Seit über fünf Jahren verzeichnen Leipzigs Statistiker/-innen eine verstärkte Abwanderung, insbesondere junger Familien mit Kindern aus der Stadt. Und das in einer erheblichen Größenordnung, wie die Antwort des Dezernats Stadtentwicklung und Bau auf eine Anfrage der CDU-Fraktion zur Ratsversammlung am 24. Januar belegt. Auch wenn die CDU-Fraktion da eher junge Gutverdiener-Familien denkt, die unbedingt im eigenen Häuschen wohnen möchten. Das muss man sich leisten können.
Und ein Viertel der jungen Familien, die ins Leipziger Umland ziehen, können sich das auch leisten, wie Familienbürgermeisterin Vicki Felthaus auf Nachfrage von CDU-Stadtrat Michael Weickert bestätigte. Der natürlich auf etwas anderes zielte – zum Beispiel auf das Moratorium für neue Eigenheimstandorte in Leipzig. Ein Verzicht, der nun einmal auch damit zusammenhängt, dass Eigenheime viel mehr Baugrund benötigen pro Bewohner als Mehrfamilienhäuser.
Mit Eigenheimen wird Leipzig seine Probleme bei der Bereitstellung an – bezahlbaren – Wohnungen für junge Familien nicht lösen können.
Was in der Folge eben auch bedeutet, dass viele junge Familien aus Leipzig eben auch deshalb wegziehen, weil sie hier keine bezahlbare Wohnung mehr finden. Das Gute ist: Leipzig hat die Zahlen, weil sich auch die Verwaltung im Rahmen des Wohnungspolitischen Konzepts intensiv damit beschäftigt. Und die Stadt hat auch die wichtigsten Umzugsgründe ermittelt, die eben nicht nur mit dem – konservativen Traum – vom Eigenheim zusammenhängen:
„Die Hauptgründe aller umzugswilliger Haushalte aus Leipzig wegzuziehen sind dabei:
berufliche Gründe (25 Prozent),
familiäre Gründe (20 Prozent),
zu hohe Mieten bzw. Betriebskosten (17 Prozent)
Erwerb (auch Erbschaft) von Wohneigentum oder Bauland (9 Prozent).“
Dass die Zahl mit der von Familienbürgermeisterin Vicki Felthaus genannten 25 Prozent differiert, hat damit zu tun, dass das abgefragte Umzugsgründe aus der Bürgerumfrage sind, keine real erfassten von Familien, die die Stadt verlassen. Oder gar verlasen müssen.
Familien mit Kindern deutlich überrepräsentiert
Aber einen Fakt stellt die Antwort an die CDU-Fraktion trotzdem fest: „Aufgrund zu geringer Fallzahlen ist eine weiterführende und nach weiteren Details differenzierte Analyse der Wegzugsgründe junger Familien nicht möglich. Festzuhalten ist, dass junge Familien bei den Umzügen ins Leipziger Umland deutlich überrepräsentiert sind.
Weitere Daten zu den Motivationslagen von Personen, die aus der Stadt Leipzig in eine der Nachbargemeinden verzogen sind, wurden darüber hinaus im Jahr 2019 durch eine Befragung im Zuge des Projektes ‚Interko2‘ des Leibnitz-Institutes für Länderkunde generiert. Für das Projekt wurden Befragungen in sechs Gemeinden des Leipziger Umlandes durchgeführt (Schkeuditz, Merseburg, Brandis, Groitzsch, Rackwitz, Bad Dürrenberg). Dabei lagen Familien im gesonderten Fokus.
Die Ergebnisse sind vor dem Hintergrund niedriger Fallzahlen (n=228 bzw. 244) insbesondere im Hinblick auf eine Differenzierung in ihrer Aussagekraft limitiert.
Die drei am häufigsten genannten Gründe für einen Wegzug aus der Stadt Leipzig in eine der sechs Befragungsgemeinden im direkten Umland waren der Erwerb (auch Erbschaft) von Wohneigentum (37 %), wohnungsbezogene Gründe (Wohnung ist zu klein geworden oder war in einem schlechten Sanierungszustand; 21 %) und der Wunsch nach einem Wohnen außerhalb der Großstadt (19 %).
Ausschlaggebend für eine Umzugsentscheidung ist allerdings oftmals nicht nur ein Hauptgrund, vielfach existiert ein Bündel an Motivationslagen. Daher wurden die Befragten in den Zielgemeinden auch nach weiteren ‚flankierenden‘ Umzugsgründen befragt.
Bei diesen weiteren Umzugsgründen der Paare mit Kind(ern) dominiert der Wunsch nach Wohnen außerhalb der Großstadt (29 %) gefolgt vom Erwerb bzw. der Erbschaft von Wohneigentum (17 %) und zu hohen Mieten (15 %).“
Und nicht alle Familien, die jedes Jahr Leipzig durch Wegzug verloren gehen – immerhin zwischen 2.100 und 2.500 in den vergangenen Jahren – ziehen ins nähere Umland.
Die Stadt verweist dazu auf den Statistischen Quartalsbericht 2/2022, wo es eine umfangreiche Analyse dazu gibt.
Umlandgemeinden profitieren
„Aus den Daten des Leipziger Einwohnermelderegisters kann abgeleitet werden, dass jährlich über 2.000 Familien aus Leipzig verziehen“, bestätigt die Antwort der Verwaltung. „Der stärkste Wanderungsaustausch findet dabei mit den angrenzenden und nahebei liegenden Städten und Gemeinden statt.
Beliebteste Zielorte von Familien sind – bemessen an der Anzahl im Fünfjahreszeitraum von 2019 bis 2023 aus Leipzig fortgezogener Familien – Schkeuditz, Markkleeberg, Markranstädt, Taucha, Grimma, Borna, Großpösna, Delitzsch, Rackwitz, Brandis, Naunhof, Borsdorf, Eilenburg, Pegau und Zwenkau, wo sich jeweils mehr als 100 Leipziger Familien niedergelassen haben.“
Was eigentlich kein Negativum ist, denn so haben auch die umliegenden Landkreise teil am Leipziger Wachstum. Und die Steuereinnahmen – wie sie FDP-Stadtrat Sven Morlok am 24. Januar thematisierte – sind ja nicht verloren. Jede Gemeinde vor den Toren Leipzigs freut sich über zusätzliche Einnahmen. Das stabilisiert die ganze Region.
Und für Leipzig bedeute das auch erst einmal keinen Verlust, stellt die Antwort der Verwaltung fest: „Aus der Anzahl fortziehender Familien kann nicht gefolgert werden, dass die Anzahl der in Leipzig lebenden Familien rückläufig ist. Die dargestellten Wanderungsverluste werden durch Zuzüge von Familien und Familienneugründungen mindestens kompensiert: Zum einen ziehen jährlich im Durchschnitt rund 1.800 Familien mit Kindern in die Stadt Leipzig zu, zum anderen gründen in Leipzig aufgewachsene oder zugezogene junge Erwachsene hier neue Familien. Die Zahl der Familien liegt im Ergebnis stabil bei rund 53.000.“
Von 2019 bis 2022 stieg die Zahl der Familien mit Kindern sogar von 51.847 auf 53.691. 2023 gab es freilich einen sichtbaren Rückgang auf 53.141
Wobei der Rückgang besonders bei den unehelichen Paaren mit Kindern von 14.713 auf 14.233 auffällt.
Die Nachfragen zur CDU-Anfrage drohten dann freilich tatsächlich in eine Debatte zum Wohnungspolitischen Konzept auszuarten. Aber das verbat sich OBM Burkhard Jung und wünschte sich, die Debatte dann lieber aufs nächste Wohnungspolitische Konzept zu vertagen.
Denn wie Linke-Stadtrat Mathias Weber noch einwarf, deutet manches eben auch darauf hin, dass junge Familien in Leipzig eben keinen adäquaten Wohnraum mehr finden. Eine Auslegung, die Jung nicht teilen wollte. Aber die möglicherweise dem Problem deutlich näher kommt als der Wunsch der CDU-Faktion nach neuen Eigenheimsiedlungen auf der grünen Wiese.
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