Dabei war doch die sächsische SPD so stolz, dass sie beim großen Monolithen CDU überhaupt etwas erreicht hat in Sachen Kita-Betreuung. Eine ganz leichte Verbesserung beim Betreuungsschlüssel – seit 2008 der erste, wenn auch leichte Fortschritt bei diesem Thema. Aber die Betroffenen empfinden es überhaupt nicht als Erleichterung. Und vernetzen sich jetzt.
Denn ein Problem bei der etwas besseren Betreungsquote ist: Sie repariert nichts von dem, was seit dem Einfrieren des Landes-Kita-Zuschusses seit 2008 an Löchern aufgerissen ist. Und schon damals hatte Sachsen einen der schlechtesten Betreuungsschlüssel unter den Bundesländern.
Insofern ist es verständlich, wenn die SPD-Fraktion im Landtag jetzt darauf hinweist, dass sich die Lage in den Kindertagessstätten wieder ein bisschen verbessert.
„Frühkindliche Bildung steht im Zentrum der SPD-Politik. Deshalb haben wir gleich zu Beginn der Koalition die Verbesserung des Betreuungsschlüssels und die entsprechende Finanzierung durchgesetzt. Nach über 20 Jahren war das ein wichtiger erster, aber längst überfälliger Schritt“, sagte Juliane Pfeil-Zabel am 24. März. Das Dilemma hat sie ja benannt: Vorher war über 20 Jahre lang nichts passiert. Entsprechend gewaltig ist der Nachholbedarf. Pfeil-Zabel: „Daneben geht es uns aber auch um die Qualität in den Kindertageseinrichtungen. Dazu sollen zum Beispiel die Eltern-Kind-Zentren beitragen, in denen Familien gezielt beraten und gefördert werden. Für die 31 Eltern-Kind-Zentren in Sachsen werden durch den Freistaat jährlich 500.000 Euro bereitgestellt.“
Pfeil-Zabel verwies zudem darauf, dass die Zuschüsse des Landes an die Kommunen für die Kitas seit 2014 um ca. 30 Prozent gestiegen sind. Das aber hat nichts mit einer neu entdeckten Kinderfreundlichkeit in der Landesregierung zu tun, sondern schlicht etwas mit den wieder gestiegenen Kinderzahlen und den gestiegenen Betriebskosten, was auch die Bezahlung der Betreuungskräfte betrifft. Lag der Zuschuss 2014 bei 424 Millionen Euro, stieg er 2015 auf 483 Millionen Euro und 2016 auf 512 Millionen Euro.
„In diesem Jahr wird der Zuschuss bei 554 Millionen Euro liegen, 2018 bei 607 Millionen Euro – das sind dann 43 Prozent mehr als noch 2014. Allein auf die schrittweise Verbesserung des Betreuungsschlüssels entfallen in diesem Jahr 23,9 Millionen Euro, 2018 dann 35,7 Millionen Euro“, betonte die familienpolitische Sprecherin der der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag.
Aber: Es reicht nicht, kritisiert die Leipziger Kita-Initiative, in der sich jetzt eine Arbeitsgruppe Betreuungsschlüssel gegründet hat und zum Vernetzungstreffen einlädt.
In ihrer Einladung listet sie auf, was in Leipzigs Kindertagesstätten aufgrund fehlender Erzieherinnen alles nicht rundläuft:
„Wir sind es leid, mit anzusehen, wie Erzieherinnen 18 Kinder (und mehr) in einer Gruppe versuchen müssen, gerecht zu werden! Wir sind es leid, über die hohen Krankenstände von Erzieherinnen und arbeiten am Limit hinwegzusehen! Wir sind es leid, dass vom Gruppendienst eigentlich freigestellte Kita-Leiterinnen gar nicht anders können, als Personal-Lücken in den Gruppen zu stopfen! Wird sind es leid, Jahr für Jahr von Studien zeigen zu lassen, dass Sachsen einen der schlechtesten Betreuungsschlüssel der Republik hat! Wir akzeptieren nicht länger, dass die im sächsischen Bildungsplan enthaltenen Forderungen unter diesen Bedingungen nicht umgesetzt werden können! Wir wollen nicht mit ansehen müssen, dass die sächsischen Politiker_innen nach der nächsten Wahl wieder nur minimale Veränderungen des Personalschlüssels beschließen, die bei weitem (!) nicht ausreichen und das Thema Vor- und Nachbereitungszeit überhaupt nicht angegangen wird!“
Wie sehr Sachsen mittlerweile hinterherhinkt, das machte im März auch der neueste Ländermonitor „Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung deutlich, der dann die Landtagsabgeordnete der Linken Marion Junge in ihrer Kritik bestärkte: „Dass das einstige Kita-Musterland heute die rote Laterne beim Betreuungsschlüssel im Krippenbereich trägt, ist mehr als peinlich. Selbst die ansonsten vielgepriesene leichte Verbesserung des Personalschlüssels in den Kindergärten ist kaum spürbar, weil viele Aufgaben nicht berücksichtigt werden. Es gibt für die Erzieherinnen und Erzieher keine Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeiten, der Elternarbeit und für die umfangreichen Dokumentationen.“
Zur Betreuungsquote in sächsischen Kitas hatte der Monitor festgestellt: „In SN sind die Personalkapazitäten in den KiTas von 2012 bis 2014 geringfügig erhöht worden. So hat sich der Personalschlüssel für Krippengruppen im Landesdurchschnitt von 1 : 6,6 auf 1 : 6,5 und in Kindergartengruppen von 1 : 13,7 auf 1 : 13,6 verbessert. Dennoch stellt der Personalschlüssel in SN in Krippengruppen das bundesweit ungünstigste Betreuungsverhältnis dar, bei den Kindergartengruppen bildet SN nach MV das Schlusslicht. Für beide Gruppenformen erreicht SN demnach die Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung nicht (1 : 3 bzw. 1 : 7,5).“
Oder so ausgedrückt: Von dieser Empfehlung sind sächsische Kitas noch um Lichtjahre entfernt.
Das Thema soll jetzt offensiv angegangen werden, betont die Leipziger Kita-Initiative.
Und so sprechen die Mitglieder der Initiative jetzt Eltern, Kita-Leiterinnen, Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen, Gewerkschafterinnen, Politikerinnen und „alle, denen eine deutliche Verbesserung der Kinderbetreuungssituation sonst noch am Herzen liegt“, an und laden zum ersten Informations- und Vernetzungstreffen am Mittwoch, 12. April, ab 19:30 Uhr in die Kita „Kleine Füchse“ (Frohburger Straße 33d) ein.
„Ziele des Treffens sind Kennenlernen, Informationsaustausch, eventuell Einigung auf Ziele und Forderungen sowie erste Überlegungen, welche Aktionen zu einer Verbesserung führen können. Konkret visieren wir die Landtagswahl im Sommer 2019 und den dazugehörigen Wahlkampf an“, teilt die Initiative mit.
1. Informations- und Vernetzungstreffen der „AG Kita-Betreuungsschlüssel Leipzig“ am Mittwoch, 12. April, um 19:30 in der Kita „Kleine Füchse“, Frohburger Straße 33d.
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