Abseits aller gesellschaftlich etablierten Erben und Verwalter des Aufbruchs vom Herbst 1989 in Leipzig ist Henny Kellner im Alltag der Stadt und über sie hinaus wieder unterwegs, um die bis heute Namenlosen zu finden, die vor nun 23 Jahren den Weg zum zivilen Ungehorsam nahmen. Die individuellen Geschichten, die dabei zutage kommen, sind vielschichtig und spannend. Ihre ersten Schritte auf die Straße gingen viele Menschen, um sich selbst aus der Erstarrung zu lösen, als die "Einheitsmedien" den friedvollen Protest noch kriminalisierten und Menschen wahllos festgenommen wurden.

Nicht nur aus den Erinnerungsberichten, sondern auch aus Briefen, Tagebuchnotizen und Reden ehemaliger Akteure entsteht “ein differenziertes Bild, wie aus einem uns allen heute nicht mehr vorstellbaren Alltag, Entschlossenheit erwuchs, die erdrückende Realität nicht länger zu verdrängen”, so die auch im sächsischen Landesverband von “Mehr Demokratie e.V.” engagierte Leipzigerin. Bei jedem Einzelnen wirkten andere Motive vor dem Hintergrund des zunehmenden Weggangs von Freunden, Nachbarn und Kollegen.

Unter welchen Bedingungen entwickelt sich Zivilcourage? Und wie können wir Heranwachsenden ein lebendiges Demokratieverständnis eröffnen? Das sind die beiden Grundfragen, die das Engagement für dieses zeitgeschichtliche Projekt antreiben.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Studie der Freien Universität Berlin über Kenntnisse der jüngsten Zeitgeschichte und der Demokratie bei Jugendlichen bleibt unverständlich, warum trotz einiger Vorschläge zur Einbeziehung von Schülern in diese zeitgeschichtliche Recherche bisher kein Ressort im Rathaus das Konzept, das Stadt- und Zeitgeschichte eindrücklich erfahrbar macht, aufnimmt.

Es ist bezeichnend, dass viele Leipziger Bürgerinnen und Bürger sich gegen ein Denkmal der Friedlichen Revolution aussprechen. “Aufgesetzte” – im aktuellen Sprachgebrauch “implementierte” – Bürgernähe bei der Durchsetzung eines über die Stadt hinaus weisenden Denkmals, kann den lang versäumten Prozess der Auseinandersetzung mit den individuellen Erfahrungen und Leistungen der Menschen, die mit ihrem Mut zum friedvollen zivilen
Ungehorsam Geschichte schrieben, nicht ersetzen. Leipzig braucht dringend ernstzunehmende Formen der Bürgerbeteiligung.

Auszüge aus den Berichten und Dokumenten, die bereits vorliegen, findet man auf einer virtuellen “Pinnwand” in der Rubrik “Stimmen”:

www.wir-bleiben-hier.de

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