Seit Juli steht, recht wenig beachtet, eine Petition von Leipziger Eltern im Internet, die eine Verbesserung der Betreuungssituation in Leipzigs Kindereinrichtungen fordert. Die ist nicht gut, was vor allem mit der recht mageren Kita-Finanzierung in Sachsen zusammenhängt. Sollte die Stadt nicht selbst stärker in eine bessere Betreuung investieren? Gute Frage.
Aber die aktuelle Vorlage der Stadt zu den neuen Elternbeiträgen zeigt, dass die Stadt eigentlich keine Spielräume hat, selbst in Vorleistung zu gehen. Die von der Regierungskoalition zugestandene Erhöhung der Kita-Pauschale vom Land von 1.875 auf 2.060 Euro hilft zwar, den Betreuungsschlüssel leicht zu verbessern. Dafür bleiben die Kommunen wieder auf den steigenden Nebenkosten sitzen.
Und das führt auch zu recht eigenartigen Vorgängen, wie der jüngst erfolgten Kündigung der Kitavereinbarungen mit den Freien Trägern, die in Leipzig den Großteil der Kindertageseinrichtungen betreiben. Die Kündigung erfolgte fristgerecht, um die Vereinbarung vor allem vor dem Hintergrund der Novellierung des Sächsischen Kitagesetzes (SächsKitaG) neu zu verhandeln. Nunmehr fordern die in der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Leipzig (AGW) organisierten Träger eine Rücknahme dieser Kündigung und eine Einbeziehung in die zukünftige Vertragsgestaltung.
Aber augenscheinlich fehlt es selbst in der Stadtverwaltung an genügend Personal, um das Schiff durch die wachsenden Ansprüche zu steuern.
“Der Verlauf der Kündigung und Neuverhandlung zeigt deutlich das personelle Dilemma des Leipziger Amtes für Jugend, Familie und Bildung. Es verfügt schlichtweg nicht über die notwendigen personellen Kapazitäten, um die dringend notwendigen Prozesse, wie aktuell die Neuverhandlung der Kitavereinbarungen mit den Freien Trägern, sachgerecht umzusetzen und erfolgreich abzuschließen”, kommentiert Petra Cagalj Sejdi, Stadträtin der Grünen und Mitglied im Jugendhilfeausschuss, den Vorgang. “Die Kündigungen vom Sommer waren durchaus nachvollziehbar. Einem solchen Schritt müssen dann aber entsprechende Taten folgen: Die leistungserbringenden Freien Träger müssen intensiv in die Erarbeitung neuer Verträge eingebunden werden und Gremien, die für die Kommunikation mit der Verwaltung geschaffen wurden, genutzt werden, um strittige Punkte offen zu beraten und einen gemeinsamen Weg zum Konsens zu finden. Stattdessen verstrich immer mehr Zeit, sodass den Vertretern der Träger letztlich Entwürfe vorgelegt wurden, ohne ihnen die notwendigen Vorberatungsmöglichkeiten einzugestehen. Dieses Vorgehen ist aus Sicht meiner Fraktion inakzeptabel.“
Offene Punkte gibt es zahlreiche. Eine wesentliche Frage dreht sich um den Umgang mit sogenannten Belegplätzen, auf die die Verwaltung Zugriff hat, wenn es um kurzfristige Platzbedarfe vor dem Hintergrund des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz geht.
“So nachvollziehbar der Anspruch der Verwaltung ist, so kompliziert ist dabei aber auch die Gemengelage. Während in betriebsnahen Kitas kooperierende Firmen Belegplätze finanziell bezuschussen, ist die Stadt dazu nicht bereit”, benennt Michael Schmidt, familienpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, die auch hier sichtbare Finanzklemme der Stadt, die zwar in den vergangenen Jahren massiv auf den Ausbau der Kitas in freier Trägerschaft gedrängt hat, den Ausbau der eigenen Kapazitäten dabei aber deutlich zurückhaltender handhabte. Mit dem für alle Seiten unerfreulichen Ergebnis, dass Eltern, die keinen Betreuungsplatz gefunden haben, die Stadt in die Pflicht nahmen und auch vor Gericht zogen, während die Stadtverwaltung mit der Lupe nach verfügbaren Plätzen in eigener Regie suchen musste.
Michael Schmidt: “Auch gibt es bereits in der Praxis in solchen Kitas praktikable Verfahren, die durchaus Modellcharakter für die neuen Vereinbarungen sein können. Stattdessen wird die praktische Umsetzung im aktuellen Entwurf der Vereinbarung offen gelassen, statt zukünftige klare Verfahren mit den Leistungserbringern auszuhandeln.”
Das Ergebnis ist für den Stadtrat ziemlich eindeutig: Wer nicht über die eigenen Ressourcen in ausreichendem Ausmaß verfügt, der muss sich mit den Freien Trägern eben nicht nur als Aufgabenträger, sondern als Verhandlungspartner an einen Tisch setzen.
“Ich halte das ganze Verfahren der Vertragskündigung und Neuverhandlung für eine Farce. Die Stadt muss sich mit den Trägern an den Verhandlungstisch setzen und die strittigen Punkte sachgerecht zu einem Konsens führen”, erklärt Schmidt. “Das braucht Zeit, personelle Ressourcen und den gemeinsamen Willen einer Lösungsfindung. Wer aber eine Verhandlung führen will, der muss seinem Gegenüber auch die Möglichkeit geben, Papiere in angemessener Zeit zu bewerten und Gegenvorschläge zu unterbreiten. Dies blieb die Verwaltung bislang augenscheinlich beides schuldig.”
Der einzig sinnvolle Weg kann aus seiner Sicht jetzt nur sein, die Kündigungen zum 31. Dezember 2015 aufzuheben oder zumindest auszusetzen und sachgerechte Verhandlungen mit den Leistungserbringern zu führen.
“Die Stadtspitze sollte dabei selbstkritisch die personellen Ressourcen in den Blick nehmen, da diese aus meiner Sicht Hauptursache dafür sind, dass im Amt für Jugend, Familie und Bildung zahlreiche Herausforderungen nicht mehr angemessen abgearbeitet werden können”, sagt Schmidt. “Auch die zusätzlichen Neueinstellungen, die verwaltungsseitig geplant sind, werden diese Probleme nicht lösen.“
Nachtrag, 15. Oktober:
Mitteilung des Caritas-Verbandes zum Verhandlungsergebnis
Kündigung der Verträge über den Betrieb von Kindertagesstätten durch freie Träger für ein Jahr ausgesetzt
Zeit für konstruktive Verhandlungen steht wieder zur Verfügung
Ende Juni 2015 hatte die Stadt Leipzig allen Freien Trägern von Kindertagesstätten in Leipzig die Vereinbarung über den ordnungsgemäßen Betrieb und die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen der freien Träger sowie der Kindertagespflege gemäß des Sächsischen Kita-Gesetzes zum 31.12.2015 gekündigt.
Der aktuelle Verhandlungsstand im Blick auf die Fortentwicklung der Verträge konnte seitens der Freien Träger bisher nicht als zufriedenstellend angesehen werden.
Am 14.10.2015 fand ein Gespräch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände in Leipzig und dem Sozialbürgermeister Prof. Dr. Fabian statt. Die gekündigten Verträge sowie der aktuelle Stand der Verhandlungen waren eines der Themen. Im Gespräch wurde deutlich, dass die Verhandlungen über den Betrieb von Kindertagesstätten in der noch zur Verfügung stehenden kurzen Zeit nicht zielführend und für alle Seiten zufriedenstellend zu Ende geführt werden können.
Prof. Dr. Fabian teilte deshalb den Vertretern der AGW mit, dass die Kündigungsfrist um 1 Jahr, also zum 31.12.2016, verschoben wird. Die Vertreter der AGW sehen deshalb zuversichtlich konstruktiven Verhandlungen entgegen, da die dazu erforderliche Zeit jetzt prinzipiell gegeben ist.
Zum Nachlesen:
Die Petition zur besseren Personalbetreuung in Leipziger Kitas
Wir fordern den Stadtrat von Leipzig auf, die Personalsituation in den Leipziger
Kindertageseinrichtungen (Kitas und Horte) zu prüfen und zu verbessern.
Begründung:
Unsere Kindertageseinrichtungen sind moderne Bildungseinrichtungen mit professionellen Erzieherinnen / Erziehern deren Arbeitsgrundlage der moderne Sächs. Bildungsplan ist.
Wir gehen davon aus – wie auch das SMK – dass jeder Mensch als selbstlernendes Wesen auf die Welt kommt. Das Personal ist angehalten, vielfältige Angebote zu unterbreiten und darauf zu achten, zu welchem Zeitpunkt das jeweilige Kind Angebote annimmt. Jedem Kind in seiner Entwicklung zu helfen, es zu unterstützen und auf seinem Weg zu begleiten, sind anspruchsvolle Aufgaben. Jedes Kind hat das Recht auf individuelle Förderung seiner Persönlichkeit. Die Basis ist ein Vertrauensverhältnis zu Bezugspersonen die Zeit haben. Siehe auch: UN-Kinderrechtskonvention: Recht auf Bildung und Inklusion!
Der Freistaat Sachsen hat für diese Aufgaben eine personelle Untergrenze festgelegt. Diese Mindestanforderung kennen wir als Betreuungsschlüssel laut Sächs. KitaG. Den geforderten Aufgaben der Fachkräfte kann mit dem Betreungsschlüssel 1:6 bei 0-3 Jährigen und 1:13 bei 3-6 Jährigen nicht entsprochen werden und der tatsächliche Personalschlüssel ist teilweise noch schlechter als beschrieben.
Für alle Beteiligten ( Kinder, Eltern und nicht zuletzt die Erzieher ) ist diese Situation sehr unbefriedigend und die Fachkräfte können ihre professionelle Arbeit nicht so leisten wie sie gern würden und sind ab- und überarbeitet sowie gefrustet über diese Situation.
Beispiel: Kind/Fachkraft-Verhältnis 1 : 13 im Kindergarten (Kinder 3-6 Jahre). Diese Berechnungsgröße lässt ein tatsächliches Verhältnis in der Praxis bis 1:20! zu.
Die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen ist eine kommunale Aufgabe. Darum steht es jeder Kommune frei, über die Mindestanforderungen hinaus, mehr Personal zur Verfügung zu stellen, wenn es sinnvoll und notwendig erscheint.
Der Stadtrat sollte sich hierbei an den Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung orientieren:
1 Erzieherin für max. 3 Kinder in der Altersgruppe 0-3 Jahre
1 Erzieherin für max. 7 Kinder ab 3 Jahre
„Die Arbeit der Fachkräfte kann durch weitere geeignete Mitarbeiter sowie durch Eltern unterstützt werden.“ Sächs. KitaG, § 12,Personal
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