Eigentlich überrascht das Ergebnis nicht: Wer ein starkes soziales Umfeld hat, der kommt besser durch die Krise – das zeigt eine SINUS-Studie im Auftrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), die am Dienstag, 7. Dezember, im Rahmen eines digitalen Pressegesprächs vorgestellt wurde. Im Rahmen des Programms Aufleben – Zukunft ist jetzt. diskutierten zeitgleich Expert/-innen aus Wissenschaft und Praxis über Resilienzförderung im Kindesalter.
Resilienz – das ist die Fähigkeit, mit Krisen und Veränderungen umgehen zu können, darauf positiv zu reagieren und sich auch anpassen zu können. Eine Fähigkeit, die auch Kinder und Jugendliche brauchen und die gerade in den vielen Monaten der Corona-Einschränkungen gefragt war und ist.Aber was macht einen als Jugendliche/-n eigentlich resilient?
In der Studie geben 67 Prozent der befragten Jugendlichen an, ihnen habe ihre Familie geholfen. 46 Prozent nennen hier ihren Freundeskreis. Gleichzeitig ist die Angst groß, dass die Freundschaften verloren gehen. 64 Prozent nennen das als negative Konsequenz auf die Corona-Beschränkungen.
Einsamkeit und Passivität machen sich laut Aussage hier besonders bemerkbar. Positiv ist aus Sicht der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS): Die breite Mehrheit der Jugendlichen blickt im Großen und Ganzen optimistisch in die eigene Zukunft und ist zufrieden mit dem Leben.
Bildungsferne reicht bis hinein in die sozialen Beziehungen
Stärker und häufiger eingeschränkt fühlen sich bildungsferne Gruppen, sie machen sich Sorgen um ihre soziale und materielle Teilhabe. 52 Prozent dieser Befragten weist auf finanzielle Probleme in der Familie wegen der Coronakrise hin. Hinzu kommen schulische Beeinträchtigungen, mit denen sich Befragte mit einfacher und mittlerer Bildung mehr schwertun.
Und noch etwas fällt auf: Bildungsbenachteiligte Jugendliche bekamen in der Coronakrise deutlich weniger Unterstützung durch Freunde/Freundinnen oder Klassenkameraden. Bekamen Gymnasiast/-innen zum Beispiel in 52 Prozent der Fälle echte Unterstützung durch Freund/-innen, so waren es bei bildungsbenachteiligten Jugendlichen nur 29 Prozent.
Was ja eben nicht nur Unterstützung beim Lernen bedeutet, sondern auch ein soziales Netz, das über die oft kleine Familie hinausreicht. Wenn das aber bei Erwachsenen genauso ist – und das liegt ja als Vermutung nahe – erweist sich die Ressource „soziales Netzwerk“ auch als Ressource für Lebens- und Bildungschancen.
Da bekommt der zu Recht hier benutzte Begriff Bildungsbenachteiligung eine noch viel größere Bedeutung.
Denn weniger soziale Kontakte bedeuten nun einmal auch weniger Chancen, sich innerhalb einer Gesellschaft verwirklichen und etablieren zu können. Das Ausweichen auf Filme und Computerspiele ändert daran ja nichts, auch wenn es augenscheinlich gerade Jungen (58 Prozent) geholfen zu haben scheint, über die Vereinsamung in der Corona-Zeit hinwegzukommen. Was freilich gleich wieder Fragen aufwirft, denn Flucht in die digitale Welt ist ja nun einmal kein sozialer Kontakt. Und es stärkt einen auch nicht im Umgang mit richtigen Menschen.
Das Sinus-Institut folgt freilich eher der technologischen Interpretation, die die technischen Ausstattungen der Schulen fürs Homeschooling in den Blickpunkt rückt. Das hat natürlich auch einen sozialen Aspekt.
Dr. Marc Calmbach, Geschäftsführung SINUS-Institut: „Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass die Jugendlichen Luft nach oben sehen bei der digitalen Infrastruktur an den Schulen. Daher ist eine bessere digitale Ausstattung der Schulen auch eine der zentralen Forderungen der jungen Generation an die neue Bundesregierung.“
Denn während 77 Prozent der Gymnasiast/-innen sahen, dass sie mit Online-Unterricht gut zurechtkommen, liegt der Wert bei bildungsbenachteiligten Schüler/-innen nur bei 58 Prozent. Immerhin 52 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, dass die schulischen Leistungen unter dem Online-Unterricht gelitten haben.
Frank Hinte, Geschäftsführer der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung: „AUF!leben können statt nur nachholen müssen! Wie das für die von Lockdown sowie von Kita- und Schulschließungen besonders betroffenen Kinder und Jugendlichen gut gelingen kann, wissen die Träger vor Ort am besten. Der Zukunftsfonds in AUF!leben bietet diesen zivilgesellschaftlichen Akteur/-innen die Möglichkeit, schnell und unbürokratisch Gelder für bedarfsgerechte außerunterrichtliche Angebote zu beantragen.“
Aber vor allem hat die Studie deutlich gemacht, wie stark die jungen Menschen unter der Einschränkung der sozialen Kontakte leiden. Einsamkeit, Langeweile und Freiheitsbeschränkungen werden als Beschreibung für das eigene Befinden in der Corona-Pandemie am häufigsten genannt. 64 Prozent der Befragten gaben auch an, dass Freundschaften einschlafen oder sogar verloren gehen.
Anne Rolvering, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, sagt dazu: „Für Jugendliche sind Kontakte zu Gleichaltrigen in Krisensituationen enorm wichtig. Das bestätigt unsere aktuelle SINUS-Jugendbefragung einmal mehr. Daher ist es gerade jetzt so wichtig, möglichst viele gute Angebote für Jugendliche vor Ort zu machen – derzeit auch draußen und mit Abstand – um ihnen in der aktuellen Situation gemeinsame Erlebnisse zu ermöglichen und gesund durch die nächsten Wochen zu kommen.“
Was steckt hinter AUF!leben?
Als Förderprogramm setzt AUF!leben – Zukunft ist jetzt. genau hier an und unterstützt bundesweit beteiligte Träger und Vereine, die helfen, Alltagsstrukturen und -erfahrungen zurückzugewinnen. Im Fokus stehen dabei insbesondere Kinder und Jugendliche, die in Risikolagen aufwachsen und die durch die Pandemie besonders belastet waren oder sind.
In den ersten Monaten der Programmlaufzeit wurden dabei bundesweit vielfältige Angebote umgesetzt – darunter zahlreiche Herbstferien-Camps, in denen Kinder und Jugendliche z. B. gemeinsam ein Zirkus-Programm entwickelt und aufgeführt haben, sich zwei Tage
im Angeln ausprobieren konnten oder eine Woche gemeinsam segelten.
Für die Studie führte das SINUS-Institut im Oktober 2021 eine deutschlandweite repräsentative Online-Befragung bei 2.005 Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren durch. Gegenstand der Untersuchung waren die Zukunftseinschätzungen der Teenager, ihre Lebenszufriedenheit und Befindlichkeit in der Coronakrise sowie die Situation an den Schulen und deren Krisenbewältigung. Zudem wurde nach den Erwartungen an die neue Bundesregierung gefragt.
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