Bewirtschaftung abheben, ohne Regeln zu verletzen, sehen sich vereinzelt dem Unverständnis der Gartennachbarn ausgesetzt. Diese Pächter/innen in Kleingartenvereinen legen neben der gesunden und schadstofffreien Bedarfsdeckung an saisonalem Obst und Gemüse nach biologischen Kriterien auch auf Naturschutz besonderen Wert.”
Die Grünen wollen damit natürlich auch die Idee einer anderen, umweltschonenden Art der Gartenbewirtschaftung unterstützen: “In solchen, nach ökologischen Gesichtspunkten gestalteten und gepflegten Gärten wird dem natürlichen Wachstum Raum gelassen. Hierbei wird gleichzeitig auch Natur- und Umweltbildung vermittelt. Pestizide und synthetische Düngemittel sind tabu, Versiegelungen werden sehr bewusst minimal gehalten. Gezielt zugelassener Wildbewuchs dient hier der Artenvielfalt, ist die Grundlage von Kleinbiotopen und der Balance zwischen Schädlingen und Nützlingen. Nisthilfen helfen Vögeln, Fledermäusen, Eidechsen und nützlichen bzw. wie Schmetterlinge einfach schönen Insekten sich anzusiedeln.”
Da lohnt sich auch der Kampf um alte Kirschbäume.
Ausgedacht haben die Leipziger Grünen sich den Wettbewerb nicht selbst. Sie haben sich den Wettbewerb “Naturnaher Kleingarten” im Kleingartenwesen der Hansestadt Rostock zum Vorbild genommen. “Diejenigen, die sich zum Ziel gesetzt haben, eine bunte einheimische Tier- und Pflanzenwelt zurück zu holen, die das natürliche Gleichgewicht bewahren und schützen wollen und damit einen tatsächlichen Beitrag zum Naturschutz zu leisten, sollen dafür ausgezeichnet werden. Ihre Arbeit zum Erhalt der Natur hilft auch selteneren Arten, stabile Bestände zu bilden. Das erhöht auch Spielräume, anderenorts in Biotope einzugreifen, beispielsweise bei wirtschaftlichen Neuansiedlungen, ohne den Bestand seltener Arten in Leipzig zu gefährden”, begründeten sie 2011 ihren Antrag.
Nach dem Beschluss vom Juli 2013 soll es nun ab 2014 den Wettbewerb “Ökologisch wertvoller Kleingarten in Leipzig” geben.
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