Was stärkt rechtsextreme Grundeinstellungen? - Es sind Ängste und ungeprüfte Vorurteile, die hier latent vorhanden sind. Oder sogar zunehmen, wenn das persönliche Leben auf einmal von wirtschaftlichen Zwängen bedroht scheint. Oder von einer Politik, die den Nerv für die Ängste und Veränderungen längst verloren hat und nur noch mit "Sachzwängen" argumentiert, nichts mehr erklärt und auch nichts mehr gestaltet.
“Gerade in sogenannten Krisenzeiten darf nicht mit Sachzwängen argumentiert werden”, betonen die Autoren in der Kurzzusammenfassung der FES-Studie “Die Mitte im Umbruch”. “Vielmehr müssen die zweifellos tiefgreifenden und vielfältigen gesellschaftlichen Umbrüche aktiv gestaltet werden. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen sozialer Spaltung bzw. sozialstruktureller Desintegration und menschenfeindlichem Denken. Auf europäischer wie auf nationaler Ebene ist es deshalb besonders wichtig, sozio-ökonomische Fragen, also Fragen der Wohlstandsverteilung, als eben solche auszuhandeln. Soziale Konflikte zu ethnisieren, spielt nur dem Rechtspopulismus und der Verbreitung rechtsextremer Einstellung in die Hände.”
Die existenziellen Ängste, die gerade die hier genannten Problemgruppen natürlich haben, suchen sich ein Ventil. Und sie suchen sich das in der Regel dort, wo einfache, “knallharte” Lösungen versprochen werden. Um eine komplexe, pluralistische Gesellschaft auch zur verstehen, braucht es Bildung. Davon wird zwar viel geredet in Deutschland – doch die Betroffenen erfahren allerorten das Gegenteil: einen systematischen Rückbau von barrierefreien Bildungsangeboten.Was die jungen Menschen, die damit – ohne Rückenstärkung oft – zu tun bekommen, als tagtägliche Frustration erleben. Wie sich diese Frustrationen Luft verschaffen, kann man an den abgefragten Dimensionen im Zeitverlauf sehen. Während die Sehnsucht nach einer autoritären Diktatur sogar abnimmt, stieg insbesondere in Ostdeutschland der Faktor “Chauvinismus” deutlich an. Man sucht die eigene Bestätigung, die man über einen persönlichen Erfolg in Bildung, Arbeit oder sozialer Karriere nicht mehr bekommt, in einem diffusen Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Völkern.
Und da man diesen Völkern in der Regel nicht begegnet, wenn das eigene Leben immer mehr auf Jobcenter, Kneipe und Dorfplatz reduziert ist, sucht man diese vermeintliche Überlegenheit direkt im Fremdenhass. Wie sehr das mit der wirtschaftlichen Verwüstung des Ostens zu tun hat, schildern die Autoren der Studie so: “Viel alarmierender aber ist der Trend in Ostdeutschland. Mit jetzt 38,7 % ist der Wert so hoch wie nie zuvor, nachdem er seit 2004 – also zum fünften Mal in Folge – kontinuierlich anstieg. Ein Gegensteuern auf allen gesellschaftlichen Ebenen ist längst überfällig – zumal in einer Region, die mehr als 20 Jahre nach der Wende noch immer mit Abwanderung, massiver Arbeitslosigkeit usw. zu kämpfen hat.”Ähnliches trifft auf den Antisemitismus und den Sozialdarwinismus zu, der hier simpel das Recht des Stärkeren und Brutaleren postuliert.
Ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild attestieren die Forscher nunmehr 15,8 Prozent der Ostdeutschen, ein Prozentsatz, der sich seit 2008 verdoppelt hat. Seit 2006 steigt er, vielleicht sogar seit 2005. Aber da gab es keine Studie zum Thema.
Vielleicht ist es zu weit gedacht, zu sagen: Mit “Hartz IV” wurden die Weichen neu gestellt. Doch gerade für den Osten wurde mit dieser Zäsur ein stillschweigendes Abkommen aufgekündigt. Übrigens nicht nur bei der Unterstützung, Förderung und Integration von Arbeitslosen. Sondern auch bei dem bis dahin immer wieder beschworenen “Angleich der Lebensverhältnisse in Ost und West”. Davon ist seitdem immer seltener die Rede. Dafür dominiert die Aufkündigung von Solidarpakten.
Was nicht nur für den ländlichen Raum im Osten Folgen hat. Das wird – so betonen die Autoren der Studie – auch für die abgehängten im Westen zum Thema.
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Und nicht nur dort: “Alleine mit Strukturproblemen in Ostdeutschland, die auch 20 Jahre nach der Wende nicht adäquat angegangen werden, lässt sich diese Zunahme nicht erklären. Blicken wir in die europäischen Nachbarländer, aber eben auch in bestimmte Regionen in Deutschland, so stimmen die enorme Jugendarbeitslosigkeit und die insgesamt unsicheren Aussichten der Menschen pessimistisch, gerade was die (regionale) Verbreitung rechtsextremer Einstellung betrifft. Die Brisanz dieser Situation darf keinesfalls unterschätzt werden.”
Dabei ist die Akzeptanz für die Demokratie sogar im Osten wieder gewachsen – von 88 auf 92 Prozent.
Manches deutet darauf hin, dass die Entwicklung rechtsextremer Einstellungen auch immer direkte Folge politischer Entscheidungen oder Verlautbarungen ist. Wo politische Entscheidungen, die als “alternativlos” verkauft werden, eigentlich nur gesellschaftliche Verwerfungen zukitten, wächst das Misstrauen. Gesellschaftliche Umbrüche müssen aktiv gestaltet werden, stellen die Leipziger Forscher fest. Sonst spielt man wirklich “nur dem Rechtspopulismus und der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in die Hände.”
Die Studie findet man hier: www.fes-gegen-rechtsextremismus.de
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