"Die solidarische Rentenversicherung muss auch in Zukunft mehr sein als eine Armut vermeidende Grundsicherung", fordert die Landesseniorenvertretung für Sachsen. Nur durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen könne eine Zunahme von Altersarmut verhindert werden, so Landesvorsitzende Christel Demmler im L-IZ-Interview.
Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft BAGSO zusammengeschlossenen Seniorenorganisationen in der Bundesrepublik schlagen Alarm. Die Einkünfte aus der Gesetzlichen Rentenversicherung hätten in den letzten zehn Jahren acht Prozent ihrer Kaufkraft verloren, die Zahl der Leistungsbezieher von Grundsicherung im Alter sei zwischen 2003 und 2010 um 60 Prozent gestiegen.
“Die solidarische Rentenversicherung muss auch in Zukunft mehr sein als eine Armut vermeidende Grundsicherung”, fordert Christel Demmler, Vorsitzende der Landesseniorenvertretung für Sachsen. Die aktuelle Rentenpolitik, verbunden mit immer späteren gesetzlichen Eintrittszeiten führe dazu, dass ein Durchschnittsverdiener nach 35 Beitragsjahren einen Rentenanspruch auf Grundsicherungsniveau habe. “Diese Entwicklung wird durch die üblichen Niedriglöhne noch verschärft”, so Demmler weiter. L-IZ hat bei Christel Demmler nachgefragt.
Die Landesseniorenvertretung für Sachsen LSVfS beklagt die rapide gesunkene Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Rentenversicherung. Was ist da aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren schief gelaufen?
Mit der Rentenreform 2001 wurde ein Paradigmenwechsel in der Alterssicherungspolitik eingeleitet: Das vormalige Leistungsziel, das auf die Erhaltung des während des Berufslebens erworbenen Lebensstandards gerichtet war, wurde der Beitragssatzstabilität in der Gesetzlichen Rentenversicherung untergeordnet.
Neben dem zweckfremden Einsatz von Rentenversicherungsgeldern auch nach der Rentenreform 2001 haben alle Bundesregierungen zwar den demographischen Wandel ab und an in Sonntagsreden thematisiert, aber diesen Aspekt im politischen Handeln durchweg ausgeblendet. Trotz mahnender Stimmen Kompetenter wie Frau Professor Lehr, die von 1988 – 1991 Bundesministerin war, die immer wieder die Berücksichtigung und eine damit verbundene wirklich große Rentenreform forderten.
Hauptfehler war und ist aber, dass statt auf effektiveren, zielgerichteten Einsatz der verfügbaren Ressourcen und Finanzmittel auch der Rentenversicherung naiv auf immer weiteres wirtschaftliches Wachstum gesetzt und auf eine völlig utopische Fast-Vollbeschäftigung gehofft wird.Was ist aus Ihrer Sicht zu tun, um die Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Rentenversicherung wiederherzustellen?
Eine grundlegende große Rentenreform, die schon lange versprochen ist und in der die richtigen Prioritäten gesetzt werden. Das Verhältnis zwischen Leistungs- und Beitragsziel in der gesetzlichen Rentenversicherung muss neu justiert werden.
Eine kompromisslose Unterordnung des Leistungsziels unter das Ziel der Beitragsstabilität bedeutet eine einseitige Verschiebung der Risiken zulasten der heutigen und künftigen Rentnerinnen und Rentner.
Das Leistungsziel kann gesichert werden unter anderem mit der Einbeziehung aller Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze, durch das Abziehen der Rentenversicherungsbeiträge vor Steuern als Förderung beziehungsweise Ermöglichung einer privaten Altersvorsorge sowie durch die Sicherung eines armutsfreien Lebensabends auf der Basis der Anerkennung des Lebenswerkes eines jeden rentenversicherten Bürgers.
Worin besteht Ihr Hauptanliegen?
Vor allem müssen die Politiker ihre in den letzten Jahren immer mehr dominierende Interpretation, dass die Altersrente nichts anderes als Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe “Alimente” seien, endlich unterlassen. Das deutsche Rentensystem basiert auf erbrachten Leistungen der Beitragszahler, und damit ist die Rente keine großzügige “Gunst”, sondern ein Recht, das nicht nach Kassenlage eingeschränkt werden kann.
Was sollte gegen die von Ihnen kritisierten Niedriglöhne getan werden?
Ein für alle Branchen gültiger allgemeiner Mindestlohn, von dem man ohne staatliche Hilfe seinen Lebensunterhalt bestreiten und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann, ist ein erster Schritt. Eine Zunahme von Altersarmut kann nur verhindert werden, wenn notwendige arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ergriffen werden.
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