Rund 800 Neonazis sind nach Polizeiangaben am Sonnabend durch Magdeburg marschiert. Auf nennenswerten Gegenprotest trafen die Kameraden nicht. Dafür sorgte die Polizei. Die Beamten hüteten das Geheimnis um den Auftaktkundgebungsort der Rechten wie ihren Augapfel. Die Neonazis des "Aktionsbündnisses gegen das Vergessen" hatten ihre Anhänger zu um 12 Uhr zum Hauptbahnhof mobilisiert.
Zwei Stunden früher deutete auf dem Vorplatz nichts darauf hin, dass sich hier über tausend Ewiggestrige sammeln werden. Weit und breit ist kein abgegitterter Sammelbereich. “Ich weiß nicht, wo die sich treffen”, meint ein Beamter auf Nachfrage. Die polizeiliche Pressestelle ist keinen Deut auskunftsfreudiger. Einige Kollegen berichten, sie hätten aus “ermittlungstaktischen Gründen” keine Information erhalten. Andere werden zum Regionalbahnhof Herrenkrug geschickt.
Eine Finte. Kaum ist der angebliche Auftaktkundgebungsort am Stadtrand bekannt geworden, blockieren hunderte Neonazi-Gegner die Hauptverkehrsstraße Richtung Innenstadt.
Tatsächlich jedoch sammeln sich die Rechten in einem Industriepark im Süden der Stadt. Gegen 14:15 setzten sich die 800 Neonazis in Bewegung. Schweigend. Die Route, ein fünf Kilometer langer Marsch durch die Peripherie, ist aus Sicht der Teilnehmer alles andere als attraktiv. Die Dauerschleife aus Wagner-Trash, mit der die Kameraden ihren Marsch untermalen, lässt die Tristesse noch trostloser erscheinen, als sie ohnehin schon ist. Vereinzelt schauen neugierige Passanten, wer durch ihren Stadtteil zieht. “Die verschandeln unser Wohngebiet”, beklagt sich ein Heranwachsender. Er meint die Kameraden, die aus Nord-, West- und Ostdeutschland angereist sind. Unter ihnen neben Szene-Koriphäen wie den Lauchaer NPD-Schornsteinfeger Lutz Battke oder dem Dortmunder Alt-Hool Siegfried Borchardt sogar Teilnehmer aus Österreich, Norwegen und den Niederlanden.
Die Rechnung der Beamten hingegen geht weitgegehend auf. Gegendemonstranten kommen nur vereinzelt an die Aufzugsstrecke heran. Mehrere Kleinstblockaden werden unterdessen von der Polizei geräumt. Als die Kameraden ab 15:30 Uhr ihre Zwischenkundgebung in Sichtweite des Libertären Zentrums genüsslich in die Länge ziehen, schallen von drinnen die ohrenbetäubenden Klänge einer Blaskapelle nach draußen. Vor dem alternativen Jugendtreff lärmen Protestler mit Küchenutensilien. Die Ansprachen der Redner verhallen im Nirgendwo. Dann fliegen von einem Hinterhof Steine. Polizisten haben die Lage schnell im Griff, sprechen von einem Verletzten.
Als die Rechten gegen 16:45 Uhr ihre Abschlusskundgebung beginnen, entzünden einige Teilnehmer Fackeln. Natürlich in Anlehnung an die berüchtigten Fackelmärsche ihrer historischen Vorbilder. In der Szene ein beliebtes Stilmittel, dass nicht über ihre Enttäuschung hinweg täuschen kann. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich Teilnehmerzahl um ein Drittel reduziert. Eine attraktive Route bleibt den Rechten in diesem Jahr ebenfalls verwehrt.
Allerdings nahm die Polizei auch ihren Gegnern beinahe jede Möglichkeit des Protests in Hör- und Sichtweite. Während in der Stadtmitte die Zivilgesellschaft bei der “Meile der Demokratie” mit 10.000 Besuchern vornehmlich sich selbst feierte, versuchten immerhin einige hundert Gegendemonstranten in die Nähe der Strecke zu gelangen. Die Polizei spricht von vereinzelten Ausschreitungen. Aus einer Gruppe von 150 bis 200 Personen seien Flaschen in Richtung Ordnungshüter geworfen worden. Teilnehmer eines anderen Protestzug brannten offenbar einige Rauchbomben und Feuerwerkskörper ab. Vor der CDU-Zentrale in der Innenstadt setzen Unbekannte dann noch einen Container in Brand.
Die Polizei hatte über 2.000 Beamte aus zehn Bundesländern im Einsatz. Die Magdeburger erlebten einen der größten Einsätze in der Geschichte Sachsen-Anhalts. Kommendes Wochenende möchten die Rechten wieder durch die Elbe-Stadt marschieren. Die Veranstaltung dürfte allerdings deutlich kleiner ausfallen als am heutigen Sonnabend.
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