Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2012 wird geteilt. Er geht zu gleichen Teilen an den britischen Historiker Ian Kershaw und an den US-Historiker Timothy Snyder, so das Urteil der international besetzten Jury. Das teilt das Kulturamt der Stadt Leipzig am Morgen des 13. Januar mit.

Beide Autoren befassen sich in ihren jüngsten Studien mit dem Zweiten Weltkrieg, jedoch ist ihre jeweilige historische Fragestellung so unterschiedlich, dass die Werke einander vorzüglich ergänzen und als komplementär zueinander lesbar sind. Beide Werke verbindet auch, dass sie ein tieferes Verständnis Europas für seine eigene Schreckensgeschichte ermöglichen.

Die Preisverleihung an Ian Kershaw und Timothy Snyder findet anlässlich der Eröffnung der Leipziger Buchmesse am 14. März im Gewandhaus zu Leipzig statt.
Aus der Menge der historischen Arbeiten zum Kriegsende ragt Ian Kershaws im vergangenen Jahr bei der Deutschen Verlags Anstalt erschienene große Studie “Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45” in ihrer umfassenden Darstellung, tiefgreifenden Analyse und anschaulichen Schilderung hervor. Kershaw findet neue Antworten auf die Frage, warum die militärisch bereits besiegten Deutschen noch fast ein Jahr lang weiterkämpften und bis zur totalen Verwüstung des Landes durchhielten. Anhand zahlloser einleuchtender Beispiele legt er eine Fülle unterschiedlicher Ursachen für die Selbstzerstörung der Deutschen dar.

In seinem 2011 bei C. H. Beck erschienen Buch “Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin” verbindet Timothy Snyder genau recherchierte Daten über das deutsche und sowjetische Morden in der Mitte des 20. Jahrhunderts mit der Erinnerung an individuelles Leid. Er erweitert unsere Vorstellung vom industrialisierten Massenmord, indem er Hunger und Terror als Todesursache für mehr als die Hälfte der Opfer in den Blick rückt. Dabei entgeht “Bloodlands” jederzeit der Gefahr des Abstumpfens: Hinter den unvorstellbaren Zahlen hält Timothy Snyder die Menschen und ihre einzelnen Schicksale stets sichtbar.

Timothy David Snyder, geboren 1969, US-amerikanischer Historiker, lehrt als Professor Geschichte an der Yale University. Seine Forschungsschwerpunkte sind Osteuropäische Geschichte und Holocaustforschung. Snyder ist Permanent Fellow am Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Für seine geschichtswissenschaftlichen Arbeiten erhielt er mehrfach Auszeichnungen, darunter 2003 den George Louis Beer Prize der American Historical Association.

Ian Kershaw, geboren 1943 in Großbritannien, lehrte als Professor für Zeitgeschichte bis zu seiner Emeritierung an der University of Sheffield in England. Kershaw gilt als einer der bedeutendsten Experten der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Mit seiner groß angelegten Hitler-Biografie, die 1998 und 2000 in zwei Bänden erschien und bis heute als Standardwerk gilt, gewann er eine breite Leserschaft. 1994 erhielt Kershaw für seine wissenschaftlichen Verdienste um die deutsche Geschichte das Bundesverdienstkreuz. Königin Elisabeth II. schlug ihn 2002 zum Ritter.

Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, seit 1994 jährlich vergeben und mit 15.000 Euro dotiert, zählt zu den wichtigen Literaturauszeichnungen in Deutschland. Das Preiskuratorium bilden der Freistaat Sachsen, die Stadt Leipzig, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. und die Leipziger Messe.

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