Wie die Schlange aufs Kaninchen schauen die Bürger den europäischen Regierungen bei ihrem ratlosen Versuch zu, Griechenland vor der Pleite zu retten. Immer neue Milliardenrettungspakete werden geschnürt. Doch kaum ist eines fertig, geht das Gezocke an den Finanzmärkten wieder los. Reguliert sind die bis heute nicht. "Merkt ihr nichts mehr?" könnten all die Demonstranten plakatieren, die seit Wochen auf die Straße gehen. Heute auch wieder in Leipzig.

Am Freitagmittag, 11. November, 13 Uhr versammelten sich die Aktivisten von “Echte Demokratie Jetzt!” zu einem etwas anderen Faschingsumzug auf dem Augustusplatz. Zwar nicht mit Hexenbesen, wie ursprünglich geplant. Aber reichlich mit Masken von Politikern und Bankenchefs ausgestattet. Denn mit dem Umzug von Bank zu Bank will das Leipziger Bündnis, das in letzter Zeit immer montags 19 Uhr demonstriert hat, auch mal wieder bei Tageslicht auf die Geschäfte der großen Privatbanken und auf die Verflechtungen zwischen Finanzlobby, Politik und Aufsichtsbehörden hinweisen.
Nach großem Foto-Auftritt vorm Mendebrunnen zog der Tross von Bank zu Bank und putzte deren Scheiben, um symbolisch etwas mehr Transparenz in die düsteren Geschäfte der Banken zu bringen.

“Die Banken haben mit ihren riskanten Geschäften die Gesellschaft viele Milliarden Euro gekostet und tun dies noch immer, wie auch die Griechenland-Krise zeigt. Leider machen die allermeisten Finanzinstitute weiter wie bisher: Sie betreiben Geschäfte in Steueroasen, wetten auf Nahrungsmittelpreissteigerungen und investieren in Rüstungs- und Atomindustrie”, kritisiert Mike Nagler, einer der Mitorganisatoren.

Christine Ruttka, ebenfalls eine der Organisatorinnen, ergänzt: “Wir wollen Fragen aufwerfen. Noch immer werden Milliarden in die Bankenrettungen gesteckt. Das sind Gelder die bei Bildung, Gesundheit, Rente oder auch für wichtige kommunale Aufgaben hier in Leipzig fehlen. Die Städte und Gemeinden sind hoch verschuldet, aber die Großbanken schütten Dividenden aus? Hier läuft doch generell etwas falsch. Wir können uns die großen unregulierten Privatbanken nicht mehr leisten. Die Profiteure der bisherigen Rettungsschirme müssen endlich angemessen an den Krisenkosten beteiligt werden.”
Interessiert das auch in Leipzig? Ist das nicht eher was für den Bankenstandort Frankfurt am Main, wo am Samstag 12. November, wieder demonstriert wird? Natürlich ist es das, auch wenn die wichtigsten Großbanken in Leipzig nur Filialen unterhalten. Aber Geschäfte mit Hochrisikopapieren haben sie auch in Leipzig getätigt. Der schofele Deal mit dem ehemaligen Wasserwerkegeschäftsführer Klaus Heininger hängt wie ein Damoklesschwert über der Stadt. Noch ist nicht geklärt, wer für das entstandene Risiko von 290 Millionen Euro gerade stehen muss – die vier Zockerbanken, die mit Heininger und Genossen die windigen Papiergeschäfte eingefädelt haben oder am Ende Wasserwerke und Stadt – und damit die Bürger Leipzigs, die jetzt schon jeden Tag aufs Neue erfahren, dass ihre Stadt ausgesaugt ist wie eine Zitrone. Denn all die Kürzungen, die Bund und Land in den letzten Jahren vorgenommen haben, sind bis auf die kommunale Ebene durchgeschlagen.

Dazu gehört auch das Desaster der Sachen LB, verantwortet von sächsischen Spitzenpolitikern, die zwar von ihrem Amt zurückgetreten sind, aber bis heute nicht zugegeben haben, dass sie dem Gezocke ihren Segen erteilt haben.

Doch kommentarlos hat die sächsische Staatsregierung die Abgleichung der anfallenden Kreditausfälle übernommen – mittlerweile über 200 Millionen Euro. Und wenn die Staatsregierung ihrem Volke erzählt, die drastischen Milliardenkürzungen im Doppelhaushalt 2011/2012 hätten ihren Grund in sinkenden Einnahmen, dann ist das zumindest zur Hälfte geschwindelt, denn die Sparpakete hat die Staatsregierung auch genutzt, um ihre Schattenhaushalte aufzustocken. 1,5 Milliarden Euro sind mittlerweile als Absicherung für die Ausfälle der Risikokredite der einstigen Sachsen LB zurückgelegt.

Die Banken, die davon bedient werden und die risikoreichen Papieren oft genug selbst erfunden und gepackt haben, lachen sich ins Fäustchen. So wird das Geld der Bürger umverteilt – und alles sieht nach rechten Dingen aus. Sächsische Banker und Politiker haben ja die Papiere irgendwann alle unterschrieben. Auch wenn der Bürger zu recht das Gefühl hat, dass hier einiges vernebelt wird.

Und die Bürger Leipzigs leiden darunter. Das Geld für dringende Investitionen – in Kitas, Schulen, Straßen, Brücken – fehlt. Im Sozialbereich wird gekürzt, im Kulturbereich geht’s ans Eingemachte. Das Geld fehlt für neue Arbeitsplätze und im Konsum.

Die Leipziger Aktivisten sind mittlerweile gut vernetzt und organisieren neben den dezentralen auch bundesweite Proteste mit. Am Samstag, 12. November, sollen unter dem Motto “Banken in die Schranken!” das Frankfurter Bankenzentrum und das Berliner Regierungsviertel mit Menschenketten umzingelt werden.

Die Aktion:

(http://acampadaleipzig.org/blog/11-11-11-occupy-the-streets-occupy-the-world) 11.11. in Leipzig

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