Die Mieten im Leipziger Westen steigen und damit der Druck auf jene, die Schleußig, Plagwitz und Co. einst in die Riege der ?hippen? Viertel aufsteigen ließen. Wer das Wort Gentrifizierung nicht mehr hören kann, nennt es doch einfach mal die Vetreibung von Kreativen, Entdeckern und Pionieren der Stadtteilentwicklung. In Leipzig alles fern. Anne Dietrich hat fürs 3Viertel anderes erlebt.
Wenn Janek Baumer* an seine Wohnung in Schleußig denkt, entstehen in ihm zwei gegensätzliche Empfindungen: Da ist einmal das wohlige Gefühl von Heimat und auf der anderen Seite die Wahrnehmung akuter Bedrohung. Ginge es nach seinem Vermieter, hätte Baumer seine Wohnung schon längst verlassen oder seine Mietzahlungen verdreifachen müssen. Aber der Kulturschaffende bleibt, zum kleinen Preis. Denn Baumer hält die Forderungen für nicht gerechtfertigt. Modernisierungen wurden in der Wohnung nicht vorgenommen, so Baumer.
Es sind reine Instandsetzungsarbeiten, für die der Vermieter nun 200 Prozent mehr Miete verlangt – rechtmäßig wäre gerade einmal ein Zehntel im Verlauf von drei Jahren. “Für mich ist das Mietwucher”, sagt Janek Baumer. Aus seiner vertrauten Umgebung will er sich auf diese Weise keinesfalls vertreiben lassen und geht juristisch gegen den Vermieter vor. Seinen richtigen Namen möchte Baumer deshalb lieber nicht in der Zeitung lesen.
Mietwucher in Leipzig – kann das sein? Immerhin gehört die sächsische Metropole laut aktuellem Mietpreis-Ranking des Beratungsunternehmens Empirica zu den günstigsten Städten Deutschlands. Wie die neueste Bürgerumfrage ermittelte, zahlten die Leipziger im vergangenen Jahr im Schnitt 5,15 Euro Grundmiete pro Quadratmeter. Damit kletterte die Preise seit 2002 lediglich um 30 Cent nach oben. Außerdem stehen nach Schätzungen der Stadt noch mehr als 20.000 Wohnungen leer – Zahlen die eher nach Mietparadies als Alptraum klingen.
Doch auf dem Markt ist Einiges in Bewegung. In den vergangenen Jahren stiegen die Bevölkerungszahlen stark an und die Neu-Leipziger bevorzugen offensichtlich ganz bestimmte Lagen. Schon jetzt gibt es eine erhebliche Spanne zwischen den Quadratmeterpreisen in Ost und West der Stadt: Während in den östlichen Vierteln durchweg weniger als 4,40 Euro Kaltmiete gezahlt wird, gibt es in Schleußig oder Plagwitz stellenweise Wohnungsangebote für acht Euro pro Quadratmeter. Und die Tendenz steigt.
Die Feri EuroRating Services, eine auf Anlagemärkte spezialisierte Ratingagentur, prognostiziert für die kommenden Jahre weiter anziehende Mieten “in guten und sehr guten Lagen der Stadt”, das heißt: im Leipziger Westen. Zusätzlich zur Nachfrage sind besonders die sich aktuell rasant füllenden Baulücken und Hausverschönerungen die Preistreiber in diesen Gebieten. Denn bei einer hohen Neubau- und Sanierungs-Quote steigen die Mieten. “Bei neuen Vertragsabschlüssen kann die Miete frei vereinbart werden”, erklärt Anke Matejka, die dem Mieterverein Leipzig vorsitzt, die Hintergründe. Sie beobachtet insbesondere in den letzten eineinhalb Jahren, dass viele Hauseigentümer sich diese Freiheiten zunutze machen und bei Neubezügen bis zu zwei Euro pro Quadratmeter draufschlagen.
“Wir stehen hier am Anfang einer Welle”, warnt deshalb Roman Grabolle, Mitglied des Netzwerkes ?Leipzig – Stadt für alle? und Mitbegründer der Wohnungsgesellschaft ?Central LS W33?. Er meint damit eine Woge der Verdrängung, in der Stadtsoziologie auch Gentrifizierung genannt. Der Begriff bezeichnet einen Prozess, bei dem Menschen ihr Viertel verlassen müssen, weil die Mieten steigen. Ihren Platz nehmen dann Besserverdienende ein.
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