Noch steht er im Chor der Thomaskirche: der Altar der Paulinerkirche. 1968 noch kurz vor der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli evakuiert, ab 1982 unter schwierigsten Bedingungen restauriert, steht er seit Pfingsten 1993 in der Thomaskirche. Als hätte er immer da gestanden. Doch wie alle Kunstschätze der einstigen Universitätskirche gehört er nach wie vor der Universität Leipzig. Doch die tut sich schwer mit ihrer Kirche.

Sie hat ja wieder eine. Auch wenn das Paulinum erst 2014 mit fünfjähriger Verspätung fertig wird und der Raum im Erdgeschoss unter der Doppelbezeichnung “Aula / Universitätskirche” fungiert. Beide Funktionen soll der Raum erfüllen. Und die ersten Entwürfe Erick van Egeraats nahmen noch viel deutlicher Bezug auf die gesprengte Kirche – die Säulen entsprachen der Säulenanordnung in der alten Paulinerkirche, der Blick zum Chor war frei. Fast schamhaft begann anfangs die Diskussion um die Säulen, die natürlich da und dort den Blick verstellten. Also kürzte sie der niederländische Architekt ein, machte angedeutete Lichtsäulen daraus.

Problem erledigt? – Mitnichten. Auf einmal tauchten – wie aus dem Nichts – Argumente auf, die die klimatischen Bedingungen im neuen Kirchenraum in Frage stellten. Immerhin will man hier die alten Epitaphe der Paulinerkirche wieder aufstellen und aufhängen. Auf einmal aber schien die öffentliche Nutzung dem zu widersprechen. Sind immerhin Kunstwerke – und anders tauchen sie im Sprachgebrauch der Universität nicht auf. Auf einmal wurde – in einem kompletten Neubau – der Einbau einer Glasfront notwendig, mit dem der Hauptraum (die Aula) vom kirchlich konnotierten Raum, dem Altarraum, zu trennen sei. Nur so könnten insbesondere für die im Altarraum untergebrachten Kunstwerke die klimatischen Bedingungen gewährleistet werden, hieß es.4,50 mal 16 Meter groß sind die Flügel der Glaswand, die Chor und Aula trennen sollen. Gesamtkosten dieser Glaswand: 630.000 Euro. Am 2. Dezember 2014 soll die Aula / Universitätskirche feierlich eröffnet werden, nachdem allein der Innenausbau 11,5 Millionen Euro gekostet hat. Mit Altar. Denn der ist ganz offiziell ja nur ausgeliehen an die Thomaskirche. Im September 2012 hat Uni-Rektorin Dr. Beate Schücking den Leihvertrag ganz offiziell gekündigt. Am 1. Januar 2014 kann der Altar ganz offiziell zurückgeführt werden in die nunmehr neue Paulinerkirche.Doch am Dienstag, 14. Mai, zur Vorstellung von Martin Petzoldts Buch zu den Altären in der Thomaskirche machte Thomaspfarrer Chistian Wolff deutlich, dass die Rückführung an eine wesentliche Bedingung geknüpft ist: Der Altar muss auch sofort in der Paulinerkirche aufgebaut und in Nutzung genommen werden. Seit Jahren kämpft er mit namhaften Mitstreitern darum, dass der neue große Raum im Uni-Campus auch als das genutzt wird, als was er konzipiert wurde: als ein Raum mit Aula und Kirchcharakter. Die Fassade, die jedem Betrachter vom Augustusplatz her die Paulinerkirche zeigt, sollte nie nur eine Fassade sein.

Deswegen hätte die Kirchgemeinde St. Thomas der Rektorin auch einen Brief geschrieben, in dem sie die Kündigung des Leihvertrages zwar bestätigt, aber auch genauer nachfragt über den genauen Ort, an den der Alter im September 2014 geliefert werden soll. “Ein Zwischenlager irgendeiner Art kann für uns kein Thema sein”, sagt Wolff. Sinn mache die Rückgabe des Paulineraltars nur, wenn er auch aufgebaut wird. “Immerhin wurde der Alter 1993 auch wieder geweiht. Damit wurde er zu einer ‘res sacra’, einem heiligen Gegenstand”, sagt Wolff. “Und diese Funktion erfüllt er nur, wenn er auch genutzt wird.”

Seine Befürchtung: Die Kustodie der Uni Leipzig behandelt ihn nur als simplen Kunstgegenstand. Wie die Epitaphe und anderen “mittelalterlichen” Kunstschätze der Universität.

“Eine klare Aussage über die Aufstellung haben wir bis heute nicht”, sagt Wolff. “Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die Universität Farbe bekennen muss.” Dasselbe gelte für die Anbringung der Kanzel aus der Paulinerkirche. Darüber existiert sogar ein Vertrag – unterschrieben unter anderem vom damaligen Universitätsprediger Martin Petzoldt.

Wenn der Paulineraltar nicht zur Nutzung im Chorraum der neuen Paulinerkirche aufgestellt wird, macht es für Wolff keinen Sinn, ihn rückzuführen in die Uni-Obhut. Dann kann er auch in der Thomaskirche stehen bleiben. So lange, bis die Universität Standort und Nutzung zusagen kann.

Wozu natürlich auch gehöre, das noch 2013 geklärt wäre, in welcher Form die Aula / Paulinerkirche gottesdienstlich genutzt werden soll. Was Wolff befürchtet ist, dass die Glaswand dauerhaft geschlossen bleibt und so die Zahl der Gottesdienstteilnehmer auch künstlich auf 150 begrenzt werden wird. Jetzt sei die Uni-Leitung gefragt, Farbe zu bekennen. Wenn man die Sache nur dem Kustos überlässt und ansonsten schweigt, wird das Ganze nur eine Kunstausstellung mit geschlossenem Andachtsraum. Was einige Debattanten ja schon gefordert haben.

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