Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) hat genau hingeschaut. "Von der geplanten Rentenaufstockung wird in den neuen Ländern ein Großteil der künftigen Rentner nicht profitieren", kritisiert der Regierungschef das Projekt "Lebensleistungsrente" der schwarzgelben Bundesregierung. Diese Gerechtigkeitslücke Ost nennt er "nicht akzeptabel".
Altersarmut ist in Deutschland schon länger ein Thema mit Breitenwirkung. Der Kreis der Betroffenen wächst, und damit auch die politische Sprengkraft des Themas.
Die drei politischen Parteien, deren Mandat, Deutschland zu regieren, noch ein knappes Jahr läuft, haben nun ihre Problemlösung präsentiert. Lebensleistungsrente nennt sie sich. Klingt fast so, als ob es Altersrenten aus Versicherungen für etwas anderes geben könne als für eine “Lebensleistung”, die in Rentenanwartschaften und Beitragszahlungen gemessen wird. Wohlgemerkt: Solange man sich in versicherungsmathematischen Systemen bewegt.
Doch so weit braucht man die Gedanken gar nicht schweifen zu lassen, um herauszubekommen, dass die Lebensleistungsrente eher zur Überlebensversicherung der Regierung für die ihr verbleibenden Monate taugt, denn zur realen Problemlösung beiträgt.
Zu denen, die den Finger in die Wunde legen, zählt Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. “Obwohl der Freistaat Sachsen die Bundesregierung schon mehrfach auf die speziellen Belange der künftigen Rentner in den neuen Bundesländern aufmerksam gemacht hat, wurden diese mit den Beschlüssen des Koalitionsausschusses nicht ausreichend berücksichtigt”, moniert CDU-Mann Tillich die Beschlüsse der Kanzlerin mit ostdeutscher Herkunft und weiterer seiner christdemokratischen Parteikollegen.
“Von der geplanten Rentenaufstockung wird in den neuen Ländern ein Großteil der künftigen Rentner nicht profitieren”, lautet der Hauptkritikpunkt des sächsischen Regierungschefs. Denn aufgrund der Arbeitsmarktlage verfügten viele im Osten nicht über eine ununterbrochene Erwerbsbiografie mit 40 Versichertenjahren. Tillichs Fazit: ” Es entsteht eine Gerechtigkeitslücke, die nicht akzeptabel ist.”
Deshalb müsse die Bundesregierung an dieser Stelle im beginnenden Gesetzgebungsverfahren nachbessern oder die Regelung “zumindest übergangsweise den Gegebenheiten in den ostdeutschen Ländern anpassen”, erwartet Tillich.Für Sozialverband bietet Koalition kein Konzept gegen Armutsrenten
Andere gehen weiter. Denn sie stellen die Wirksamkeit der Regelung generell in Frage. “Wenn die geplante Aufstockung der Niedrigrenten nur bei zwei Prozent der Geringverdiener ankommt, kann von einem wirksamen Konzept gegen die Armutsrenten keine Rede sein”, sagt Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD): Es ist aus seiner Sicht “schon ein starkes Stück, einem winzigen Teil der Betroffenen 10 oder 15 Euro über der Grundsicherung nach 40 Jahren Arbeit als Lebensleistungsrente zu verkaufen.”
“Für Menschen, die 40 Jahre eingezahlt haben, ist das Sozialamt der falsche Ort”, lobt hingegen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die frisch generierte Lebensleistungsrente. Auch wenn die Ministerin damit rentensystematisch Recht hat, verschweigt sie, dass sie anfänglich wohl mehr wollte.
Grünen konstatieren “Armutsbekämpfung im Nano-Bereich”
Was beim Koalitionsgipfel schlussendlich herausgekommen ist, nennt der bündnisgrüne Rentenexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn “Armutsbekämpfung im Nano-Bereich”. Von denen, die im Alter arm sind, erfülle fast niemand die Anspruchsvoraussetzung von 40 Beitragsjahren, so der Bundestagsabgeordnete weiter. Und macht dabei keinen Ost-West-Unterschied. “Zudem verpufft die Miniaufstockung schon bei denjenigen, bei denen die von der Grundsicherung abgedeckten Wohnkosten nur ganz leicht über dem Bundesdurchschnitt liegen”, rechnet Strengmann-Kuhn vor.
Stattdessen fordert der Grüne eine “Garantierente, die für langjährig Versicherte in der Rente ein Mindestniveau oberhalb der Grundsicherung sicherstellt”.
Kritik auch von den Linken und der SPD
Die Forderung nach einem “vernünftigen Rentenniveau und einer Solidarische Mindestrente” erheben auch die Linken im Bundestag. Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch erinnert zugleich an die unerfüllten Ankündigungen des noch geltenden Koalitionsvertrag aus 2009: “Rente ist kein Almosen. Wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, der hat auch einen Anspruch auf eine gute Rente. Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein”, zitiert der linke Mecklenburger aus dem Arbeitsplan von Union und FDP. ‘
Kritik an der Koalition kommt auch von der SPD. Deren Parteichef Sigmar Gabriel nennt es einen “ziemlicher Zynismus zu sagen, wir erfinden eine Lebensleistungsrente für Menschen, die mehr als 30 oder 40 Jahre gearbeitet haben, und die liegt dann nur 10 oder 15 Euro oberhalb der Sozialhilfe”.
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Gesucht sind also Politiker, die ein armutsfestes Rentensystem zu der Lebensleistung erklären, die sie erbringen wollen. Ein paar Eckpfeiler liegen auf der Hand: Eine Sozialversicherung ist per Definition dazu da, den Versicherten im Versicherungsfall ein Leistungsniveau zu sichern, das oberhalb des Leistungsniveaus für Menschen ohne Versicherungsansprüche liegt. Sonst macht die Versicherungspflicht alsbald keinen Sinn mehr. Daran schlösse sich dann die Frage an, warum man zur Inanspruchnahme der Lebensleistungsrente auch noch privat vorgesorgt haben muss.
Dann wäre da noch die Frage einer hinreichenden und stabilen Finanzierungsgrundlage des Altersicherungssystems. Wenn die geklärt ist, kann auch die Frage der Verteilungswirkungen innerhalb des heutigen Rentensystems auf den Tisch gepackt werden. Denn die Solidargemeinschaft einer Gesetzlichen Versicherung kann bei einer entsprechenden Übereinkunft mehr leisten, als Beitragshöhen und Rentenhöhen als Äquivalente in Beziehung zu setzen.
Eines ist dabei natürlich vorausgesetzt: Deutschland wird bei der Rente nicht länger in einen Rechtskreis Ost und einen Rechtskreis West geteilt.
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