Kann man Vögel taufen? Wohl nicht wirklich. Erst recht nicht, wenn sie einen kräftigen Schnabel haben wie die prächtigen blauen Hyazinth-Aras aus Südostbrasilien. Zwei von ihnen leben im Leipziger Zoo. Und wenn sie gut drauf sind, sind Silvia und Hubert weithin zu hören. Ein knarrender Schrei wie bei anderen Papageien. Singen können die beiden nicht.

Aber neugierig sind sie. Und als sie merkten, dass da am Mittwochmittag eine Meute neugieriger Menschen auf ihre Volière zusteuerte, waren sie sofort am Gitter und beobachteten das Treiben. Den Zoodirektor Jörg Junhold kannten sie schon. Der kommt öfter hier vorbei. Und den Herren mit der Mappe auch. Der war öfter mal da, weil ihn die ein Meter großen blauen Vögel jedes Mal faszinieren. Die anderen wurden hier noch nicht gesichtet. Entsprechend aufgeregt waren die beiden Vögel, die jetzt auf einmal zu Stars wurden.

Eigentlich ging es nur im die 14-jährige Silvia. Aber wer Silvia erlebt, erlebt auch Hubert (15). Da steht man auch mal kurz kopfüber, um die Zeremonie aus der richtigen Perspektive zu erleben. Denn Silvia wurde getauft. Ganz metaphorisch und richtig. Sie bekam an diesem Tag einen zweiten Namen. Deswegen war auch der Bursche im schicken Anzug da, der Geschäftsführer des Bachfestes Leipzig, Dr. Dettloff Schwerdtfeger. Er durfte mit aufs Foto, zusammen mit Zoodirektor Jörg Junhold. Denn ganz offiziell übernahm das Bachfest die Patenschaft für einen Hyazinth-Ara. Für Silvia also. Und damit sie was davon hat, bekam sie für ein Jahr auch einen offiziellen Zweitnamen: Zanaida.Da war auch der Herr glücklich, der hier in letzter Zeit des öfteren vorüberschlenderte: Olaf Wagner, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher der TOTAL Raffinerie Mitteldeutschland GmbH. Die hat ihren Sitz ganz nahe im hübschen Städtchen Bad Lauchstädt und seinem Goethe-Theater, wo im Juni die verschollen geglaubte Oper Johann Christian Bachs wiederaufgeführt wird. “Seit 1763 zum ersten Mal wieder”, sagt Dettloff Schwerdtfeger. In London war das damals. Und die Barockoper mit ihrem orientalischen Farbenzauber hat Wirkung entfaltet. Denn im Publikum saß der siebenjährige Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus.

Es gab, wie man sieht, Zeiten, da waren auch zwei Vornamen nicht genug. Mit Nachnamen hieß der Junge Mozart. Der Junge wurde berühmt. Und die Oper des Bach-Sohnes verschwand. Bis vor Kurzem. Da tauchte sie wieder auf. Die Partitur war überraschender Bestandteil der Sammlung des New Yorker Reedereibesitzers Elias N. Kulukundis, die mittlerweile als Dauerleihgabe im Bach-Archiv verwahrt wird. Ein Sensationsfund für das Bach-Archiv.In der Schatzkammer des Bach-Museums wird die kostbare Partitur derzeit gezeigt. In Bad Lauchstädt wird die Oper zum Bach-Fest 2011 erstmals wieder in barocker Pracht zu sehen sein. Ohne Elefanten freilich und ohne Aras. “Welche barocke Pracht wir dort entfalten, verraten wir noch nicht”, sagt Dettloff Schwerdtfeger.

Dass es prächtig wird, dabei hilft die TOTAL Raffinerie Mitteldeutschland GmbH, die auch die farbenprächtige Patenschaft ermöglichte. Deswegen war Olaf Wagner mit dabei. Auch wenn Silvia Zanaida nicht dabei sein wird, wenn sich im Goethe-Theater der Vorhang hebt. “Wir haben keine Anfrage in der Richtung bekommen”, sagt der Zoodirektor. “Wir hätten sie auch nicht erfüllt.”

Die großen blauen Papageien sind zwar laut und unmusikalisch – aber auch sensibel. Jeweils 1,5 Kilogramm Sensibilität. Deswegen ist vor dem Gitter zur Sicherheit der Neugierigen auch eine Extra-Absperrung. Die lauten Schnäbel sind groß und kräftig. Denn die Prachtvögel ernähren sich von Samen, Nüssen und anderen hartschaligen Früchten. Dazu ist der Schnabel da.Zu Johann Christian Bachs Zeit ging man mit Tieren auf der Bühne noch wesentlich unvorsichtiger um. Tiere waren in der Theaterpraxis der Entstehungszeit der “Zanaida” nichts Ungewöhnliches. Im 18. Jahrhundert gab es keine strikte Trennung zwischen Zirkus und Theater. Auf der barocken bis klassischen Bühne tummelte sich daher so manches Getier vom Elefanten hin bis zu exotischen Vögeln. Selbst Aufführungen der Dramen Friedrich Schillers wurden noch mit Vorliebe mittels lebender Pferde ausgestattet, womit nicht zuletzt eine Überwindung der strengen Theaterregeln der Französischen Klassik gefeiert wurde.

Was es mit dem eher traurigen Schicksal der osmanischen Prinzessin Zanaida auf sich hat, das kann man bei der Aufführung der Oper am 15. und 16. Juni jeweils 18 Uhr im historischen Goethe-Theater in Bad Lauchstädt erleben. Für die szenische und akustische Realisation sorgt das Pariser Ensemble Opera Fuoco unter Leitung von David Stern in der Regie von Sigrid T’Hooft. Der erste Abend ist schon zu 80 Prozent verkauft, der zweite zur Hälfte. Wer dabei sein will, sollte sich also sputen.

Es sei denn, er bevorzugt einen Besuch bei Silvia Zanaida und ihrem Hubert, die in ihrer Volière manchmal herzzerreißend papageiisch flirten. “Nur Nachwuchserfolge haben wir mit unseren Hyazinth-Aras leider noch nicht”, sagt Jörg Junhold. “Im Zoo ist Nachwuchs bei diesen Vögeln selten.”

Sind eben sensible Vögel.

Am Dienstag, 14. Juni, bekommen auch sie ein bisschen Musik ab vom großen Bach-Fest. Im Anschluss an eine abendliche Entdeckertour mit Führung gibt es im Zoo frei nach dem Motto “African Reflections” ein Jazz-Konzert mit dem Kora Jazz Trio in der Kiwara Lodge. “Dass die Kiwara-Savanne jedes Jahr aufs Neue die Kulisse für avantgardistische Konzerte ist, in denen der musikalische Spannungsbogen von Bach in die Moderne geschlagen wird, freut mich als bekennender Klassik-Hörer ganz besonders”, erklärt Zoodirektor Dr. Jörg Junhold.

Und wenn dann ab und zu ein kräftiger, gurrender Schrei zu hören ist zwischen hingehauchten Tonkaskaden, dann war es Silvia Zanaida, die zum Mitsingen animiert wurde. Oder Hubert. Oder beide werden’s gewesen sein.

Und zu Olaf Wagner sagte der Zoodirektor spitzbübisch: “Die Vögel werden ganz schön alt.” 25 Jahre in der freien Wildbahn, wo sie freilich vom Aussterben bedroht sind. 90 Jahre in Gefangenschaft. Aber so recht abgeneigt einem längeren Engagement schien Olaf Wagner nicht. Eine Bach-Oper, die sein Unternehmen sponsern kann, wird sich schon finden.

Das Bachfest Leipzig findet übrigens vom 10. bis 19. Juni statt.

www.zoo-leipzig.de

www.bach-leipzig.de

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