Vier Meter hoch, von der Zeit geschwärzt, so hängt das Epitaph des Daniel Leicher linkerhand von Chor der Thomaskirche an der Wand. Von Besuchern der Kirche kaum beachtet. Die Nische ist recht dunkel, die Inschrift auf Latein kann man nicht lesen, von der Geschichte mit Daniel in der Löwengrube fehlen Teile. Und alles oberhalb davon verschwindet im Dunkel. Es gibt zu tun, sagte sich der Verein Thomaskirche - Bach 2000.

Der gründete sich schon 1997, um all die vielen notwendigen Sanierungsschritte in und um die Thomaskirche mit gesammelten Spenden zu unterstützen. Von über 6 Millionen Euro spricht Andreas Bruse, Vorsitzender des Vereins, mittlerweile. Und das Leicher-Epitaph sollte eigentlich ein Geburtstagsgeschenk werden. Zum 800. der Thomaskirche. Das bot sich an. Denn ein Datum rundet sich in diesem Jahr ebenfalls: der Todestag von Daniel Leicher, der im Dezember 1544 in Torgau geboren wurde und am 23. August 1612 in Leipzig starb – als hochgeachteter Bürger der Stadt: Er kam als studierter Jurist nach Leipzig, wurde Assessor am kurfürstlichen Schöppenstuhl, wurde in den Rat der Stadt gewählt, war als Ratsbaumeister tätig und auch Aufseher über die Thomaskirche. Womit sich erklärt, warum sein Epitaph in der Thomaskirche hängt. Begraben wurde Leicher auf dem Johannisfriedhof.

Das Epitaph wurde wohl zwei Jahre später angebracht. Manches deutet darauf hin, dass es von den Bildhauern Georg Kriebel und Franz Julius Döteber erschaffen wurde, denen man den Taufstein der Thomaskirche zuschreiben kann. Auch den hat der Förderverein 2099 mitgeholfen zu sanieren. Und mit Bildhauer und Restaurator Dirk Brüggemann hatte man damals schon einen Mann ins Boot geholt, der sich mit den Feinheiten solcher Restaurierungen gut auskennt. Gerade, wenn auch noch – wie beim Leicher-Epitaph – unterschiedliche Materialien verwendet wurden: schwarzer, weißer und gelber Marmor, Messinginschriften, Alabasterfiguren und – irgendwann im 20. Jahrhundert abhanden gekommen – ein Ölbild Daniel Leichers auf Kupfer, das im unteren Rahmen eingepasst war.

“Aber auch das stellen wir wieder her”, sagt Brüggemann. “Wir haben dafür eine gute Fotoaufnahme aus dem Jahr 1910.”
Doch im ersten Schritt wird er alle Einzelfiguren – sofern das klappt – vom Epitaph abmontieren. Das soll noch vor der Festwoche der Thomaskirche über die Bühne gehen. Denn nach Thomanerchor, St. Georg und Thomasschule ist ab 31. Oktober die Kirche selbst mit ihrer Festwoche im Jahr von 800 Jahre Thomana dran. Während der Festwoche wird natürlich nicht in der Kirche gearbeitet. Und im Winterhalbjahr wohl auch nicht. “Die Arbeiten werden wir dann alle in der Werkstatt durchführen”, so Brüggemann, der sich seit schon 2004 darauf freut, das Epitaph restaurieren zu dürfen.

Die eigentliche Sanierung des Blocks, die ursprünglich noch für 2012 geplant war, wird sich freilich ins Frühjahr 2013 verschieben. Der Grund ist das Wetter: Zur Reinigung der 400 Jahre alten Marmorteile verwendet Brüggemann hochkonzentrierten Alkohol. Der wird auch mit dem jahrhundertedicken Ruß fertig – aber wenn er aufgetragen ist, muss die Kirche kräftig durchlüftet werden. “Wir müssen alle Türen aufsperren, die wir haben”, sagt Thomaspfarrer Christian Wolff. “Und das können wir den Kirchenbesuchern im Winter, wenn es kalt ist, wirklich nicht zumuten.”

Also passiert die alkoholische Reinigung im Frühjahr. Dann wird man Brüggemann auch in der Seitennische arbeiten sehen, möglicherweise mit einer Art kleinen Fahrstuhl. Denn das Epitaph hängt ja nicht nur oben an der Wand, es ist mit 2,80 Meter Breite und 4,50 Meter Höhe auch noch sehr groß.

Bei der Restaurierung hofft Brüggemann natürlich auch, die restlichen Gestalten und Bildgeschichten auf dem Epitaph zu entziffern. Es gilt als eines der Hauptwerke des Manierismus in Obersachsen. Für Brüggemann gibt es im näheren Umfeld von Leipzig keine vergleichbar feine Arbeit. Dass im Hauptfeld als fortlaufende Bildergeschichte die Geschichte von Daniel in der Löwengrube erzählt wird, lässt sich noch entziffern. “Auf der rechten Seite erkennt man auch noch den Erzengel Michael, der einem Löwen das Maul aufhält, damit er Daniel nicht beißen kann”, sagt Christian Wolff. “Auf dem Balkon sieht man König Nebukadnezar stehen.” Dass sich die Geschichte auf den Vornamen des Geehrten bezieht, ist leicht zu erkennen.

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Aber schon das Bildfeld darüber lässt sich aus der Froschperspektive nicht mehr entschlüsseln, die sechs einzelnen Gestalten, die das Epitaph krönen, ebenfalls nicht. Aber selbst die lange lateinische Inschrift am Fuß des Epitaphs macht den Heutigen Probleme. “Der Text ist gerade zur Übersetzung”, sagt Brüggemann. “Es ist ein recht schwieriges Latein.”

Was dann vielleicht, wenn die Übersetzung vorliegt, nicht mehr so sehr verwundert. Vielleicht entpuppt es sich gar als eine wunderschöne Variante des Juristenlateins des 16./17. Jahrhunderts.

Jene Teile, die am Epitaph im letzten Jahrhundert abhanden kamen, werden – so Brüggemann – aus einem speziell entwickelten Acrylgips ergänzt. Risse werden geflickt. Und ein Teil der benötigten Finanzen ist auch schon beieinander, erläutert Andreas Bruse. 10.000 Euro hat der Förderverein selbst gesammelt. “In lauter kleinen Einzelspenden”, sagt Bruse. “50, 100, 200 Euro, je nachdem.” 10.000 Euro gibt das Landesverwaltungsamt der Kirche als Förderung dazu, 10.000 will die Kirchgemeinde St. Thomas beitragen, wenn sich nicht noch weitere Spender finden.

www.thomaskirche.org
www.thomana2012.de

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