Ich will eigentlich nur einiger bekannter Leipziger Gebäude gedenken, als ich gar Wundersames entdecke. Sind das nicht...? Ja, sind es. Leider täuscht mich dagegen mein Blick auf die Straßen nicht. In Leipzig scheinen Fußgänger auszusterben ...
“Back Family” steht in Klebebuchstaben an den Fensterscheiben, darunter der Slogan: “Die heiße Adresse mit Geschmack”. Klingt vielversprechend und passend für meine nachmittägliche und lang ersehnte Einkehr. Als ich den Laden betrete, spricht die Bedienung gerade mit einem jungen Mädchen, das sich auf einem Barhocker offenbar die Zeit vertreibt. Nachdem ich im Laden bin, herrscht Funkstille zwischen beiden. Doch während ich meinen Blick auf das spärliche Kuchenangebot senke, merke ich, wie beide nonverbal kommunizieren. Das Mädchen hinter mir lacht leise. Worüber, erfahre ich nicht und bestelle stattdessen einen Apfelkuchen mit Decke.Für den süßen Rundumschlag ist mir das Angebot schlicht zu dünn. Zudem finde ich nicht heraus, ob hier tatsächlich noch selbst gebacken wird. Der Ladenname lässt nicht darauf schließen und auch der Kuchen nicht, den ich auf dem letzten Stück der Naunhofer Straße verschlinge. Er ist altbacken, ich schätze, er ist heute Morgen nicht mit weggegangen. Der Hunger treibt’s rein, der Geiz behält’s drin. Schade ums Geld.
Schade war es auch um die Gebäude, denen ich mich jetzt langsam nähere, da bei langsam auflockerndem Himmel das Völkerschlachtdenkmal gut zu erkennen ist. Von der Augustinerstraße biege ich rechts in einen weiteren Park ab. Aber wie schon im Güntz-Park und am Gregoryplatz ist hier kein Mensch zu sehen. Wenn ich darüber nachdenke, hält sich die Zahl der Fußgänger, die mir auf meinem Weg von Lützschena bis hierher begegnet sind, in Grenzen. Faszinierend, dass dies in einer Stadt mit 520.000 Einwohnern möglich ist. Vor allem auf den Magistralen wie der Prager Straße oder der Georg-Schumann-Straße musste ich aufpassen, dass ich bei meinen Beobachtungen nicht jemanden anremple, in der Innenstadt sowieso, auch im Rosental und in Gohlis-Süd.Kann man über Lützschena, Stahmeln und Wahren noch sagen, dass ich dort vorwiegend Nebenstraßen gelaufen bin und es zeitig am Tag war, so ist diese Erklärung für den Weg seit der Innenstadt nicht mehr plausibel. Mittlerweile ist es fast 14 Uhr und auf der gesamten Naunhofer Straße, die ich seit der Schönbachstraße laufe, sind mir nur drei (!) Menschen begegnet. Ein Mann, vielleicht frisch in Rente, und ein Pärchen, was über das Kinoprogramm diskutierte. Ansonsten sah ich vor allem Handwerker, die auf Baustellen arbeiteten oder gerade ihr Auto beluden.
Natürlich, der Großteil der Bevölkerung arbeitet, aber es sind auch Ferien. Wo sind die vielen Kinder? Wo sind die Rentner? Wo sind alle? Ist Laufen tatsächlich dermaßen aus der Mode, dass sich der tägliche Fußweg eines jeden auf den Weg von und zum Nahverkehr und von und zur Arbeitsstelle beschränkt, weswegen vor allem auf den Straßen, auf denen Straßenbahnen fahren, Fußgänger zu erleben sind?
Immerhin: Als ich in diesem Park zahlreiche Metallstufen genommen habe, begegnet mir eine Frau, wohl eine Oma, mit ihrer Enkelin. Ausflug zur Etzoldschen Sandgrube. Hier steht wenigstens eine Informationstafel, die ausführlich in die Geschichte des Berges einführt. Ursprünglich sollten hier, wo zur Völkerschlacht auch gekämpft wurde, Gärtnereien entstehen, die den Südfriedhof mit Pflanzen versorgen. Stattdessen kamen von hier Sand und Kies für den Beton, der für das Völki benötigt wurde.
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Und schließlich wurden hier Uni-Kirche und Augusteum sowie die Reudnitzer Markuskirche “beerdigt”. Bis 1989 sei diese Information nicht verbreitet und der Berg ziemlich chaotisch gewesen. Erst danach begann eine Art Rekultivierung, in deren Folge auch an die “begrabenen” Gebäude erinnert wird. Ein Richtungsstein steht direkt neben der Tafel, aber er ist sinnlos, denn aufgrund der ringsumher stehenden Bäume kann man in allen Himmelsrichtungen nichts weiter als Bäume sehen.
Das Denkmal befindet sich auf dem obersten Plateau und stellt ein Auge dar, was ich allerdings umgehe und damit die Klanginstallation verpasse. Meine Beobachtungen haben mich in eine andere Richtung gelenkt: Schon beim Aufstieg zum unteren Plateau des zirka 15 Meter hohen Bergs waren mir rote Marihuana-Stempel aufgefallen. Hier oben waren Aufkleber mit demselben Symbol. Wird bei Etzolds illegaler Drogen gefrönt statt gedacht? Ist die DDR mit ihren architektonischen Maßnahmen nur bekifft zu ertragen?
Das Rätsel löst sich auch beim Abstieg gen Prager Straße nicht auf. Dafür kann ich mich wenig später endlich satt essen und wundere mich nicht mehr über die komischen Blicke anderer …
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