Es geht eigentlich. Man muss nur die technischen Mittel haben – und wenn mich nicht alles täuscht, werden sich unsere Politiker genau darüber bald Gedanken machen. Denn wenn „social distancing“ noch für Monate oder gar Jahre zu unserem Alltag gehört, dann müssen auch demokratische Versammlungen per Videokonferenz stattfinden können. So wie die Sitzung des Leipziger Jugendhilfeausschusses am 6. April.
Der tagt – wie die anderen Ausschüsse des Leipziger Stadtrates auch – nun per Videokonferenz, während alle Gremien, wo die Teilnehmer/-innen nicht über die nötige Ausrüstung verfügen, derzeit ausfallen. Das betrifft zum Beispiel die Stadtbezirksbeiräte.
Der Jugendhilfeausschuss hat in seiner ersten Beratung seit Beginn der massiven Ausgangsbeschränkungen einen gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht, der die pauschale Weiterfinanzierung der ambulanten und teilstationären Hilfen sowie der Eingliederungshilfen während der COVID-19-Pandemie ab dem 16. März sichern soll. Der Antrag wurde von den Mitgliedern einstimmig ohne Enthaltung auf den Weg gebracht. Die Sitzung fand aus Infektionsschutzgründen erstmals per Videokonferenz statt.
Der Antrag des Jugendhilfeausschusses.
Der Jugendhilfeausschuss setzt damit den Sicherstellungsauftrag um, der aus § 2 SoDEG erwächst.
Das am 28. März in Kraft getretene Sozialschutz-Paket des Bundes und das darin enthaltene Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) sieht bislang eine Sicherung der Finanzierung der Leistungen – unabhängig davon, ob diese in Covid-19-Zeiten planmäßig geleistet werden konnten oder nicht – von zumindest 75 % vor. Darüber hinaus geleistete Arbeit wird selbstverständlich auch vergütet. Laut Aussage des Leipziger Jugendamtes wird dies in Leipzig so auch umgesetzt.
Diese grundsätzliche Zusage begrüßt der Jugendhilfeausschuss. Aber es geht nicht mehr nur um die Fortsetzung der bisherigen Arbeit. Denn auch aus Sicht des Jugendhilfeausschusses wird sich die Situation in der ambulanten Jugendhilfe jetzt noch deutlich verschärfen. Denn die Ausgangssperre gilt ja auch für Jugendliche aus problembelasteten Familien.
Und gerade für diesen Einsatz für problembelastete Familien, der oft ein regelrechter Feuerwehreinsatz sein muss, werden jetzt alle verfügbaren Mitarbeiter/-innen der Jugendhilfe gebraucht. Mit zunehmender Ausbreitung des Coronavirus wächst die gesellschaftliche und damit auch die kommunale Verantwortung für Familien in Not.
Dem trage die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses Rechnung, betont Michael Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Der Jugendhilfeausschuss hat sich sehr deutlich zur Fachkräftesicherung und der Aufrechterhaltung der so wichtigen ambulanten und teilstationären Hilfen ausgesprochen. Die Leistungen in der Jugendhilfe können durch die verhängten Ausgangsbeschränkungen, die Kontaktsperren und die zahlreichen zu begründenden Ausnahmen nur unter sehr erschwerten Bedingungen geleistet werden. Hieraus entsteht für die Leistungserbringer eine große Unsicherheit zur Weiterbeschäftigung ihres Personals.“
Schon seit März beschäftigte sich der Jugendhilfeausschuss mit der Frage, wie vor allem die teilstationären und ambulanten Hilfen aufrecht erhalten werden können, die nun einmal ohne näheren Kontakt zu den Betroffenen nicht möglich sind.
Michael Schmidt: „Die Fachkräfte betreuen Familien in Not auch weiterhin, aber unter deutlich erschwerten Bedingungen. Wir haben auch keine andere Chance diese Familien nicht zu begleiten, denn das zöge massive Gesellschaftliche Probleme nach sich. Und es hätte unter Umständen drastische Folgen für Kinder und Jugendliche in problembelasteten Familien.“
2018 gab Leipzig über 122 Millionen Euro für die Kinder- und Jugendhilfe aus, darunter rund 12 Millionen Euro für unbegleitete minderjährige Ausländer. Der Wert steigt seit Jahren, obwohl die Zahl der Kinder in SGB-II-Bedarfsgemeinschaften leicht gesunken ist.
Was eben auch bedeutet, dass sich die Problemlagen in vielen Familien vererben. Und damit auch die Probleme für die Kinder. Seit 2005 hat sich die Zahl der gewährten Hilfen zur Erziehung verdoppelt – von 1.500 auf 3.412 im Jahr 2018. Schon vor Beginn der Corona-Kontaktbeschränkungen hat der Jugendhilfeausschuss deshalb überlegt, wie man die Kräfte der unterschiedlichen Träger der Jugendhilfe auch durch flexiblen Personaleinsatz bündeln könnte. Denn diese ausgebildeten Sozialarbeiter müssen jetzt noch viel öfter unterwegs sein, um den betroffenen Familien zu helfen und die Kinder und Jugendlichen zu schützen, wenn die familiäre Situation zu entgleisen droht.
„Es ist daher nur folgerichtig, dass der Jugendhilfeausschuss in seiner Verantwortung über alle vertretenen Fraktionen von Linken, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und SPD hinaus ein klares und einstimmiges Zeichen ausgesandt hat, hier eine 95 %ige Zusicherung zur Finanzierung zu geben“, sagt Michael Schmidt.
„Die so über das Sozialschutz-Paket hinaus in Aussicht gestellte Weiterfinanzierung der Stadt Leipzig hilft nicht nur, gelingende Kinder- und Jugendhilfe in Zeiten der Corona-Pandemie abzusichern. Es sorgt für Stabilität, damit die so dringend benötigten sozialpädagogischen Fachkräfte uns auch weiter erhalten bleiben. Das letzte Wort obliegt nun dem Stadtrat, dieser Verantwortung zu folgen.“
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