Der CDU-Fraktion des Leipziger Stadtrats ist eine ganz bestimmte Gruppe ein Dorn im Auge: Menschen - hier vor allem Anhänger von Subkulturen - die an öffentlichen Plätzen trinken, vulgo "saufen" und dann auch noch Straftaten begehen. Diesen Zusammenhang nachzuweisen ist allerdings gar nicht so einfach. Trotzdem will die CDU mit ihrem Antrag ein Verbot durchdrücken, bei dem an bestimmten Orten zeitweise kein Alkohol konsumiert werden darf.
Sicherheitspolitik as usual. Im Oktober 2011 ist das sächsische Polizeigesetz im § 9a geändert worden. Dieser Paragraph gibt den Ortspolizeibehörden die Möglichkeit, durch eine Polizeiverordnung örtlich und zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbote zu erlassen, wenn gerechtfertigt ist, “dass sich dort Personen aufhalten, die alkoholbedingte Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum begangen haben und künftig begehen werden” (vgl. § 9a Abs. 1 SächsPolG).
“Der kollektive und exzessive Konsum von Alkohol im öffentlichen Raum ist Gegenstand regelmäßiger und zahlreicher Beschwerden von Bewohnern und Besuchern unserer Stadt. Vor allem aber stellt er eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Alkoholbedingte Enthemmung in Gruppen ist die Ursache einer Vielzahl von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten”, begründet die CDU ihren Antrag.
Das kann über körperliche Gewalttätigkeiten innerhalb der Trinkergruppen und gegenüber Dritten bis hin zu schweren Körperverletzungen gehen. Belästigung und Beleidigung Dritter, allgemeine Lärmbelastung für das Umfeld, Vermüllung, Sicherheitsgefährdung durch zerbrochene Glasflaschen und das Verrichten der Notdurft im öffentlichen Raum sind die anderen Problemlagen.
Die CDU will das Verbot an der Thomaswiese, dem Weißeplatz in Stötteritz und dem Hauptbahnhofsvorplatz. Und da sich bekanntermaßen eher in der warmen Jahreszeit draußen getroffen wird, soll dort der Alkoholkonsum auf den Zeitraum von Anfang April bis Ende Oktober beschränkt werden. Sofern dies die polizeilichen Gefahrenprognosen erlauben.
Die Verwaltung stimmt dem CDU-Antrag in ihrem Standpunkt zu, weist aber auch auf die schwierige Aufgabe hin, den Zusammenhang zwischen Trinkern und Straftaten herzustellen. Der bloße Nachweis alkoholbedingter Handlungen und deren Randerscheinungen, die Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle darstellen, reichten nicht aus, um ein solches Verbot mittels Polizeiverordnung zu rechtfertigen.
Mehrere deutsche Städte seien aufgrund von gerichtlichen Normenkontrollverfahren gescheitert, diesem Problem mittels Verordnung entgegen zu wirken. Die Verwaltung nennt beispielhaft die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt zur Alkoholverbotsverordnung der Stadt Magdeburg vom 17.03.2010 (Az. 3 K 319/09).
Dort hatte man die Kriminalstatistik herangezogen, die aber den notwendigen kausalen Zusammenhang von Alkoholkonsum und dem Anschlussverhalten nicht nachweisen konnte. “Es wird daher bei der Erstellung der Gefahrenprognosen notwendig sein, diesen Nachweis für Leipziger Verhältnisse lückenlos zu erbringen”, so die Verwaltung.
Konrad Riedel (CDU) beschreibt in seiner Antragsverteidigung eine Szenerie, dass sich Bürger nicht mehr trauten, die Unterführung am Bahnhof zu nutzen. Denn da sitzen öfter Punks mit ihren Hunden, die Angst auslösen würden.
Sören Pellmann (Die Linke) macht danach den Standpunkt seiner Fraktion deutlich: “Alkoholverbote lösen die Probleme nicht.” Auch die Deutsche Bahn habe in einer Umfrage zum Verbot von Alkoholkonsum in Zügen herausgefunden, dass das keine Lösung sei. Und auch die Verkehrsminister der Länder seien auf einer Tagung zu diesem Schluss gekommen. Es ist hinlänglich bekannt, dass Suchtexperten vor einer Verlagerung warnen. “Was sie eigentlich wollen, ist nicht, dass Straftaten zurückgehen, sondern die Einschränkung von Freiheit.” Die Argumentation der CDU hinke, denn in den Kneipen um die Thomaswiese herum werde auch getrunken und auf der Wiese solle das verboten werden?
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Norman Volger (Grüne): “Was will oder soll mit dem Antrag erreicht werden? Worin besteht der Unterschied zwischen einem Betrunkenen im Anzug und einem betrunkenen Punk. Nicht Alkohol ist das Problem, sondern der Konsument. Hier soll zwischen guten und bösen Trinkern getrennt werden. Aber: Wo fängt der böser Trinker an? Die Stadt ist kein künstlich angelegter Kleingarten aus dem man das Unkraut zupfen kann.” Auch seine Fraktion lehnt den CDU-Antrag ab.
Christopher Zenker (SPD) schließt sich der Meinung seiner Vorredner an: “Alkoholkonsum ist kein ordnungspolitisches, sondern ein sozialgesellschaftliches Problem. Mit einer Verdrängung dieser Menschen aus dem Stadtbild werden wir das Problem nicht lösen. Es geht darum, Probleme aus dem Blickfeld zu schaffen.” Er kritisiert den “permanent populistischen Ruf nach Verordnungen” der konservativen Fraktion.
Michael Burgkhardt (Bürgerfraktion) bringt es klar auf den Punkt. Er ist Suchtarzt und weiß um die Probleme, die mit Alkoholkonsum einhergehen. Er tadelt die immer noch unsachliche Debatte über die Süchtigen und Konsumenten: “Es herrschen hier zwei Lager vor, die von Polizeipräsident benannte Drogen-Kuschel-Politik und eine “Law and Order”-Politik.” Burgkhardt erinnert an eine ähnliche Debatte: Raucher wurden von drinnen nach draußen verbannt und bei Trinkern solle jetzt der umgekehrte Weg eingeschlagen werden.
“Bei diesem Antrag geht es um das Wegräumen einer bedauernswerten Gruppe.” Der Vorsitzende der Bürgerfraktion demonstriert an einem Beispiel für wie irreführend er offenbar den CDU-Antrag hält: Wenn der Antrag durchgehe, dann wolle er mit Wolfram Leuze einen Rotwein an der Thoamswiese trinken. Und da sei er sich sicher, dass keiner sie wegschicken würde, sondern eher die Worte “Ach, wie die niedlich die zwei alten Herren!” zu hören sein. “Das beweist, dass es um Randgruppen geht.”
Bei der Antrags-Abstimmung sieht die CDU schwarz. Der Antrag wird mit großer Mehrheit abgelehnt. Es wird in Leipzig kein Verbot von Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen geben.
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