ESM, Fiskalpakt, Eurozone. Die Schulden- und Finanzkrise scheint alles zu beherrschen, was derzeit im In- und Ausland von Bedeutung ist. Die Hektik allein der vergangenen Tage und Stunden zeigt - es wird gehandelt. Doch ist es auch der richtige Weg, welchen die Politik da gerade einschlägt? Einer, der schon sehr lange erhebliche Zweifel am Grundkurs der "Eurorettung" hat, ist Prof. Dr. Heiner Flassbeck. Am Sonntag, den 1. Juli 2012 ist er in Leipzig mit einem Vortrag zu Gast.
Die Börsen scheinen glücklich – was einen fast schon zwangsläufig unruhig machen sollte. Bis heute scheint es kein Mittel gegen den Finanzkasinokapitalismus, die immer weiter voranschreitende Umverteilung von Unten nach Oben und dem Sozialabbau der vergangenen Jahre zu geben. Oder doch?
Einer, der Wege aufzeigt und dabei fernab vom üblichen Populismus oder gar Propaganda weit weniger verwirrende Begrifflichkeiten dafür benötigt als die aktuelle Politik, ist Professor Dr. Heiner Flassbeck aus Genf.
Einst war er als Staatssekretär für Finanzen in der ersten rot-grünen Bundesregierung und zudem 1998/1999 bei wichtigen Weichenstellungen der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik selbst Akteur und Zeitzeuge. Heute entwickelt er als Chefvolkswirt der UNCTAD (“United Nations Conference on Trade and Development”) unter anderem Konzepte für die sogenannte Dritte Welt und hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der fundiertesten Kritiker aktuellen Krisenmanagements gemausert.
Die politischen Entscheidungen zu Zeiten seines “Lieblingspolitikers” Gerd Schröder benennt er dabei neben aktuellen Entwicklungen offen bis heute als einen der grundlegenden Ursprungspunkte des eingeschlagenen Kurses und der Folgen für ganz Europa.
Für ihn haben die heutigen Lösungsansätze unter anderem mit einigen fundamentalen Missverständnissen über die moderne Ökonomie, einer weitgehend uniformen Sichtweise auf die Ursachen und vor allem mit der kuriosen Ideologie unausgesetzten Wachstums zu tun. Diesem beispielsweise stellt er den Begriff der Produktivität entgegen. Eine seiner daraus folgenden Grundthesen ist daher die Frage nach dem Verhältnis zwischen teils falsch verstandenem Wachstum bei einigen und den ansteigenden Schulden bei Vielen, den logischen Folgen sowie Auswirkungen.
Unter diesem Oberthema summiert er in seinen Vorträgen logisch und nachvollziehbar, wie die viel gerühmte deutsche Exportindustrie, damit Außenhandelsüberschüsse und Defizite der anderen Euroländer zu den heutigen Problemen ebenso beitragen, wie die Lohnsenkungen und eben jene unreglementierten Börsenspekulationen. Bei denen eine Aktie eben steigt, wenn auch nur viele große Investoren gemeinsam sie durch Zukäufe nach oben treiben.
In der Ankündigung zum Vortrag zum gleichnamigen Buch von Dr. Flassbeck “Zehn Mythen der Krise” heißt es: “Zwischen Rettungsschirmen und Finanzhebeln verliert sich das Nachdenken darüber, wer eigentlich die Strukturen hervorgebracht hat, die das produzieren, und wer Gewinn daraus zieht, dass das fortlebt.”
45 Minuten mit anschließender Diskussions- und Fragerunde erwarten die Besucher bei kostenfreiem Eintritt ab 12 Uhr im Geschwister-Scholl-Haus, in der Ritterstraße 8-10.
Aktueller kann man seine Fragen wohl derzeit kaum stellen und beantwortet bekommen, nachdem erst gestern der Deutsche Bundestag in einer “historischen” Entscheidung eben jenen Weg, der bis heute zu immer größeren Zerwürfnissen in Europa führte offenbar fortsetzen möchte. Denn dass auch dabei die grundlegenden Ursachen der Krise auf dem maßgeblich von Deutschland dominierten Weg offenbar nicht erfasst wurden, dämmert scheinbar immer mehr Bürgern.
Das 41. Leipziger Sonntagsgespräch unter dem Schwerpunkt “Krisenzeiten”, 1. Juli 2012, ab 12 Uhr mit dem Thema “Zehn Mythen der Krise”. Referent: Prof. Dr. Heiner Flassbeck (Genf), Moderation: Ulrich Brieler. Geschwister-Scholl-Haus, Ritterstraße 8-10.
Informationen zum Sonntagsgespräch
www.uni-leipzig.de/sonntag
Der Vortragsvorläufer zum aktuellen Thema
“Europa im Abgrund” Die Eurokrise – Prof. Dr. H. Flassbeck 07.03.2012
Zu einem weiteren Vortrag von Dr. Heiner Flassbeck (Youtube)
www.youtube.com/watch?v=W4ED0o-mbjs
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