Für einen Gedenkort auf dem Leipziger Hauptbahnhof bitten das Friedenszentrum Leipzig, Initiativen und Politiker die Leipziger um Spenden. Es geht um eine Gesamtsumme von 7.500 Euro. Die Installation soll an die Opfer der Deportationen in die NS-Todeslager erinnern, die über das Leipziger Streckennetz der damaligen Deutschen Reichsbahn erfolgten.
“Räder müssen rollen für den Sieg” – diese Propagandaparole hing in Nazi-Deutschland während des zweiten Weltkrieges so ziemlich an jedem Bahnhof. Doch die Räder der Deutschen Reichsbahn rollten nicht nur für den von den Nazis angestrebten “Endsieg” in ihrem Vernichtungskrieg, sondern auch für die “Endlösung”, also die Umsetzung des NS-Vernichtungsprogramms für ganze Menschengruppen.
An diese dunkle Seite deutscher Eisenbahngeschichte wollen Leipziger Initiativen seit Jahren erinnern. Der erste Anlauf in den 1990er Jahren, eine Erinnerungstafel am Leipziger Hauptbahnhof anzubringen, ging während des Umbaus von Europas größtem Kopfbahnhof unter.
Am Holocaust-Gedenktag 2009 regte Hans Wienhold vom Friedenszentrum Leipzig eine Gedenkinstallation an. Das Projekt war zügig konzipiert. Eine Ganzmetallkonstruktion soll einen Koffer zeigen. Das Gepäckstück steht für die letzte Habe, die die Deportierten auf ihrer letzten Fahrt in Viehwaggons mitnehmen durften. Der Koffer soll auf einem Hohlsockel installiert werden. Auf der Rückseite des Koffers wird 427/XVI/1 stehen, die Nummer des ersten Transportes Leipziger Juden nach Theresienstadt im Jahre 1942.”Am 14. Februar 1945 wurden 169 Männer, Frauen und Kinder in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es der letzte Transport jüdischer Opfer aus Leipzig. Zum Gedenken an alle Opfer von NS-Verbrechen, die in den Jahren von 1933 bis 1945 mit Zügen der damaligen Deutschen Reichsbahn in Zwangs- und Todeslager verschleppt wurden.” So lautet die Inschrift, die der Leipziger Historiker Dr. Steffen Held formuliert hat.
Doch lange sperrte sich die Deutsche Bahn AG gegen eine Übereinkunft mit den Leipziger Initiativen. Erst eine Unterschriftensammlung zur Unterstützung des Projekts, über die L-IZ im April 2011 berichtete, brachte die Wende. “Immer wenn man gewissen Widerstand spürt, ist es wichtig, dass man ein Feedback bekommt”, hob Torsten Schleip vom Friedenszentrum Leipzig am Montagabend bei der Präsentation des Projekts noch einmal dankend hervor. Auch die Breite der Unterstützung vom Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik über den Sprecher der Leipziger Bildungsagentur Roman Schulz bis hin zu Vertretern aller demokratischen Parteien habe ihn sehr positiv berührt, sagte Schleip im Gemeindezentrum der Leipziger Israelitischen Religionsgemeinde in der Hinrichsenstraße.So sind die Initiatoren der Gedenkinstallation in den letzten Monaten ihrem Ziel nach eigenem Bekunden ein gutes Stück näher gekommen. “Die Verhandlungen über den Gestattungsvertrag mit der DB-AG sind weit fortgeschritten, erforderliche Genehmigungen sind eingeholt und eine Absichtserklärung der DB liegt vor”, erklärte Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde, für die Projektgruppe.
Das Ziel der Initiativen sei es, das Denkmal am 27. Januar 2012, dem Gedenktag an die NS-Opfer, der Öffentlichkeit in einer sehr würdigen Veranstaltung zu übergeben, ergänzte Richard Gauch von der Gruppe Gedenkmarsch. Als Standort ist das Kopfende des Museumsbahnsteigs 24 des Hauptbahnhofs vereinbart.
Bis Ende September wollen die Initiativen bereits 3.500 Euro gesammelt haben, die weiteren 4.000 Euro dann bis Ende November. “Lieber viele, die einen Euro geben”, erläuterte Richard Gauch, denn dadurch würden viele das Denkmal als das ihre begreifen.
Unter dem Verwendungszweck “Gedenkinstallation” können Beträge auf das Konto 307 604 507 des Friedenszentrums Leipzig e.V. bei der Volksbank Leipzig, Bankleitzahl 860 956 04, eingezahlt werden. Spendenquittungen sind selbstverständlich möglich.
Langfristig gehöre das Denkmal in die Verantwortung der Stadt Leipzig, unterstrich Richard Gauch erneut. Denn ein relativ kleiner Verein könne das Denkmal auf Dauer als alleiniger Träger nicht betreuen. Bislang fanden die Initiativen damit bei der Stadtverwaltung kein Gehör: Im Juni 2011 teilte Kulturamtsleiterin Susanne Kucharski-Huniat schriftlich mit, dass die Übernahme von Pflegekosten für Denkmale Dritter auf fremdem Grund und Boden nicht möglich sei.
Für Torsten Schleip steht im Vordergrund, die Erinnerung an das Verbrechen der Deportationen und die betroffenen Menschen wach zu halten und an die nächste Generation zu übergeben. Wichtig sei zu zeigen, “was auch der Stadt dadurch verloren gegangen ist” durch die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Mitbürger.
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