Eigentlich befragt Leipzig die Schüler an seinen Schulen zu ihrer Sicht auf die Welt, das Leben und ihre Probleme alle fünf Jahre. Nach 2010 und 2015 wäre die nächste Befragung dann 2020 dran gewesen. Aber da funkte die Corona-Pandemie dazwischen. Die Schüler waren praktisch nicht erreichbar. Die Befragung musste 2022 nachgeholt werden. Schön digital. Denn wie man mit Tablets umgeht, haben die Kinder in Oberschulen, Förderschulen und Gymnasien längst gelernt. Digitale Geräte sind ihre Welt.
„Während der Pandemie wären die Ergebnisse wohl noch ganz anders ausgefallen“, sagt Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus. Doch auch in den Ergebnissen der Studie, die sie am Donnerstag, dem 7. Dezember, gemeinsam mit Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning vorstellte, wurde sichtbar, wie die zurückliegenden drei Jahre die Psyche der Jugendlichen erschüttert haben.
Ein zentrales Ergebnis der Befragung, an der sich insgesamt 5.000 Schülerinnen und Schüler aus 212 Klassen an 64 Schulen beteiligt haben (mit am Ende 3.050 auswertbaren Datensätzen) ist dann eben auch: „Die Lebenszufriedenheit der Leipziger Schülerinnen und Schüler ist seit der Corona-Pandemie deutlich gesunken. Nur noch 61 Prozent der Jugendlichen sind aktuell mit ihrem Leben zufrieden oder sehr zufrieden, 2015 waren es noch 72 Prozent gewesen (2010: 71 Prozent).“
Demnach ist der Rückgang mit -14 Prozentpunkten im Vergleich zur Befragung von 2015 bei den Mädchen deutlich stärker zu spüren als bei den Jungen (-7 Prozentpunkte). Gelitten haben insbesondere die Beziehungen zu Freunden (-7 Prozentpunkte) sowie die Freizeitgestaltung (-5 Prozentpunkte).
Wo sind die Jugendlichen noch erreichbar?
Eigentlich logisch nach über zwei Jahren, in denen immer wieder Home-Schooling angesagt war und persönlichen Kontakte kaum noch möglich waren. Kinder gehen ja nicht nur wegen der Lehrer und des tollen Lehrplans wegen in die Schule, sondern weil sie dort auch ihre Freunde und Freundinnen treffen. Etwas, was Smartphones und andere technische Geräte nicht wirklich ersetzen können.
Auch wenn ein weiteres Ergebnis der neuen „Jugendstudie“ ist, dass die Jugendlichen immer mehr Zeit vor den Bildschirmen verbringen. Gleichzeitig ist aber ihr Interesse an Jugendklubs deutlich zurückgegangen.
Nach der Pandemie besuchen immer weniger Jugendliche Freizeittreffs, stellt die neue Studie ebenfalls fest. 2015 waren es noch 10 Prozent aller Befragten gewesen, aktuell sind es nur 7 Prozent. Hierbei zeigen sich große Unterschiede im Nutzungsverhalten: Insbesondere Schülerinnen und Schüler aus Förderschulen (23 Prozent), aus Grünau (20 Prozent), junge Menschen aus Patchwork-Familien (12 Prozent) sowie Jugendliche, deren Eltern nicht in Vollzeit arbeiten, gehen regelmäßig in die Clubs.
Womit die soziale Frage der Freizeittreffs in den Mittelpunkt rückt. In Grünau und Paunsdorf, so Vicki Felthaus, sind die Freizeittreffs überlaufen. In anderen Stadtteilen werden sie dagegen kaum noch besucht.
Eine Denksportaufgabe auch für die Ratsfraktionen, die in letzter Zeit des Öfteren über die Pläne der Stadt diskutiert haben, die Landschaft der Freizeittreffs zu verändern und dem tatsächlichen Bedarf anzupassen.
Und vielleicht auch nach neuen Wegen zu suchen, wie die Jugendlichen trotzdem erreicht werden und andere Unterstützungsangebote aufgebaut (und erhalten) werden können. So wie die Schulbibliotheken, die sich für viele Kinder zu einem tatsächlichen Ort der Kommunikation entwickelt haben.
Ãœberforderung im Leistungsdruck
Denn es sind eben nicht nur die äußeren Krisen (die in den nächsten Jahren garantiert nicht verschwinden werden), die den Kindern zu schaffen machen. Es ist auch der Leistungsdruck in der Schule, der sich noch verschärft hat nach Corona. Denn seitdem fällt noch viel mehr Unterricht aus, weil aus vielerlei Gründen immer mehr Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Die miserablen Ergebnisse im PISA-Test sind kein Zufall.
Äußerst hart ist der Leistungsdruck in den Gymnasien, wo die Unzufriedenheit der Schüler mit den Zensuren besonders groß ausfällt. Aber den größten Druck machen sich Mädchen. Von ihnen leiden 79 Prozent unter Überforderung. Für Vicki Felthaus ist das ein Alarmzeichen. Die Stadt kann gar nicht aufhören, ihre Präventions- und Unterstützungsangebote für die Schulkinder mit Millionen Euro aus dem Stadtsäckel auszubauen.
„Die Ergebnisse der Studie enthalten für uns wichtige Hinweise und geben entscheidende Impulse für die weitere Planung der Angebote für unsere Kinder und Jugendlichen“, sagt Vicki Felthaus, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Jugend.
Ulrich Hörning, Bürgermeister und Beigeordneter für Allgemeine Verwaltung, schließt sich dem an und lobt die gute Zusammenarbeit der beteiligten Bereiche im Amt für Statistik und Wahlen sowie im Amt für Jugend und Familie beim Erarbeiten der Studie. „Die Jugendstudie bildet eine gute Grundlage zur faktenbasierten Diskussion rund um das Aufwachsen junger Menschen in Leipzig“, sagt er.
Man findet die gesamte Studie auf der Website des Amtes für Statistik und Wahlen.
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