Was der Rücktritt des Papstes für die Zukunft der römischen Kurie bedeutet und was für mögliche Veränderungen der katholischen Kirche ins Haus stehen - darüber sprach Moritz Arand, Chefredakteur der 3VIERTEL-Zeitung, mit dem Pfarrer der Katholischen Pfarrei Liebfrauen Leipzig-Lindenau Thomas Bohne.

Die Amtszeit von Benedikt XVI. war geprägt von Turbulenzen. Steht der Entweltlichung der Kirche mit dem Rücktritt des Papstes eine Verweltlichung des Amtes gegenüber?

Es ist auf jeden Fall ein Paukenschlag. Damit hätte überhaupt niemand gerechnet. Ich selbst hielt es für einen üblen Rosenmontagsscherz.

Als der Papst sein Pontifikat begann, hieß es in vielen Kommentaren, Josef Ratzinger sei sicherlich sehr konservativ und deshalb könne man von ihm nichts Außergewöhnliches erwarten. Aber er sei auch immer für eine Überraschung gut, so hieß es damals. Das ist nun passiert. Die Begriffspaare Entweltlichung und Verweltlichung in Bezug auf die letzten beiden Päpste finde ich nicht schlecht. So wie Johannes Paul II. sein Sterben sehr öffentlich gemacht hat, will das Benedikt XVI. mit Sicherheit nicht.

Was bedeutet der Rücktritt für die Zukunft?

Er hat mit seinem Rücktritt sicherlich etwas in Gang gebracht. Der Aspekt, den er damit in Erinnerung gerufen hat ist, dass das Ende des Papstamtes nicht unbedingt biologisch gelöst werden muss. Es muss nicht unbedingt erst der Tod kommen, es ist der freie Wille und das Gewissen, was entscheidet. In dieser Hinsicht ist Benedikt ein sehr moderner Papst. Die Idee vom freien Willen gab es sicherlich schon im Mittelalter aber in dieser Betonung erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965). “Es ist mein freier Wille, dass ich mein Amt niederlege.” Die Formel ist sehr alt, aber dass ein Papst diese in dieser Form formuliert, ist 700 Jahre her.

Was könnten Ihrer Meinung nach die Beweggründe des Rücktritts gewesen sein?

Es gibt sicherlich viele Gründe und die Vatileaks-Affäre halte ich für nicht unentscheidend. Was man nicht unterschätzen soll, ist die Möglichkeit einer Krankheit des Papstes. Ein Mensch wird heute sehr alt und muss vielleicht auch sehr lange mit seiner Krankheit leben. Das spielte vor zwanzig Jahren noch nicht die Rolle, vor 100 Jahren schon gar nicht.

Eventuell hat der Papst eine Krankheit, die ein langes Sterben bedingt. Es gibt auch Beispiele wie geistige Krankheiten eine öffentliche Person verändern können. Ich erinnere nur an den amerikanischen Präsidenten Ronald Regan, der sich in einer Abschiedsrede von der amerikanischen Nation verabschiedet hat. Wenn wir annehmen, der Papst hat eine solche Diagnose bekommen, dann ist solch ein Schritt nur logisch.

Man kann den Rücktritt auch als Erkenntnis des Vatikans verstehen, dass das Alter eine andere Kategorie, eine andere Qualität geworden ist. Die Menschen werden älter, sie werden aber auch wesentlich länger krank.

Ebenso ist die Rücktrittsentscheidung eine Erkenntnis für das Papstamt überhaupt. Ein Rücktritt muss in das Papsttum mit reingenommen werden. Solch ähnliche Überlegungen gab es bereits im Mittelalter. Die Kurie sinnierte damals darüber, was ist, wenn der Papst aufgrund geistigen Verfalls ein Irrlehrer wird. Wenn er zum Beispiel verkündet, Jesus sei nicht auferstanden. Das ist so wie wenn der Opelchef verkündet, BMW ist besser. Wenn das Knochengerüst des Glaubens vom Oberhaupt nicht mehr vertreten werden kann, dann muss es ein Gremium geben, das sagt, jetzt ist Schluss. Das ist im Papstamt noch nicht festgelegt. Bis jetzt liegt die Entscheidung beim Papst.

Das wird in der Zukunft sicherlich diskutiert und geändert werden.

In der Öffentlichkeit standen häufig die Fauxpas, die wissentlich oder unwissentlich fehlformuliert oder missverstanden wurden. Man denkt an die Wiedereinführung der tridentinische Messe, die Regensburger Rede, der Umgang mit der Piusbruderschaft. Wie beurteilen Sie diese Gemengelage?

Die Integration der Piusbruderschaft muss als gescheitert angesehen werden. Es war ein besonderes Anliegen des Papstes, dass auch bei uns auf Unverständnis gestoßen ist. Denn hinter die Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils geht es nicht zurück. Die Leugnung der Shoah durch Bischöfe der Piusbrüder ist absolut widersinnig.

Bezogen auf die Regensburger Rede war er sich sicherlich nicht des Sprengstoffs dieses Zitates bewusst. Er hat einen byzantinischen Kaiser zitiert und dieses Zitat wurde als Papstwort interpretiert. Man hat sich dann auch schnell für das Missverständnis entschuldigt und mit der Reise nach Istanbul waren die Wogen auch wieder geglättet. Manche meinen sogar, dass es sich dabei um einen strategischen Schachzug gehandelt haben soll, um einen Dialog mit dem Islam anzuregen.

Es gibt oft wenig Transparenz hinsichtlich mancher Entscheidungen der römischen Kurie und wenn man Kritik übt, bekommt man relativ wenig Resonanz, mitunter rhetorische Antworten, die ein wenig arrogant wirken? Behindert das nicht die Kirche in ihrer Öffentlichkeitsarbeit und erschwert die Vermittlung ihrer Inhalte?

Was Entscheidungsfindungen kirchlicher Natur angeht muss das nicht sein. Beim Zweiten Vatikanischen Konzil wurde beispielsweise in aller Öffentlichkeit über kirchliche Belange diskutiert. 2000 Bischöfe debattierten 4 Jahre lang. Das war ein öffentlicher Vorgang…

Das Interview lesen Sie in voller Länge in der Märzausgabe der Stadtteilzeitung 3VIERTEL. Diese ist in den Viertel Plagwitz, Lindenau, Schleußig und Leutzsch an vielen Stellen frei erhältlich. Wenn Sie sichergehen wollen, dass Sie die Zeitung auch erhalten, können Sie sich diese gegen eine monatliche Schutzgebühr von zwei Euro ein halbes oder ein ganzes Jahr freihaus liefern lassen.

Bitte füllen Sie dazu das im folgenden Link vorhandene Kontaktformular aus:

www.3viertel.de/Inhalte-Kontakt.htm

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar