Am heutigen Montag, 17. Juni, jährt sich der Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 zum 60. Mal. Zentral ist dabei die Kranzniederlegung um 15:30 Uhr in der Straße des 17. Juni, zu der das Bürgerkomitee Leipzig e. V. gemeinsam mit der Stadt Leipzig und der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) einladen. Aber auch die Leipziger CDU sieht hier das Manko: Warum werden die Opfer des Aufstands nicht auf dem Südfriedhof geehrt?

Die Leipziger Union zumindest will den Weg dorthin finden. Vertreter von Kreisvorstand und Stadtratsfraktion wollen um 10:00 Uhr an den Gräbern von Opfern des 17. Juni 1953 “diejenigen ehren, die vor 60 Jahren ihren Einsatz für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im kommunistischen Willkürsystem mit dem Leben bezahlen mussten”, sagte CDU-Vorsitzender Robert Clemen. Treffpunkt ist 9:45 Uhr bei Blumen-Kaiser am Südfriedhof. “Bis auf den heutigen Tag gibt es einen Ort, an dem die Funktionäre der DDR-Diktatur besonders herausgehoben bestattet sind. Für die Opfer des 17. Juni 1953 gibt es diesen Ort nicht, obwohl schon 1992 der Stadtrat zu Leipzig eine Umgestaltung des Funktionärs-Ehrenhains beschlossen hat. Bis auf den heutigen Tag haben die auf dem Südfriedhof bestatteten Opfer keinen würdigen Platz und im offiziellen Kalender der Stadt Leipzig keinen Platz zur Ehrung. Die Leipziger Union wird die Opfer dennoch an ihrer letzten Ruhestätte ehren.”

Höchste Zeit also für einen neuen Ruck im Stadtrat, auf dem Südfriedhof etwas zu ändern. Der Vorschlag liegt auf dem Tisch. Der Ehrenhain, der einst mit einer Gedächtnisstätte für die Getöteten im KZ Abtnaundorf begonnen wurde und dann zu einer Graballee der Funktionäre wurde, könnte längst schon umgestaltet sein zu einem Gedächtnisort für alle Opfer der Gewaltherrschaft. Das könnte auch für kommende Generationen sichtbar machen, wie mutige Leipziger unterschiedlicher Konfession und Weltanschauung immer wieder auch ihr Leben dafür einsetzten, eine humanere Gesellschaft zu erstreiten. Sie lägen hier auch in Nachbarschaft von all denen, die schuldlos Opfer der diversen deutschen Gewaltherrschaften wurden.

Was auch eine Mahnung anderer Art wäre: Lasst diese Stadt nicht wieder in die Hände von Diktatoren fallen.

Auch an den offiziellen Gedenkstunden wollen die CDU-Vertreter teilnehmen. “Wir beteiligen uns ebenfalls an der Kranzniederlegung der Stadt in der Straße des 17. Juni. Es ist aber beschämend, wie die Stadt mit den Opfern auf dem Südfriedhof umgeht. Nach 60 Jahren ist es endlich an der Zeit, den Opfern des 17. Juni 1953 einen würdigen Platz auf dem Südfriedhof zu widmen. Der Oberbürgermeister muss endlich handeln”, sagte Robert Clemen.

Am Abend findet die traditionelle Feierstunde der CDU-Ortsverbände Nordwest und Nord am Bismarckdenkmal in Lützschena statt. “Seit vielen Jahren ehren wir die Opfer des 17. Juni mit einer eigenen Feierstunde in Lützschena. Wir gedenken ihres hohen persönlichen Einsatzes für Freiheit und Gerechtigkeit. Die Feierstunde beginnt um 18:00 Uhr”, betont Clemen. Der Präsident des Sächsischen Landtages, Matthias Rößler wird aus Anlass des 60. Jahrestages die Gedenkrede halten. Im Anschluss ist Gelegenheit, bei Musik, Gegrilltem und kühlen Getränken miteinander ins Gespräch zu kommen.

Neun Tote und mindestens 95 Verletzte waren im Bezirk Leipzig im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 zu beklagen. Unmittelbar nach dem Aufstand setzte eine große Verhaftungswelle ein. Von den durch Stasi und Volkspolizei in Leipzig fast 1.000 Verhafteten wurden in den Folgemonaten über 100 Personen – teils in Schauprozessen – zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, einer auch zum Tode.

Im Rahmen der Veranstaltungen zum 60. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 laden Bürgerkomitee Leipzig e. V. und die Wilhelm-Külz-Stiftung auch zu einem Vortragsabend mit der Leipziger Historikerin Dr. Heidi Roth in die Gedenkstätte Runde Ecke ein. Das erste antitotalitäre Aufbegehren am und um den 17. Juni wird ab 18:00 Uhr aus sächsischer Sicht betrachtet. Denn nicht nur in Ostberlin, sondern in der gesamten DDR kam es zum Aufstand.Friedensgebet in der Nikolaikirche um 17:00 Uhr

Am 17. Juni wird auch im Friedensgebet in der Nikolaikirche an den Volksaufstand von vor 60 Jahren in Leipzig und der ehemaligen DDR erinnert. Die zahlreichen Proteste und Demonstrationen einer unzufriedenen Bevölkerung wurden am 17. Juni 1953 von der damaligen Regierung unter Beistand sowjetischer Panzer gewaltsam niedergeschlagen. Das Friedensgebet, das 17:00 Uhr beginnt, steht unter dem Thema “Schließt euch an”. Neben einem Zeitzeugenbericht von Peter Bickhardt werden die Songwriter und Folksänger Wilfried Mengs (Eisenberg, Thüringen) und Rik Palieri (Nashville, USA) zu hören sein. Die Predigt hält Bürgerrechtler und Pfarrer Stephan Bickhardt. Für die sich anschließende Schweigeminute am Gedenkort “Panzerspuren” im Salzgässchen können Blumen mitgebracht werden.

Die Ereignisse vom 16. und 17. Juni 1953 sind auch für Die Linke eine Mahnung

Wahrscheinlich wird man bei der ein oder anderen Gedenkveranstaltung auch Vertreter der Linken sehen. Die die Erinnerung an den 16. und 17. Juni durchaus als Mahnung verstehen, wie Rico Gebhardt, Landesvorsitzender der sächsischen Linken, erklärt: “Mahnung deshalb, weil keine Regierung ungestraft eine Politik gegen das eigene Volk betreiben und erst recht nicht zu Mitteln der Gewalt greifen darf. Der Versuch, Lehren aus den unvergleichlichen Verbrechen des deutschen Faschismus zu ziehen und eine friedliche und gerechte Gesellschaft aufzubauen, war zwar zunächst legitim, scheiterte aber zu Recht daran, dass diesem System die notwendige demokratische Legitimation fehlte. Dieses grundsätzliche Defizit lässt sich auch nicht mit dem Verweis auf den kalten Krieg und die völlige Abhängigkeit der DDR von der Sowjetunion entschuldigen.”

Er sieht es auch als (Arbeits-)Auftrag, “weil wir als Linke den begonnenen und schmerzlichen Weg der differenzierten Aufarbeitung der ganzen deutschen Nachkriegsgeschichte fortsetzen und uns dabei nicht von ideologisch geprägter Geschichtsklitterung, von wem sie auch immer ausgeht, beirren lassen. Die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen bedeutet für uns deshalb, für eine gerechte, demokratisch geprägte Gesellschaft einzutreten. Menschen dürfen niemals durch inhumane Normen wirtschaftlicher, politischer oder gesellschaftlicher Art um eines vermeintlich höheren Zwecks willen bedrückt und bedrängt werden.”

“Runde Ecke” sucht Zeitzeugen, Erinnerungen und Fotos

Wer demonstrierte am 17. Juni vor 60 Jahren in Leipzig? Wer beteiligte sich an den Arbeitsniederlegungen oder Streiks? – Tausende Arbeiter und Angestellte wehrten sich an den Tagen um den 17. Juni 1953 gegen das SED-Regime. Nach dem niedergeschlagenen Aufstand verfolgte die Staatsmacht massiv die von ihr als “Agenten” und “faschistische Provokateure” diffamierten Menschen.

Anlässlich des 60. Jahrestags des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 sucht das Bürgerkomitee nach Menschen, die am und um den 17. Juni 1953 in der Stadt Leipzig, oder im damaligen Bezirk, die Ereignisse der Tage miterlebten oder eingriffen. Auch werden Zeitzeugen, die damals beispielsweise als Mitglieder der Jungen Gemeinde in der Evangelischen Kirche, als Selbstständige oder anderweitig verfolgt wurden, gesucht. Neben persönlichen Erinnerungen sind auch Fotos oder andere Zeitzeugnisse, die mit den damaligen Ereignissen in Verbindung stehen, von Interesse.

Kontakt: Tel. (0341) 9612443 oder mail@runde-ecke-leipzig.de

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