Am 19. März wird in diesem Jahr offiziell der Equal Pay Day begangen. Das Datum markiert symbolisch den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, ehe sie quasi das „Gehalt der Männer“ bekommen. Aber halt aus verschiedensten Gründen. Dass Frauen finanziell schlechter gestellt sind, hat nicht nur mit dem niedrigeren Gehaltsniveau zu tun. Und an der Gehaltsschraube zu drehen würde das Problem auch nicht lösen. Unser Denken muss sich ändern.

Denn das steckt in allem, was in unserer Gesellschaft mit Arbeitsorganisation zu tun hat. Das Stichwort lautet zum Beispiel: Familiengerechtigkeit.

Man würde ja schon gern behaupten, die neue familienfreundliche Wirklichkeit sei schon da. Immerhin kann Kerstin Lehmann in ihrem Beitrag im neuen Quartalsbericht „Frauen und Männer in Leipzig – Ausgewählte Ergebnisse Leipziger Umfragen“ feststellen, dass von den 18- bis 34-jährigen Männern (also just der jungen Vätergeneration) 22 Prozent in Teilzeit arbeiten, bei den jungen Frauen sind es 28 Prozent.

Wäre da nicht diese Unschärfe – denn natürlich sind in dieser Altersgruppe auch alle Auszubildenden und Studierenden erfasst, die oft genug froh sind, sich in einem Teilzeitjob etwas dazuzuverdienen. Die Zahlen stammen aus der kommunalen Bürgerumfrage 2014 und könnten so viel erzählen – wären sie nur genauer. Denn die Unschärfe lässt auch die Frage offen, ob hier auch noch Praktika und befristete Erstverträge zu Buche schlagen. Und ob die Teilzeit-Arbeit wirklich Wunsch der Betroffenen ist oder in einigen Branchen nur die traurige Realität.

Dass junge Leute auch in dem Alter schon versuchen, eine auskömmliche Arbeit zu bekommen, zeigen die blanken Zahlen: 63 Prozent der jungen Männer arbeiten Vollzeit, 14 Prozent aber rackern auch nach einer 43-Stunden-Woche noch weiter.

Das versuchen die jungen Frauen zu vermeiden, auch wenn von ihnen 67 Prozent in Vollzeit arbeiten und 5 Prozent noch längere Wochenarbeitszeiten haben.

28 Prozent der jungen Frauen gaben an, in Teilzeitjobs unterwegs zu sein. Aber das Bild ist deutlich: Der Großteil der jungen Eltern versucht, für den Haushalt ein doppeltes Einkommen zu erwirtschaften und ist in der Regel auf ein funktionierendes Kinderbetreuungsangebot angewiesen.

Wobei Teilzeit bei Frauen eben nicht immer heißt, dass sie sich das freiwillig ausgesucht haben. Mit steigendem Alter nimmt der Anteil der Teilzeitarbeit bei Frauen deutlich zu – auf 40 Prozent bei den 35- bis 49-Jährigen und auf 52 Prozent bei den 50- bis 64-Jährigen. Bei Männern sinkt dieser Anteil eher, während bei ihnen der Anteil der überlangen Arbeitszeiten pro Woche (über 43 Stunden) ansteigt – bei den 35- bis 49-Jährigen auf 29 Prozent. Aber auch bei den über 50-Jährigen machen noch 24 Prozent saftige Überstunden.

Was aber insgesamt nicht ausreicht, um das Einkommensniveau in Leipzig deutlich zu steigern, auch wenn Männer – bedingt durch solche Mechanismen – rund 200 Euro mehr an Nettoeinkommen im Monat haben als Frauen: 2014 war das Verhältnis 1.333 Euro zu 1.117 Euro in Leipzig.

Es bringt also nicht wirklich viel, nur auf den reinen Einkommensunterschied zu schauen, wenn man die angebotenen Arbeitszeitmodelle dahinter vernachlässigt.

Das versuchen ja einige Leute dadurch auszugleichen, dass sie Jungen versuchen für Frauenberufe zu begeistern und Mädchen für (besser bezahlte) Männerberufe. Aber das alte Arbeitsideal „Männer rackern für ihre Familie“ steckt natürlich noch tief in der Gesellschaft. Und ähnlich starr sind auch die Berufsvorstellungen der Geschlechter. Was eigentlich nichts Negatives ist. Die als „weiblich“ deklarierten Berufe (etwa im Sozial-, Pflege- und Bildungsbereich) sind für das Funktionieren der Gesellschaft genauso wichtig wie die als „männlich“ betrachteten Berufe etwa im Transport, der Industrie oder der Landwirtschaft.

Um die Kinder kümmern müssen sie sich beide. Aber wenn natürlich Branchen so strukturiert sind, dass sie den flexiblen, nachtaktiven und scheinbar robusteren Mann erfordern, dann haben es Frauen in diesen Berufen meist besonders schwer.

Es verwundert deshalb nicht, dass Männer nach wie vor am häufigsten mit dem Auto zur Arbeit fahren, auch wenn dieser Anteil von 61 Prozent im Jahr 2008 deutlich abgenommen hat auf 47 Prozent im Jahr 2014. Bei Frauen ist dieser Anteil leicht gestiegen von 40 auf 42 Prozent, das hat aber gerade in Leipzig auch eine Menge mit der morgendlichen Kita-Schule-Arbeit-Logistik zu tun.

Frauen nutzen zwar mit 24 Prozent häufiger als Männer (15 Prozent) den ÖPNV zum Weg zur Arbeit – aber der Wert lag auch bei Frauen mal deutlich höher: 34 Prozent zum Beispiel im Jahr 2010.

Was auch darauf hindeutet, dass nicht nur Arbeitswelten noch immer aus der männlichen Perspektive konzipiert werden, sondern auch Verkehrssysteme. Wäre mal was Neues in Leipzig: wirklich familiengerechte Straßenbahn- und Buslinien, abgestimmt auf das Betreuungsangebot in Kitas und Schulen.

So ein Moment des Aufwachens war ja zu spüren, als die LVB 2015 kurzerhand in Nähe der neuen Kindertagesstätte in der Gohliser Straße auch eine neue Haltestelle für die Linie 12 einrichteten. Eigentlich müssten jetzt auch die Straßenbahnen mitwachsen, damit die vielen Kinderwagen hineinpassen. Man ahnt nur, wie weit der Weg zu einer wirklich familienfreundlichen Stadt ist. Und das Radwegesystem gehört tatsächlich dazu. Denn was Auto und ÖPNV eingebüßt haben, ist in den letzten Jahren vor allem aufs Rad gewechselt – samt Kind und Kegel im wahrsten Sinn des Wortes. Auch wenn viele Radwege für die diversen Anhänger mit den Knirpsen gar nicht ausgebaut sind und das Radwegenetz noch voller gefährlicher Stellen ist.

Womit wir jetzt bei den Kindern sind. Aber um die kümmern wir uns morgen an dieser Stelle.

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