Am 21. Januar veröffentlichte Anthony Tommasini in der "New York Times" einen Beitrag mit dem Titel "The Greatest", in dem er darüber nachdachte, wer denn eigentlich der größte Komponist aller Zeiten sei. Und unangefochten auf Nr. 1 setzte der Musikredakteur der NYT den Leipziger Thomaskantor Johann Sebastian Bach.
In einer zweiwöchentlichen Serie hatte Tommasini zuvor erkundet, welche Komponisten nun eigentlich die zehn größten in der Musikgeschichte sein könnten. Und Tommasini ist – anders als so mancher Ranking-Autor in anderen Medien – kein Unbedarfter. Er hat selbst Musik studiert, hat einen Doktortitel in der Musikwissenschaft, spielt selbst Klavier und ist seit Jahren der Chef-Musikkritiker der NYT. Kommt also auch in Konzerte, von denen der gewöhnliche Mitteleuropäer nur träumen kann.
Bei seiner Suche nach den “Zehn Größten” durften die Leser der Zeitung eifrig mitdiskutieren. “So oft ich konnte, stellte ich online Fragen und sprang auch mitten in die Diskussion”, schreibt er. Die Rangliste entstand also nicht durch das Abstimmungsverhalten einer zufälligen Zuschauermenge – wie im Fernsehen üblich – die vielleicht mal irgendwelche Namen aus der klassischen Musik gehört hat, sondern durch das Abwägen von Argumenten unter Leuten, die sich mit klassischer Musik regelmäßig beschäftigen.
Am 21. Januar konnte Tommasini verkünden: “And the winner, the all-time great, is … Bach!”
Und dabei hatte alles, so Tommasini, ursprünglich mit einem intelektuellen Spiel angefangen. Er wollte für sich selbst Klarheit schaffen und herausfinden, was die Meisterkomponisten eigentlich so bewundernswert machte.
“My top spot goes to Bach”, schreibt Tommasini, als er dann begründet, warum der Mann, über den er als Ersten öffentlich nachdachte, dann am Ende auch Platz eins in seiner Hitliste belegte. Und auf Rang 1 landet Bach für seine “unnachahmliche Kombination von meisterlicher Komposition und fundierter Ausdrucksstärke”. Auch Bachs Gefühl für neue Entwicklungen würdigt Tommasini, genauso wie Bachs Bereitschaft, sich wesentlich ernsthafter mit seiner Art, “die Dinge zu tun”, zu beschäftigen. Ergebnis unter anderem: die unvollendet gebliebene “Kunst der Fuge”.Die Kandidaten für den zweiten und dritten Platz sind dann Mozart und Beethoven. Auf Platz vier landet Schubert. Debussy ist für Tommasini die Nummer 5 – vor Strawinsky und Brahms. Und schon die Überlegungen in Tommasinis Text zeigen: Hier fangen die Unsicherheiten an. Hier streiten sich auch die Leser im Forum, wer alles in die engere Wahl für die Top 10 gehört. Bei Verdi und Wagner fällt es Tommasini schwer, die richtige Reihenfolge zu finden. Er setzt dann nach reiflichem Abwägen Verdi auf 8 und Wagner (und damit den zweiten Leipziger Komponisten) auf 9.
Bei Platz 10 fängt erst recht das Feuerwerk an – wen nimmt man da noch herein? Monteverdi, Prokowjew, Schostakowitsch, Ives? – Am Ende entscheidet sich Tommasini für Bartok. “Das ist meine Liste”, sagt er. Und macht damit natürlich auch deutlich, dass die Liste bei anderen Kennern etwas anders aussehen könnte. Gerade hinter den Dreien, die ziemlich unangefochten vorn landeten: Bach, Beethoven und Mozart.
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