Am 6. Juli, zum jüngsten Westbesuch, wurde an der Liebfrauenkirche in der Karl-Heine-Straße das letzte der "Hohen Worte" enthüllt, das den Spaziergänger jetzt in der Karl-Heine-Straße mit den nachts leuchtenden Begriffen Glück, Liebe, Lust, Angst, Sorge, Mühe begegnen lässt. Nun also auch mit "Trost". Am 19. Juli findet in der Kirche ein ganz besonderer Gedenkgottesdienst statt.

Am Donnerstag, 19. Juli, wird es in der Liebfrauenkirche um 19.00 Uhr einen Gedenkgottesdienst für Paul Ochsenbauer geben. Die Bürgerrechtlerin und Regisseurin Freya Klier wird ihn im Rahmen eines Dokumentarfilmes aufzeichnen. Schön wäre es natürlich, wenn möglichst viele Leipziger an diesem Tag am Gedenkgottesdienst teilnehmen.

Freya Klier hat eine Einladung für diesen Abend formuliert:

“Liebe Leipziger Katholiken, liebe Mitchristen!

Ich wende mich heute mit einer großen Bitte an Sie: Im Rahmen eines Dokumentarfilmes, den ich mit der katholischen Produktionsfirma Tellux-Provobis über die Geschehnisse des 17. Juni 1953 in der Stadt Leipzig drehe, wird es am Abend des 19. Juli 2012 um 19.00 Uhr in der Liebfrauenkirche unter Leitung von Pfarrer Thomas Bohne einen Gedenkgottesdienst geben. Diesen werden wir filmisch aufzeichnen. Dieser Gottesdienst ist besonders dem 15-jährigen Paul Ochsenbauer gewidmet, der am Abend des 17. Juni 1953 nach dem Abreißen eines Plakates, das den Ausnahmezustand verkündete, von einem sowjetischen Offizier auf einen Lastwagen gezerrt wurde, und dessen weiteres Schicksal bis zum heutigen Tag ungeklärt ist. Zwei Wochen nach dem Verschwinden des Jungen bekam die Familie lediglich die polizeiliche Nachricht, ihr Sohn sei tot. Auf welche Weise er umkam, versuchen die Angehörigen von Paul auch 60 Jahre später noch vergeblich herauszufinden.Das Requiem, das damals am 19. Juli 1953 in der Liebfrauenkirche für Paul Ochsenbauer und die anderen Toten des Leipziger Volksaufstandes durch den damaligen Pfarrer Gunkel verkündet und zwei Tage später gehalten wurde, stieß in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche auf überwältigende Anteilnahme. Auch daran versuchen wir, fast 60 Jahre später zu erinnern.

Bitte kommen Sie so zahlreich wie möglich! Setzen Sie ein Zeichen für das Gedenken an den damals 15-jährigen Jungen und seine Angehörigen, welche diesen Gottesdienst mitfeiern werden. Und zeigen Sie einem deutschlandweiten Fernsehpublikum, dass Leipzig auch heute noch über eine engagierte Christenschar verfügt – nicht nur, wenn es um die Nikolaikirche geht.

Mit guten, hoffnungsvollen Grüßen

Freya Klier
(Regisseurin, frühere DDR-Bürgerrechtlerin)”

Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung hatte der 15-jährige Schlosserlehrling Paul Ochsenbauer am 17. Juni 1953 einen sowjetischen Befehl von einer Wand abgerissen und einem sowjetischen Offizier ins Gesicht geschmissen. Wie und wann er erschossen wurde, ist nicht mehr zu ermitteln. Die Nachricht von seinem Tod erhielten die Eltern erst am 1. Juli. Schon am 20. Juni war er eingeäschert worden. Am 15. Juli erst gab der Staatsanwalt die Urne frei. Am 14. August um 13.30 Uhr wurde Paul auf dem Friedhof Leipzig-Plagwitz beigesetzt. Unter strikter Beobachtung der Staatsmacht. Die Eltern von Paul sind über den Tod des Jungen, der das Schlosserhandwerk beim VEB Bodenbearbeitungsgeräte lernte, nie hinweggekommen.

Eine Tafel auf dem Südfriedhof an der Gedenkstätte für die Opfer des 17. Juni 1953 erinnert an Paul Ochsenbauer.

www.liebfrauen-lindenau.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar