Was sich derzeit hinter den Kulissen beim Ringen um Leipzigs "Wasserstraßen" abspielt, findet genauso auf trockenem Boden statt. Wie wird der Verkehr auf Leipzigs Asphaltstraßen aussehen - dominiert der motorisierte Verkehr auch künftig, so, wie er es jetzt tut? Oder bekommt der so genannte "Umweltverbund" tatsächlich einmal die Priorität, die man zumindest schon mal als Ziel gesetzt hat? Wird das Fahrrad zum beliebtesten Verkehrsmittel?
In der Schnellauswertung der “Bürgerumfrage 2012” ist das Thema genauso wie das Thema Wasserstadt mit dem Mega-Thema Klimaschutz verschweißt. Es brauchte ja tatsächlich nur einen knackekalten März, und aus allen Ecken kommen die Leute, die den Klimawandel gleich wieder zum großen Schwindel erklären. Es ist eine kleine Gruppe. Ein bisschen heterogen, wenn auch nicht wirklich bezifferbar.
Denn eine Frage wie “Befürchten Sie in den kommenden Jahren negative Auswirkungen des Klimawandels für die Region Leipzig?” wird auch von Leuten vorsichtig beantwortet, die mit den Kopf-in-den-Sand-Steckern eher nichts zu tun haben.
Das ist eine Frage, die selbst Wissenschaftler, die sich mit den Klimaveränderungen seit Jahren beschäftigen, sehr, sehr vorsichtig beantworten würden. Denn was heißt “kommende Jahre”? Die nächsten drei, vier, fünf Jahre? Oder doch besser 20, 30, 40? – Selbst die Forscher, die die wesentlichen Modelle für die regionalen Klimaveränderungen entwickelt haben, gehen davon aus, dass die einschneidenderen Folgen erst ab Mitte bis Ende des Jahrhunderts in Mitteleuropa spürbar werden. Auch Klimaprozesse brauchen ihre Zeit, bis sie sich umstellen. Und die Folgen treten in unterschiedlichen Regionen der Erde in unterschiedlicher Form auf.
Es ist also eine mehr als diffuse Frage. Man könnte die Leute auch fragen, ob sie glauben, dass es nächste Woche regnet oder ob die Erdbeeren teurer werden.
Die Frage zeigt auch das Dilemma dahinter. Denn wenn die Veränderungen eingetreten sind, dann sollte sich eine Stadt wie Leipzig darauf vorbereitet und ihre Strukturen angepasst haben. Und da wird es schon komplex. Denn die Anpassung erfolgt in allen Bereichen zugleich in vielen kleinen Projektbausteinen. Die müssen finanziert werden, dazu braucht die Verwaltung die Zustimmung des Stadtrates. Und der sollte wissen, wann er warum nein sagt.
Meistens sagt er das ja, weil die Dinge logisch sind. Wenn das CO2 als Klimakiller eine Rolle spielt, muss man dessen Ausstoß senken. Auf unter 2,5 Tonnen im Jahr 2050, hat die Stadt beschlossen. Das ist eines der Klimaschutzziele, die man auf der Seite www.leipzig.de/klimaschutz findet. Die nicht jeder findet, weil nicht jeder sucht. Nur 7 Prozent der Befragten aus der Bürgerumfrage 2012 haben angegeben, diese Seite zu kennen. Das ist nicht wirklich wenig. – Immerhin 16 Prozent haben schon mal von diversen Klimaschutz-Kampagnen der Stadt gehört.
Man kann sogar fast sicher sein, dass noch mehr davon gehört haben, nur nicht unter dem Titel. Manchmal nehmen sich Ämter mit ihrer Titelei einfach zu wichtig. Auch weil viele Maßnahmen in anderen Programmen stecken – im Luftreinhalteplan, im Verkehrsentwicklungsplan, im Gewässerschutz, im Naturschutz … Das hat auch mit der Frage zu tun: Wie viele Informationen kann sich ein interessierter Stadtbürger überhaupt merken? Was schafft er, sich so fest einzuprägen, dass es einem auch bei einer Umfrage einfällt? – Es ist ein Problem, das auch Leipzigs Stadträte bestens kennen: Die Verwaltung im Rausch ihrer Allwissenheit überflutet Bürger und Stadträte mit meterhohen Bergen an Informationen. Als seien sie Rechenmaschinen, die einfach nur genug Dateninput brauchen, dann spucken sie bei der Entscheidung das richtige Ergebnis aus.
Verwaltungen handeln oft, eigentlich sogar sehr oft irrational.Was heißt das also, wenn 5 Prozent der Leipziger in den “kommenden Jahren” keine negativen Auswirkungen durch den Klimawandel befürchten? – Nichts. Sie werden sogar dann Recht haben, wenn es erste Folgen gibt. Weil die ersten Folgen noch im normalen klimatischen Schwankungsbereich liegen werden – mal so ein polarluftgesättigter Winter wie der letzte, mal ein zu trockener Sommer, mal ein paar Stürme zu viel oder ein heftiger Platzregen im Erzgebirge, der die Weiße Elster anschwellen lässt.
Die Frage und die gegebenen Antworten (9 Prozent der Leipziger befürchten negative Auswirkungen, 56 Prozent sind schwankend), beißen sich nur auf den ersten Blick mit den Antworten auf die Frage “Sollte die Stadt Ihrer Meinung nach mehr für den Klimaschutz tun?”
Hier sagten 35 Prozent “ja”. Weitere 59 Prozent sagten, Leipzig solle weiter so viel tun wie bisher.
Man könnte vielleicht herauslesen, dass sich viele wünschen, die Stadt würde die ganze Arbeit machen, sie könnten die Arbeit für den Klimaschatz an die Kommune delegieren. Junge Leute noch eher als ältere, so scheint es die Altersstatistik auszusagen.
Aber dem ist nicht so. Die meisten Leipziger tun genau in dem Lebensraum, in dem sie täglich unterwegs sind, sehr bewusst Dinge für den Klimaschutz. Junge übrigens mehr als ältere – viele verzichten nicht nur aus Geldgründen aufs Automobil, sondern halten Rad und Straßenbahn sowieso für die besseren Lösungen.
Aber es geht schon zu Hause los: 86 Prozent der Befragten gehen bewusst mit Stromverbrauch und der Herkunft des Stroms um, 85 Prozent trennen ihren Abfall oder versuchen ihn gar zu reduzieren, 81 Prozent versuchen, den Wärmeverbrauch zu senken, 80 Prozent tun es beim Wasserverbrauch. Und diese Zahl ist jetzt schon sehr deutlich: 59 Prozent wählen bewusst die umweltfreundlicheren Verkehrsmittel, 42 Prozent achten beim Einkauf auf Ressourcen-Schonung und 36 Prozent auch bei der Ernährung.
Tatsächlich ist es längst eine Minderheit von 19 Prozent, die sich um CO2-Einsparung und Ressourcenschutz nicht kümmert.
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Man könnte an der Stelle die oben angesprochene Verantwortung der Stadt wieder zitieren. Denn Manches im persönlichen Umfeld ist durch städtisches Handeln vorgegeben – etwa das Wuchern der vielen aufs Auto zentrierten Einkaufs-Center. Was zum Ergebnis hat, dass 53 Prozent der Einkäufe in Leipzig mit dem Pkw absolviert werden. Das ist der selbe Prozentwert wie in der Bürgerumfrage 2011. Dagegen ist der Pkw-Anteil an den Wegen zur Arbeit leicht gesunken – von 49 auf 46 Prozent. Was sogar ein ganz spannender Wert ist. Denn auch der Anteil von Straßenbahn und Bus an den Wegen zur Arbeit ist gesunken – von 26 auf 22 Prozent.
Die Vermutung, dass das schon 2012 mit den saftig gestiegenen Fahrpreisen der LVB zu tun hat, liegt so fern nicht.
Und wie kommen die Leipziger dann zur Arbeit? – Mit dem Fahrrad augenscheinlich. Dessen Anteil an den Wegen zur Arbeit stieg von 17 auf 23 Prozent.
Natürlich ist das jetzt nur ein kleines Blitzlicht in eine kurzfristige Entwicklung. Erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob es hier wirklich einen Trend gibt. Den die Stadt natürlich verstärken kann, indem sie das Radwegenetz tatsächlich sicherer und komfortabler macht. Was den Leipziger Verkehrsbetrieben erst einmal nichts nützt. Sie werden weiter Anteile einbüßen, denn der Stadtrat fand ja auch dieses Jahr nicht die Kraft, dem Preisauftrieb einfach mal eine Bremse einzubauen.
Aber wo wir schon mal beim Fahrrad sind, machen wir morgen an der Stelle auch weiter.
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