Die diesjährige "Woche der Brüderlichkeit" wird am 11. März im Leipziger Gewandhaus eröffnet. EKD-Ratsvorsitzender Niklaus Schneider erhält für sein Bemühen um die christlich-jüdische Verständigung die Buber-Rosenzweig-Medaille. Auch in der Messestadt stehen viele Veranstaltungen zum interreligiösen Miteinander auf dem Programm.
Seit nunmehr 60 Jahren gibt es in der Bundesrepublik die “Woche der Brüderlichkeit”. Getragen wird sie von den mittlerweile mehr als 80 lokalen Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Die bundesweite Auftaktveranstaltung findet in diesem Jahr in Leipzig statt.
Mit “In Verantwortung für den Anderen” ist die diesjährige Woche überschrieben. An dieser Mitverantwortung für den Nächsten hat es während der planmäßigen Vernichtung der europäischen Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft bei zu vielen gefehlt. Auch bei zu vielen Christen.
Nach dem Holocaust neue Brücken zu bauen, war und ist das Anliegen der christlich-jüdischen Zusammenarbeit. Um hier ein tragfähiges Fundament zu legen, waren auch Neubestimmungen im Kern des christlichen Selbstverständnisses erforderlich. Als theologische Brandmauer gegen den jahrhundertealten christlichen Antijudaismus wurde ein neues Verständnis von Christenheit entwickelt. Demnach seien die Christen als das von Gott erwählte Volk nicht mehr an die Stelle der jüdischen Gemeinschaft getreten, sondern neben sie. Erst das ermöglichte Aussöhnung und Koexistenz.
Dieses Grundverständnis legte erstmals 1980 das rheinische Kirchenparlament in einem Beschluss nieder, wie Ricklef Münnich, Evangelischer Präsident des DKR bei einem Pressegespräch am Donnerstag im Neuen Rathaus erläuterte. Diese Position bekräftigte 2005 die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Präses der Landeskirche war zu dieser Zeit Nikolaus Schneider, also so etwas wie der Landesbischof. Seit 2010 repräsentiert Schneider als Ratsvorsitzender die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).
Das vorgenannte Bemühen von Präses Schneider findet nun Anerkennung mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille, die der Deutsche Koordinierungsrat e. V. (DKR) der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit alljährlich zum Auftakt der Woche der Brüderlichkeit verleiht.Die Eröffnungsveranstaltung findet in diesem Jahr erstmals in Leipzig statt. Die Bachstadt ist damit die vierte ostdeutsche Stadt, der diese Ehre zuteil wird. Damit würdigt der Koordinierungsrat nach den Worten von Münnich zugleich das langjährige Wirken von Leipziger Christen wie dem langjährigen Superintendenten Menschen Friedrich Magirius um das Anliegen der christlich-jüdischen Verständigung.
Neben der grundsätzlichen und historischen Bedeutung der christlich-jüdischen Zusammenarbeit sieht Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, eine ganz praktische Seite. Seine Gemeinde bestünde heute zu 90 Prozent aus Zuwanderern. Da stellt der Austausch mit den christlichen Gemeinden die “erste Stufe der Integration in die Gesellschaft” dar, so Kaufmann.
“Wir setzen das fort, was durch die barbarische Mordmaschinerie der Nazis brutal beendet worden ist”, beschreibt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung das heutige Verhältnis der Stadtpolitik zur hiesigen jüdischen Gemeinde.
Neben der Auftaktveranstaltung nebst Preisverleihung im Gewandhaus sowie einem Spitzentreffen christlicher und jüdischer Geistlicher finden ab dem 11. März 2012 in Leipzig eine Vielzahl von Publikumsveranstaltungen statt. Sie haben jüdisches Leben in Leipzig in Geschichte und Gegenwart zum Inhalt.
Beispielsweise geht es auf einer Stadtführung am 18. März um den “Mythos Brühl”. Also die Geschichte des Pelzhandels als ein Beispiel für jüdisches Leben in Leipzig vor dem Holocaust. An das Leiden auch jüdischer Zwangsarbeiter in Leipziger Rüstungsbetrieben während des Zweiten Weltkrieges erinnern Führungen in der Gedenkstätte in der Permoserstraße 15 am 13. März zwischen 8.30 Uhr und 16.20 Uhr.
Grünauer führen Kinderoper “Brundibár” auf
Am gleichen Tag wird der Ökumenische Kinder- und Jugendchor der Grünauer Kirchgemeinden Paulus und St. Martin die Kinderoper “Brundibár” von Hans Krása darbieten. Die Oper wurde 1941 in einem Prager jüdischen Kinderheim uraufgeführt. Nach der Deportation der Kinder und des Komponisten in das Ghetto Theresienstadt spielten die Kinder dort die Fabel auf den Sieg des Guten über das Böse immer wieder. In der Oper vertreiben zwei Kinder, unterstützt von Tieren, den boshaften Leierkastenmann Brundibár, tschechisch für Hummel. Die Aufführung am 13. März beginnt um 18 Uhr in der Alten Börse am Naschmarkt.
Solcherart Erinnerungsarbeit mit Jugendlichen hat wohl auch Friedrich Magirius gemeint, als er betont, dass die Gelegenheiten zum Gespräch mit Zeitzeugen der Geschehnisse vor 1945 immer geringer werden.
Das gesamte Programm und weitere Informationen: http://www.leipzig.de/de/buerger/newsarchiv/2012/Woche-der-Bruederlichkeit-2012-22059.shtml
www.deutscher-koordinierungsrat.de
www.juedischesleipzig.de
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